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VwGH 19.11.1998, 98/19/0075

VwGH 19.11.1998, 98/19/0075

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
RS 1
Ein verfrühter - vor Ablauf der sechsmonatigen Entscheidungsfrist des § 73 Abs 1 AVG - eingebrachter Devolutionsantrag bewirkt keinen Zuständigkeitsübergang. Da er unzulässig ist, ist er auch zurückzuweisen, wenn inzwischen die sechsmonatige Frist verstrichen ist.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH E 1995/01/31 93/08/0021 1
Normen
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
FrG 1997 §15 Abs2;
RS 2
Eine ausdrückliche Vorschrift, wonach die Frist des § 73 AVG im Aufenthaltsverfahren/Niederlassungsverfahren gemäß § 15 FrG 1997 schon bei Anhängigkeit eines Aufenthaltsverbotsverfahrens (in zweiter Instanz) gehemmt wäre, besteht nicht. Aber auch unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik erscheint es nicht geboten, eine Hemmung der Entscheidungsfrist des § 73 AVG für die Aufenthaltsbehörde bloß aufgrund der Anhängigkeit eines nicht von ihr veranlaßten Aufenthaltsverbotsverfahrens anzunehmen.
Normen
AufG 1992 §6 Abs4;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
FrG 1997 §111 Abs1;
FrG 1997 §111 Abs3;
FrG 1997 §113 Abs8;
FrG 1997 §15 Abs1;
FrG 1997 §15 Abs2;
FrG 1997 §37;
RS 3
Nach dem , dem Tag des Inkrafttretens ua des § 113 Abs 8 FrG 1997, durfte gemäß § 113 Abs 8 FrG 1997 ein die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung versagender Bescheid nicht mehr erlassen werden. Dies änderte aber nichts daran, daß die Aufenthaltsbehörde (der gemäß § 6 Abs 4 AufenthaltsG 1992 zuständige Landeshauptmann) auch nach dem verpflichtet war, sich im Verfahren über die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung eigenständig und unabhängig von der Anhängigkeit eines Aufenthaltsverbotsverfahrens eine Meinung darüber zu bilden, ob eine positive Entscheidung über diesen Verlängerungsantrag ergehen kann. Dabei reicht es allerdings aus, § 15 Abs 1 FrG 1997 insoweit anzuwenden, als der Antragsteller vom Versagungsgrund in Kenntnis zu setzen und ihm darzulegen ist, warum (auch) nach Auffassung der Aufenthaltsbehörde eine Aufenthaltsbeendigung unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens im Sinne des § 37 FrG 1997 zulässig scheint. Er ist zu informieren, daß er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, vierzehn Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern.
Norm
FrG 1997 §15 Abs1;
RS 4
Die Aufenthaltsbehörde ist an eine "Stellungnahme" der Fremdenpolizeibehörde iSd §15 Abs 1 FrG 1997 nicht gebunden.
Normen
AVG §16;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
FrG 1997 §113 Abs8;
FrG 1997 §15 Abs1;
FrG 1997 §15 Abs2;
RS 5
Erst wenn feststeht, daß die Aufenthaltsbehörde die beantragte Verlängerung der Bewilligung nicht erteilen darf, sie aber gemäß § 113 Abs 8 FrG 1997 auch an der - sonst gebotenen - abweisenden Entscheidung gehindert wäre, wäre es wohl aus gesetzessystematischen und teleologischen Erwägungen geboten, trotz Unmöglichkeit der Veranlassung einer Aufenthaltsbeendigung im Sinne des § 15 Abs 2 FrG 1997 im Hinblick auf ein bereits anhängiges darauf abzielendes fremdenpolizeiliches Verfahren der Aufenthaltsbehörde die Möglichkeit zu eröffnen, die in § 15 Abs 2 FrG 1997 vorgesehene Ablaufhemmung durch einen der Veranlassung eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung sinngemäß entsprechenden Akt herbeizuführen. Dabei wäre etwa an einen Aktenvermerk in Verbindung mit einer entsprechenden Mitteilung an den Antragsteller oder die Fremdenpolizeibehörde zu denken.
Normen
FrG 1993 §18;
FrG 1997 §111 Abs1;
FrG 1997 §113 Abs8;
FrG 1997 §15 Abs3;
VwGG §30 Abs2;
RS 6
Ein Tatbestand im Sinne des § 15 Abs 3 FrG 1997 (formlose Einstellung des Aufenthaltsverfahrens infolge rechtskräftiger Aufenthaltsbeendigung) liegt nach dessen Inkrafttreten am (in Verbindung mit § 113 Abs 8 FrG 1997) nicht vor, wenn der an den VwGH gerichteten Beschwerde im Aufenthaltsverbotsverfahren schon für den Zeitraum vor dem die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des 1953 geborenen MH in Wien, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 122.664/2-III/11/97, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages i.A. Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verfügte zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung mit Geltungsdauer bis . Er beantragte am (Datum des Einlangens beim Landeshauptmann von Wien) die Verlängerung dieser Aufenthaltsbewilligung.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom , dem Beschwerdeführer zugestellt am , wurde über den Beschwerdeführer ein befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Die aufschiebende Wirkung einer Berufung wurde nicht ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid vom Berufung.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Die Zustellung dieses Bescheides an den Beschwerdeführer erfolgte am .

