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VwGH vom 28.01.1999, 98/19/0229

VwGH vom 28.01.1999, 98/19/0229

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde des 1964 geborenen JR in Wien, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 123.558/2-III/11/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit seiner am bei der österreichischen Botschaft in Preßburg persönlich überreichten Eingabe, welche am beim Landeshauptmann von Wien einlangte, beantragte der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Republik Korea, die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.

Anläßlich einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Landeshauptmann von Wien vom gab der Beschwerdeführer (auszugsweise) folgendes an:

"Ich bin seit Jänner 1997 geschäftsführender, persönlich haftender Gesellschafter der ... OEG mit dem Sitz in ... Wien, .... Ende Dezember 1997 wurde der Betrieb eröffnet. Seither erstreckt sich mein Aufgabengebiet auf die Zubereitung von Sushi, die Kontrolle über das Personal (derzeit drei Dienstnehmer), Tätigung von Einkäufen und einige buchhalterische Arbeiten.

Ich arbeite von Montag bis Samstag von 12.00 bis 23.00 Uhr.

Anfang Dezember 1997 bin ich zuletzt aus Südkorea nach Österreich eingereist. Für fünf Tage reiste ich im Dezember 1997 in die Bundesrepublik Deutschland, um einen Freund zu besuchen. Seither halte ich mich ständig in Wien auf.

..."

Mit Bescheid vom wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag des Beschwerdeführers vom gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) ab. Der Beschwerdeführer sei sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist und gehe nach seinen eigenen Angaben hier einer Erwerbstätigkeit nach. Die Aufnahme der Erwerbstätigkeit verstoße jedoch gegen die Bestimmungen des FrG 1997, weil dafür eine Niederlassungsbewilligung vorgeschrieben sei. Infolge dieses Fehlverhaltens des Beschwerdeführers sei die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus dem Grunde des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 wegen Gefährdung öffentlicher Interessen zu versagen gewesen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in welcher er darlegte, er habe lediglich zum Ausdruck bringen wollen, daß die von ihm in der niederschriftlichen Einvernahme vom geschilderten Tätigkeiten ab Erteilung einer Bewilligung ausgeübt würden. Selbst auf Basis der Annahme des erstinstanzlichen Bescheides liege jedoch der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 nicht vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom wies dieser die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 und gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 ab. Begründend führte die belangte Behörde in Ansehung des erstgenannten Versagungsgrundes aus, gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 sei die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels zu versagen, wenn der Aufenthaltstitel nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden solle. Der Beschwerdeführer sei zuletzt Anfang Dezember 1997 nach Österreich eingereist. Im Anschluß an seine sichtvermerksfreie Einreise habe er sich - auch unrechtmäßig - im Bundesgebiet aufgehalten. Die Erteilung einer Bewilligung sei aus dem Grunde des § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 ausgeschlossen. Bei Vorliegen dieses Versagungsgrundes habe - wie dies auch schon bei jenem des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG 1992 der Fall gewesen sei - eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen des Fremden im Sinne des Art. 8 MRK nicht zu erfolgen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

§ 10 Abs. 1 Z. 3 und Abs. 4, § 28 Abs. 1 und § 112 FrG 1997 lauten (auszugsweise):

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn

...

3. der Aufenthaltstitel - außer für Saisonarbeitskräfte (§ 9), für begünstigte Drittstaatsangehörige (§ 47) oder Angehörige von Österreichern (§ 49) - nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 28 oder § 29) erteilt werden soll;"

...

(4) Die Behörde kann Fremden trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z. 2, 3 und 4 sowie gemäß Abs. 2 Z. 1, 2 und 5 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Fälle liegen insbesondere vor, wenn die Fremden einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 ausgesetzt sind. ...

...

§ 28. (1) Sofern die Bundesregierung zum Abschluß von Regierungsübereinkommen gemäß Art. 66 Abs. 2 B-VG ermächtigt ist, kann sie zur Erleichterung des Reiseverkehrs unter der Voraussetzung, daß Gegenseitigkeit gewährt wird, vereinbaren, daß Fremde berechtigt sind, ohne Visum in das Bundesgebiet einzureisen und sich in diesem aufzuhalten. ...

