VwGH vom 08.10.1990, 90/15/0145
Beachte
Besprechung in:
ÖStZB 1991, 209;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Wetzel, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 694/1-10/Ma-1981, betreffend Haftung für Abgabenschulden gemäß § 9 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der X-GmbH (im folgenden nur als GmbH bezeichnet). Nachdem über das Vermögen der GmbH mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom der Konkurs eröffnet und am mit Beschluß dieses Gerichtes mangels Deckung der Kosten des Verfahrens aufgehoben worden war, zog das Finanzamt den Beschwerdeführer gemäß §§ 9 und 80 BAO zur Haftung für Abgabenrückstände der GmbH heran.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist ausschließlich strittig, ob im nunmehr angefochtenen Bescheid die Haftung hinsichtlich der Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 1978 (S 50.393,53) zu Recht geltend gemacht wurde.
Der Beschwerdeführer bestreitet weder, daß er als Geschäftsführer der GmbH zum Kreis der im § 80 genannten Vertreter zählte, der zur Haftung gemäß § 9 BAO herangezogen werden kann, noch, daß die strittige Abgabenschuld bei der GmbH uneinbringlich ist. Er vertrat jedoch im Verwaltungsverfahren im wesentlichen die Ansicht, in der Nichtentrichtung der strittigen Abgabenschuld sei keine schuldhafte Pflichtverletzung zu erblicken. Er habe fristgerecht am eine Umsatzsteuer-Voranmeldung für Dezember 1978 beim Finanzamt eingereicht, in der eine Zahllast von S 96.260,-- ausgewiesen gewesen sei. Mangels vorhandener Mittel habe er nur einen Betrag von S 41.260,-- entrichtet, sodaß ein Betrag von S 55.000,-- offengeblieben sei (von dem dann letztlich S 50.393,53 aushafteten). Wie die Entwicklung des Steuerkontos der GmbH zeige, stelle die strittige Abgabenschuld den einzigen fälligen Abgabenbetrag bis zur Eröffnung des Konkurses dar. Die Bemühungen des Beschwerdeführers, der ihm auferlegten Verpflichtung zur Entrichtung von Abgaben nachzukommen, seien daher bis auf den strittigen Betrag erfolgreich gewesen. Auszugsweise wörtlich führte der Beschwerdeführer ferner aus:
Zwar habe "das Finanzamt grundsätzlich recht, wenn es das Wesen der Umsatzsteuer darin sieht, daß der Unternehmer die Steuer von seiner Kundschaft als Treuhänder für den Staat kassiert und als Entschädigung für den Verwaltungsaufwand den Betrag erst ein Monat und zehn Tage nach Ablauf des Voranmeldungszeitraumes an das Finanzamt abzuführen hat. Gültigkeit hat diese Feststellung jedoch nur in Einzelfällen; vielfach ist es jedoch so, daß der Unternehmer zunächst weder Entgelt noch die darauf entfallende Umsatzsteuer 'kassiert', sondern auf Grund der Verpflichtung zur Versteuerung nach vereinbarten Entgelten vorfinanzieren muß, wenn die betreffende Forderung bis zur Fälligkeit der Umsatzsteuer nicht eingegangen ist. ... In der Praxis verhält es sich so, daß eingehende Rechnungsbeträge ohne Rücksicht auf darin enthaltene Umsatzsteuer-Beträge zur Erfüllung der allernächsten Zahlungsverpflichtungen verwendet werden und die ein Monat und zehn Tage nach Ablauf des Voranmeldungszeitraumes fällige Umsatzsteuer eben aus später eingehenden Zahlungen aufgebracht wird. Niemand in der betrieblichen Praxis wird den Betrag der in den eingehenden Zahlungen enthaltenen Umsatzsteuer aus dem finanziellen Bereich aussondern und bis zum Fälligkeitszeitpunkt bereithalten, sondern im Rahmen der Finanzplanung sämtliche Zahlungseingänge und Fälligkeiten aufeinander abstimmen. ... Es zeigt sich also, daß es in der betrieblichen Praxis üblich ist, Zahlungseingänge ohne Rücksicht auf darin enthaltene Umsatzsteuerbeträge nicht zweckorientiert, sondern einzig und allein nach zeitlichen Kriterien nach Maßgabe der allernächsten Fälligkeiten zu verwenden. Leider mußte ich ... im Februar 1979 erkennen, daß es immer schwieriger wurde, den Zahlungsverpflichtungen in zeitlicher Hinsicht nachzukommen, was schließlich zum Konkursantrag geführt hat. Es war mir daher auch nicht mehr möglich, die Umsatzsteuer für den Zeitraum Dezember 1978 zur Gänze zu entrichten. ... In ... Beschwerdefällen hat das Höchstgericht ausgeführt, daß der Geschäftsführer wohl für die nicht abgeführte Lohnsteuer haftet, für andere Abgaben aber nur, wenn er über ausreichende Zahlungsmittel verfügte. Aus obiger Sachverhaltsdarstellung geht jedoch hervor, daß ich über ausreichende Zahlungsmittel zur Abfuhr der strittigen Umsatzsteuer nicht verfügte. Es kann mir daher aus diesen Gründen eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinn des § 9 BAO nach meiner Auffassung nicht zur Last gelegt werden."