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer die zur Zl. 97/18/0259 protokollierte Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Mit Beschluß dieses Gerichtshofes vom wurde dem Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, stattgegeben. Die Zustellung dieses Beschlusses erfolgte am . Das verwaltungsgerichtliche Verfahren über diese Beschwerde ist noch anhängig.

Am legte der Beschwerdeführer im Verfahren über seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung eine Ausfertigung des Beschlusses vom vor.

Mit einem am zur Post gegebenen, am bei der belangten Behörde eingelangten Devolutionsantrag macht der Beschwerdeführer den Übergang der Entscheidungspflicht auf die belangte Behörde geltend.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom wurde dieser Antrag gemäß § 73 AVG in Verbindung mit §§ 15, 113 Abs. 8 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, über den Beschwerdeführer sei mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom ein Aufenthaltsverbot verhängt worden. Diesbezüglich sei derzeit ein Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof anhängig.

Gemäß § 113 Abs. 8 FrG 1997 sei die Erlassung von Bescheiden, mit denen die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung versagt werde, nach dem nicht mehr zulässig. In diesen Fällen hätten die §§ 12 Abs. 3 und 15 FrG 1997 bis auch für die Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen Gültigkeit. Der Antrag auf Übergang der Zuständigkeit gemäß § 73 AVG sei am 28. (richtig wohl: 29.) Juli 1997 beim Bundesminister für Inneres eingelangt. Zu diesem Zeitpunkt sei bereits am ein Aufenthaltsverbot durch die Bundespolizeidirektion Wien erlassen worden. Wie sich aus dem in seinem Inhalt wiedergegebenen § 15 FrG 1997 und § 113 Abs. 8 FrG 1997 ergebe, sei der erstinstanzlichen Behörde seit keine Zuständigkeit zur Erlassung eines Bescheides bezüglich eines Antrages auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung zugekommen. Aus diesem Grund sei der Devolutionsantrag als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 12 Abs. 3, § 15, § 111 Abs. 1 und 3 sowie § 113 Abs. 8

FrG 1997 lauten:

"§ 12. ...

...

(3) Fremden darf wegen eines Sachverhaltes, der keine Ausweisung oder kein Aufenthaltsverbot zuläßt, ein weiterer Aufenthaltstitel für denselben Aufenthaltszweck nicht versagt werden.

...

§ 15. (1) Werden in einem Verfahren zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels Versagungsgründe bekannt, so hat die Behörde - gegebenenfalls nach Einholung einer fremdenpolizeilichen Stellungnahme - den Antragsteller vom Versagungsgrund in Kenntnis zu setzen, ihm mitzuteilen, daß eine Aufenthaltsbeendigung (§§ 33 ff) beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 37) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, daß er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, vierzehn Tage nicht unterschreitenden Frist, zu äußern.