...

§ 112. Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes sowie Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, oder gemäß der §§ 113 und 114 anhängig werden, sind nach dessen Bestimmungen - je nach dem Zweck der Reise oder des Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. ..."

In den Erläuterungen zum FrG 1997 (RV 685 BlgNR 20. GP) zu § 10 heißt es (auszugsweise):

"...

Die absoluten Versagungsgründe des Abs. 1 Z 1, 3 und 4 sind bereits im geltenden Recht normiert und sie werden im Entwurf nur in einem Punkt verändert: Das absolute Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels in unmittelbarem Anschluß an ein Reise- oder Durchreisevisum, das der geltende § 10 Abs. 1 Z 6 nahelegt, scheint überschießend zu sein. ... Wird der Aufenthaltstitel vom Inhaber eines nationalen Visums (Visum D) beantragt, ist dieser Antrag im Ausland zu stellen, der Aufenthaltstitel kann jedoch - so die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind - im Inland ausgefolgt werden.

Der Versagungsgrund des Abs. 1 Z 3 normiert, daß ein Aufenthaltstitel nicht nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden darf. ..."

Art. 1 des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Republik Korea über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 212/1979, lautet:

"Artikel 1

Inhaber eines gültigen koreanischen oder österreichischen Reisepasses dürfen sichtvermerksfrei in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates einreisen und sich dort neunzig Tage aufhalten."

§ 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes 1992 (FrG 1992) lautete:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"

Zutreffend ging die belangte Behörde in Anwendung des § 112 FrG 1997 davon aus, daß der Antrag des Beschwerdeführers vom nach Inkrafttreten des FrG 1997 am als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten war.

Der Beschwerdeführer tritt der maßgeblichen Annahme der belangten Behörde, er halte sich - auch bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - im Anschluß an eine sichtvermerksfreie Einreise im Bundesgebiet auf, nicht entgegen.

Allerdings führt der Beschwerdeführer aus, die Annahme, seine letzte Einreise sei Anfang Dezember 1997 erfolgt, sei aktenwidrig. Aus seiner niederschriftlichen Einvernahme vom gehe unzweifelhaft hervor, daß er nach dem mit dieser Einreise begonnenen Aufenthalt in Österreich das Bundesgebiet zunächst wieder verlassen, noch im Dezember 1997 fünf Tage in der Bundesrepublik Deutschland verbracht habe und sich erst seit seiner anschließenden Wiedereinreise durchgehend in Wien aufhalte.

Dieser aufgezeigten Aktenwidrigkeit mangelt es jedoch aus folgenden Überlegungen an der in § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG geforderten Wesentlichkeit:

Wie sich aus den oben wiedergegebenen Erläuterungen zum FrG 1997 ableiten läßt, sollte der Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 - von den darin umschriebenen Ausnahmen hinsichtlich des betroffenen Personenkreises abgesehen - inhaltlich jenem des § 10 Abs. 1 Z. 6 zweiter Fall FrG 1992 entsprechen.

Zum letztgenannten Sichtvermerksversagungsgrund hat der Verwaltungsgerichtshof folgende Rechtssätze geprägt:

Für die Beurteilung der Frage, ob der in Rede stehende Sichtvermerksversagungsgrund vorliegt, ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 96/19/0285 bis 0288). Der Versagungsgrund ist auch dann anzuwenden, wenn die sichtvermerksfreie Einreise vor Inkrafttreten des FrG 1992 erfolgte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/18/0237). Entscheidend für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 10 Abs. 1 Z. 6 zweiter Fall FrG 1992 ist allein, daß sich der Fremde im Anschluß an eine sichtvermerksfreie Einreise im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Bundesgebiet aufhält. Dies gilt auch dann, wenn die sichtvermerksfreie Einreise im Anschluß an eine im Ausland erfolgte Antragstellung erfolgte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/19/1194). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat lediglich dann Platz zu greifen, wenn dem Fremden nach seiner sichtvermerksfreien Einreise eine Aufenthaltsbewilligung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/19/0536) oder ein gewöhnlicher Sichtvermerk (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/19/1476) erteilt wurde. Schließlich vertrat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, daß bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG 1992 gestützten Entscheidung eine Bedachtnahme auf private und familiäre Interessen des Fremden aus den im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 13.497, genannten Gründen nicht in Betracht komme (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom ).