Die belangte Behörde vertrat im angefochtenen Bescheid die Auffassung, dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, die Gründe darzutun, aus denen ihm die Erfüllung der ihm als Geschäftsführer obliegenden Verpflichtung zur Abfuhr von Abgaben der GmbH unmöglich gewesen sei. Der Einwand, "eingehende Rechnungsbeträge ohne Rücksicht auf die darin enthaltene Umsatzsteuer zur Erfüllung der allernächsten Zahlungsverpflichtungen verwendet zu haben", zeige, daß der Beschwerdeführer andere Gläubiger voll befriedigt, die Abgabenschuld jedoch nur zum Teil beglichen habe. Es gehe aber nicht an, daß der Vertreter Abgabenschulden schlechter behandle, als die übrigen aus dem verwalteten Vermögen zu begleichenden Schulden.
Vorliegende Beschwerde macht inhaltliche Rechtswidrigkeit
des angefochtenen Bescheides geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Nach § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Zu den eben zitierten Vorschriften hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung darauf hingewiesen, daß es Sache des Vertreters ist, die Gründe darzutun, aus denen ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich war, widrigenfalls die Behörde zu der Annahme berechtigt ist, daß er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/13/0250, und die dort angeführte Vorjudikatur). Hinsichtlich der vom Gesetz für die Inanspruchnahme der Haftung geforderten Schuldform hat der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, daß dadurch, daß § 9 Abs. 1 BAO ohne Einschränkung auf die Schuldhaftigkeit abstellt, besagte Gesetzesstelle jede Form des Verschuldens und damit auch die leichte Fahrlässigkeit erfaßt. Der Vertreter einer juristischen Person darf bei Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen keine geringere Sorgfalt beobachten, als bei Wahrnehmung seiner sonstigen Obliegenheiten (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 85/15/0069).
Der Beschwerdeführer versucht darzutun, daß ihm keine schuldhafte Pflichtverletzung bei der Nichtentrichtung eines Teiles der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Dezember 1978 unterlaufen sei, wobei er über seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren hinaus in der Beschwerde behauptet, es liege auf der Hand, daß er 16 Tage vor Eröffnung des Konkurses nicht mehr in der Lage gewesen sei, die gesamte Abgabenschuld aus Mitteln der GmbH aufzubringen. Dies habe er im Verwaltungsverfahren auch ausreichend dargestellt. Es wäre - obwohl nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Abgabenbehörde zwar keine amtswegigen Feststellungen darüber treffen müsse, ob dem Haftungspflichtigen finanzielle Mittel der Gesellschaft zur Verfügung gestanden seien - notwendig gewesen, weitere zusätzliche Informationen und Beweise aufzunehmen. Der Beschwerdeführer habe schon viel früher als Anfang Februar 1979 mit Liquiditätsengpässen gekämpft, weshalb er dauernd gezwungen gewesen sei, die andrängenden Gläubiger zu vertrösten. Bei Eröffnung des Konkurses hätten neben den fälligen Abgabenschulden noch weitere Verbindlichkeiten von mehr als 1,7 Mio S bestanden. Daraus sei wohl eindeutig abzuleiten, daß die Abgabenschulden nicht - wie von der belangten Behörde behauptet - mit geringerer Sorgfalt als die übrigen Verbindlichkeiten, sondern sogar bevorzugt behandelt worden seien.
Was der Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren hinaus insbesondere bezüglich der früheren Liquiditätsengpässe und der Höhe der bei Konkurseröffnung aushaftenden Verbindlichkeiten vorträgt, stellt jedoch neues und damit unbeachtliches Vorbringen im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG dar. Zur Aufnahme zusätzlicher Informationen und Beweise hatte die belangte Behörde umsoweniger Anlaß, als der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren unter Hinweis auf die betriebliche Praxis aufzeigte, es seien "Zahlungseingänge ohne Rücksicht auf darin enthaltene Umsatzsteuerbeträge nicht zweckorientiert, sondern einzig und allein nach zeitlichen Kriterien nach Maßgabe der allernächsten Fälligkeiten" verwendet worden. Die belangte Behörde konnte daher jedenfalls ausschließen, daß der Beschwerdeführer die ihm zur Verfügung stehenden Mittel kridamäßig (anteilsmäßig) zur Befriedigung aller Gläubiger einsetzte. Sie erblickte in der Nichtentrichtung eines Teiles der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Dezember 1978 schon deshalb zu Recht eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers, weil er die ihm zur Verfügung stehenden Mittel nicht anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendete (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/13/0198).
Unabhängig von den vorstehenden Überlegungen reicht es zu den Beschwerdeausführungen über die Vereinnahmung der Umsatzsteuer bei Besteuerung nach vereinbarten Entgelten aus, darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer zur gänzlichen Abfuhr der Umsatzsteuer ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten der GmbH bei korrekter Geschäftsführung jedenfalls in der Lage gewesen sein muß. Die Gründe dafür hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt dargelegt: Es handelt sich bei der Umsatzsteuer auch hier um eine mit den Preisen (Entgelten) bereits vereinnahmte Abgabe (beachte gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 84/14/0027, vom , Zl. 84/13/0085, vom , Zl. 84/13/0086, und vom , Zl. 88/14/0193). Welche im Dezember 1978 entstandenen Forderungen bis nicht realisiert werden konnten, hätte der Beschwerdeführer darzutun gehabt.
Der angefochtene Bescheid entspricht somit der Rechtslage. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom , BGBl. Nr. 206.