(2) Nach Ablauf dieser Frist ist bei unverändertem Sachverhalt das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung zu veranlassen; der Ablauf der Frist des § 73 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrengesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, wird dadurch bis zum Abschluß dieses Verfahrens gehemmt. Sobald sich ergibt, daß eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig ist, hat die Behörde den weiteren Aufenthaltstitel zu erteilen.

(3) Erwächst jedoch eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, so ist das Verfahren über den Antrag auf Erteilung des weiteren Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Dieses Verfahren ist fortzusetzen, sobald nach einer Aufhebung der Ausweisung oder des Aufenthaltsverbotes durch den Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof feststeht, daß deren Verhängung nunmehr unterbleibt.

...

§ 111. (1) Soweit dieses Bundesgesetzes der Umsetzung des Schengener Durchführungsübereinkommens dient, tritt es mit Inkraftsetzen des Beitrittsübereinkommens in Kraft. Die §§ 34 Abs. 1, 113 Abs. 8 und § 114 Abs. 1 Schlußsatz sowie § 114 Abs. 6 treten mit in Kraft. Im übrigen tritt dieses Bundesgesetz mit in Kraft.

...

(3) Das Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, und das Aufenthaltsgesetz treten mit Ablauf des außer Kraft. Soweit dieses Bundesgesetz schon vorher in Kraft tritt, treten entgegenstehende Bestimmungen des Fremdengesetzes und des Aufenthaltsgesetzes zu diesem Zeitpunkt außer Kraft.

...

§ 113. ...

...

(8) Bescheide, mit denen die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung versagt oder mit denen der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung verfügt wird, dürfen nach dem nicht mehr erlassen werden. In diesen Fällen gelten die §§ 12 Abs. 3 und 15 bis zum für die Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen."

§ 5 Abs. 1, § 6 Abs. 4 und § 8 Abs. 1 AufG lauteten auszugsweise

:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

...

§ 6. ...

(4) Über den Antrag entscheidet, außer in den Fällen des § 7, der nach dem beabsichtigten Aufenthalt zuständige Landeshauptmann.

...

§ 8. (1) ... Die Bewilligung tritt auch mit der Rechtskraft

eines Aufenthaltsverbotes (§ 18 FrG) und mit Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft außer Kraft."

§ 10 Abs. 1 Z. 1 des Fremdengesetzes 1992 (FrG 1992) lautete:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

1. gegen den Sichtvermerkswerber ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht, es sei denn, daß die Voraussetzungen für eine Wiedereinreisebewilligung (§ 23) vorliegen;"

§ 73 AVG lautet auszugsweise:

"§ 73. (1) Die Behörde oder der unabhängige Verwaltungssenat sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

(2) Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über. ..."

Ein nach Ablauf der sechsmonatigen Frist des § 73 Abs. 1 AVG eingebrachter Devolutionsantrag bewirkt den Zuständigkeitsübergang auf die Oberbehörde. Demgegenüber käme diese Wirkung einem verfrüht eingebrachten Devolutionsantrag nicht zu. Er wäre unzulässig und auch dann zurückzuweisen, wenn die sechsmonatige Frist im Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Antrag bereits verstrichen ist (vgl. die bei Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 644, wiedergegebene hg. Judikatur).

Vorliegendenfalls wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung am gestellt. In Ermangelung eines Hemmungstatbestandes wäre die Sechsmonatsfrist des § 73 Abs. 1 AVG im Zeitpunkt der Einbringung des Devolutionsantrages am bereits abgelaufen.

Bei dem Antrag vom handelte es sich um einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Verlängerung der dem Beschwerdeführer bis erteilten Aufenthaltsbewilligung. Die erst nachträglich am eingetretene Rechtskraft des Aufenthaltsverbotsbescheides konnte nicht gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz AufG bewirkt haben, daß die in Rede stehende Aufenthaltsbewilligung etwa "rückwirkend" außer Kraft getreten wäre und deshalb keine taugliche Grundlage eines Verlängerungsantrages geboten hätte.