Da, wie die bereits wiedergegebenen Erläuterungen zeigen, der Gesetzgeber den Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 gegenüber § 10 Abs. 1 Z. 6 zweiter Fall FrG 1992 nicht verändern wollte, ist davon auszugehen, daß er den nunmehrigen Versagungsgrund in derjenigen Ausprägung übernehmen wollte, den der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG 1992 in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfahren hat.

Infolge der Gleichartigkeit der Versagungsgründe des § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 und des § 10 Abs. 1 Z. 6 zweiter Fall FrG 1992 findet die zur letztgenannten Bestimmung ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes daher auch im Bereich des § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 Anwendung. Maßgebend ist nach dem Vorgesagten daher, ob sich der Fremde im Anschluß an eine sichtvermerksfreie Einreise im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Bundesgebiet aufhält, ohne daß er zwischenzeitig eine Berechtigung zum Aufenthalt aufgrund eines gewöhnlichen Sichtvermerkes, einer Aufenthaltsbewilligung oder nunmehr auch eines Aufenthaltstitels oder eines Aufenthaltsvisums (Visum D) nach dem FrG 1997 erlangt hätte. Zugunsten der hier vertretenen Auffassung, daß für die Beurteilung, ob ein Aufenthaltstitel nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden "soll", die Sachlage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung (und nicht etwa der Antragstellung) maßgeblich ist, sprechen insbesondere die oben wiedergegebenen Erläuterungen, wonach die in Rede stehende Bestimmung normiere, ein Aufenthaltstitel dürfe nach sichtvermerksfreier Einreise nicht erteilt werden.

Da der Beschwerdeführer nicht bestreitet, sich im Anschluß an eine sichtvermerksfreie Einreise im Bundesgebiet aufzuhalten und für die Ausstellung von Berechtigungen zum Aufenthalt an ihn keine Anhaltspunkte bestehen, liegt der Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 hier vor. Unerheblich hiefür ist die vom Beschwerdeführer relevierte Frage, ob seine zuletzt erfolgte sichtvermerksfreie Einreise - wie die belangte Behörde annahm - Anfang Jänner 1997, oder aber - wie er behauptet - erst nach einer noch im Jänner 1997 erfolgten späteren fünftägigen Reise nach Deutschland, stattgefunden hatte. Ebensowenig ist es von Belang, ob dem Beschwerdeführer vorliegendenfalls ein Verstoß gegen fremdenrechtliche Bestimmungen durch Ausübung einer Erwerbstätigkeit ohne Niederlassungsbewilligung anzulasten war oder nicht. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers vom war daher ausgeschlossen.

Dieser Beurteilung steht die in § 10 Abs. 4 FrG 1997 geschaffene Möglichkeit, unter näher umschriebenen Voraussetzungen trotz Vorliegens des in Rede stehenden Versagungsgrundes von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, nicht entgegen. Ein subjektives Recht auf Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels gemäß § 10 Abs. 4 FrG 1997 besteht allerdings nicht. Eine Anwendung dieser Gesetzesbestimmung setzte im übrigen das Vorliegen eines entsprechenden Sachverhaltes voraus.

Nach dem Vorgesagten kann es auch nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde die Auffassung vertrat, im Zusammenhang mit einer auf § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 gestützten Entscheidung habe eine Bedachtnahme auf Art. 8 MRK nicht zu erfolgen. Für diese Auslegung spricht insbesondere die in § 10 Abs. 1 FrG 1997 gebrauchte imperative Formulierung "ist zu versagen" im Gegensatz zu der in § 10 Abs. 2 FrG 1997 gebrauchten Formulierung "kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen ... insbesondere versagt werden".

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne daß darauf eingegangen werden mußte, ob die belangte Behörde auch zu Recht den weiteren Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 herangezogen hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am