Es lag daher - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - ein Verlängerungsantrag im Sinne des § 113 Abs. 8 FrG 1997 vor, auf den die Bestimmungen der §§ 12 Abs. 3 und 15 FrG 1997 Anwendung fanden.

Zu prüfen war folglich, ob der Ablauf der der erstinstanzlichen Behörde zur Verfügung gestandenen Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG gemäß § 15 Abs. 2 FrG 1997 mit gehemmt wurde.

Nach dem Wortlaut der letztgenannten Bestimmung ergibt sich, daß die Veranlassung der Aufenthaltsbeendigung durch die Aufenthaltsbehörde bei der Fremdenpolizeibehörde die Ablaufhemmung der Frist des § 73 Abs. 1 AVG auslöst. Da die erstinstanzliche Aufenthaltsbehörde vorliegendenfalls eine Aufenthaltsbeendigung nicht "veranlaßt" hatte, vermag sich die belangte Behörde auf den Wortlaut des § 15 Abs. 2 FrG 1997 im vorliegenden Zusammenhang jedenfalls nicht zu stützen.

Aufgrund der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den letztinstanzlichen Bescheid im Aufenthaltsverbotsverfahren war jedenfalls seit (Datum der Zustellung dieses Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes) davon auszugehen, daß an die Rechtskraft des Bescheides vom keine Wirkungen mehr geknüpft werden konnten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/21/0521). Eine ausdrückliche Vorschrift, wonach die Frist des § 73 AVG im Aufenthalts/Niederlassungsverfahren schon bei Anhängigkeit eines Aufenthaltsverbotsverfahrens (in zweiter Instanz) gehemmt wäre, besteht nicht.

Aber auch unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik erscheint es nicht geboten, eine Hemmung der Entscheidungsfrist des § 73 AVG für die Aufenthaltsbehörde bloß aufgrund der Anhängigkeit eines nicht von ihr veranlaßten Aufenthaltsverbotsverfahrens anzunehmen:

Wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, war der Landeshauptmann von Wien gemäß § 6 Abs. 4 AufG auch nach dem zur Entscheidung über seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zuständig. Die gegenteilige Auffassung der belangten Behörde widerspricht dem Gesetz. Freilich durfte nach dem gemäß § 113 Abs. 8 FrG 1997 ein die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung versagender Bescheid nicht mehr erlassen werden. Dies änderte aber nichts daran, daß die Aufenthaltsbehörde auch nach dem verpflichtet war, sich im Verfahren über die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung eigenständig und unabhängig von der Anhängigkeit eines Aufenthaltsverbotsverfahrens eine Meinung darüber zu bilden, ob eine positive Entscheidung über diesen Verlängerungsantrag ergehen kann (der Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG i.V.m. § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG 1992 wäre nur im Falle eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes vorgelegen, dessen Wirkungen nicht durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde sistiert wurden). Dabei reicht es allerdings aus, § 15 Abs. 1 FrG 1997 insoweit anzuwenden, als der Antragsteller vom Versagungsgrund in Kenntnis zu setzen und ihm darzulegen ist, warum (auch) nach Auffassung der Aufenthaltsbehörde eine Aufenthaltsbeendigung unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens im Sinne des § 37 FrG 1997 zulässig scheint. Er ist zu informieren, daß er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, vierzehn Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern. Ein solches Verfahren war auch nicht etwa deshalb obsolet, weil die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien durch Erlassung eines Aufenthaltsverbotsbescheides, an dessen Rechtskraft infolge Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verwaltungsgerichtshof keine Wirkungen geknüpft werden konnten, zum Ausdruck gebracht hatte, eine Aufenthaltsbeendigung sei ihres Erachtens geboten. Die Aufenthaltsbehörde war nämlich an diese Auffassung nicht gebunden. Dies zeigt sich schon daran, daß die in § 15 Abs. 1 FrG 1997 "gegebenenfalls", also nicht (einmal) zwingend einzuholende Äußerung der Fremdenpolizeibehörde vom Gesetz als bloße "Stellungnahme" bezeichnet wird. Eine Bindung der Aufenthaltsbehörde an eine solche "Stellungnahme" normiert das FrG 1997 hingegen nicht. Die Aufenthalts/Niederlassungsbehörde kann also auch in dem hier nicht vorliegenden Fall, daß sie zunächst eine Aufenthaltsbeendigung erwogen hatte, selbst entgegen der von der Fremdenpolizeibehörde in einer gemäß § 15 Abs. 1 FrG 1997 eingeholten Stellungnahme vertretenen Auffassung aufgrund der Äußerung des Antragstellers schließlich doch eine positive Entscheidung über den Verlängerungsantrag (ohne neuerliche Rücksprache mit der Fremdenpolizeibehörde) treffen. Dies folgt im übrigen auch e contrario aus § 15 Abs. 2 FrG 1997, wonach lediglich "bei unverändertem Sachverhalt" die Aufenthaltsbeendigung zu veranlassen ist. Erst nach Durchführung eines Verfahrens im oben aufgezeigten Sinne ist der Aufenthaltsbehörde eine abschließende Prüfung der Frage der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung möglich. Erst dann kann feststehen, daß die Aufenthaltsbehörde die beantragte Verlängerung der Bewilligung nicht erteilen darf, sie aber gemäß § 113 Abs. 8 FrG 1997 auch an der - sonst gebotenen - abweisenden Entscheidung gehindert wäre.

Erst in einem solchen Fall wäre es wohl aus gesetzessystematischen und teleologischen Erwägungen geboten, trotz Unmöglichkeit der Veranlassung einer Aufenthaltsbeendigung im Sinne des § 15 Abs. 2 FrG 1997 im Hinblick auf ein bereits anhängiges darauf abzielendes fremdenpolizeiliches Verfahren der Aufenthaltsbehörde die Möglichkeit zu eröffnen, die in § 15 Abs. 2 FrG 1997 vorgesehene Ablaufhemmung durch einen der Veranlassung eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung sinngemäß entsprechenden Akt herbeizuführen. Dabei wäre etwa an einen Aktenvermerk in Verbindung mit einer entsprechenden Mitteilung an den Antragsteller oder die Fremdenpolizeibehörde zu denken.

Da die erstinstanzliche Behörde vorliegendenfalls ein Verfahren im Sinne der obigen Ausführungen nicht führte und auch nicht auf die oben dargelegte Weise zum Ausdruck brachte, daß eine positive Entscheidung über den Verlängerungsantrag nicht ergehen könne, wurde die Frist des § 73 Abs. 1 AVG auch nach dem nicht gehemmt. Sie war daher bei Stellung des Devolutionsantrages (Postaufgabe ) bereits abgelaufen. Die Zurückweisung dieses Devolutionsantrages erfolgte zu Unrecht.

Angemerkt sei in diesem Zusammenhang noch, daß ein Tatbestand im Sinne des § 15 Abs. 3 FrG 1997 (formlose Einstellung des Aufenthaltsverfahrens infolge rechtskräftiger Aufenthaltsbeendigung) nach dessen Inkrafttreten am (in Verbindung mit § 113 Abs. 8 leg. cit.) nicht vorlag, weil der Beschwerde im Aufenthaltsverbotsverfahren schon für den Zeitraum ab die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am

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AufG 1992 §6 Abs4;
AVG §16;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
FrG 1993 §18;
FrG 1997 §111 Abs1;
FrG 1997 §111 Abs3;
FrG 1997 §113 Abs8;
FrG 1997 §15 Abs1;
FrG 1997 §15 Abs2;
FrG 1997 §15 Abs3;
FrG 1997 §37;
VwGG §30 Abs2;
Schlagworte
Allgemein
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1998:1998190075.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
OAAAE-52598