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VwGH vom 16.12.1991, 90/15/0114

VwGH vom 16.12.1991, 90/15/0114

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Wetzel, Dr. Mizner und Dr. Fellner, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der W in L, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwältin in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MDR - W 3/90, betreffend Haftung für Lohnsummensteuer und Dienstgeberabgabe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin war seit dem Geschäftsführerin der A-GmbH. Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom wurde über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurde die Beschwerdeführerin gemäß den §§ 7 und 54 der Wiener Abgabenordnung (WAO) für Abgabenverbindlichkeiten der Gesellschaft im Betrage von S 34.439,-- (Lohnsummensteuer und Dienstgeberabgabe für den Zeitraum Jänner bis August 1989) als Haftende herangezogen. Begründend führte der Magistrat aus, die Beschwerdeführerin habe als Geschäftsführer der Gesellschaft weder die Bezahlung der Abgaben veranlaßt noch irgendwelche Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen. Sie habe somit die ihr als Geschäftsführer auferlegten Pflichten verletzt und hafte für den - im einzelnen aufgegliederten - Abgabenrückstand, der bei der Gesellschaft uneinbringlich sei.

Mit der dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, die Begründung des Haftungsbescheides sei mangelhaft, da aus ihr nicht hervorgehe, auf Grund welcher Ermittlungen, welcher konkreten Sachverhaltsdarstellungen und welcher Erwägungen im Rahmen einer von der Behörde anzustellenden Beweiswürdigung diese dazu gelangt sei, der Beschwerdeführerin einen Schuldvorwurf zu machen. Bei ordentlicher Ermittlung wäre hervorgekommen, daß für die Wahrnehmung der pünktlichen Zahlung im fraglichen Zeitraum eine langjährige Angestellte der Gesellschaft zuständig gewesen sei. Diese habe bislang ihre Aufgaben stets anstandsfrei und verläßlich wahrgenommen. Es habe somit ein begründetes Vertrauen der Geschäftsleitung in die weitere sorgfältige und pünktliche Arbeit der Genannten bestanden. Allein auf die für die Beschwerdeführerin damals nicht erkennbaren und von ihr auch nicht zu vertretenden Nachlässigkeiten der Angestellten sei es zurückzuführen, daß die Dienstgeberabgabe und Lohnsummensteuer für den Zeitraum Jänner bis August 1989 nicht pünktlich entrichtet worden sei. Zum Beweis für dieses Vorbringen berief sich die Beschwerdeführerin auf die Einvernahme der genannten Angestellten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Darlegung der Rechtslage führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, nach der Aktenlage stehe fest, daß der Abgabenrückstand bei der Gesellschaft uneinbringlich sei. Dagegen habe die Beschwerdeführerin nichts vorgebracht. Die Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin ergebe sich aus der Mißachtung des § 6 Abs. 1 Dienstgeberabgabegesetz, wonach der Abgabepflichtige bis zum zehnten Tag jedes Monates die im Vormonat entstandene Abgabenschuld zu entrichten habe. Sie ergebe sich ferner daraus, daß nach § 28 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz die Lohnsummensteuer für einen Kalendermonat am 15. des darauffolgenden Monates fällig sei. Die Beschwerdeführerin hätte somit dafür Sorge tragen müssen, daß die Dienstgeberabgabe und die Lohnsummensteuer für den Zeitraum Jänner bis August 1989 fristgerecht entrichtet werde. Den ihr obliegenden Nachweis, daß ihr die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für die Gesellschaft unmöglich gewesen sei, habe die Beschwerdeführerin nicht erbracht. Ihr Vorbringen, daß für die Wahrnehmung der pünktlichen Zahlung eine langjährige Angestellte zuständig gewesen sei, verkenne, daß der Beschwerdeführerin die Überwachung der mit diesen Agenden beauftragten Dienstnehmerin ohne Rücksicht auf deren Qualifikation und Verläßlichkeit oblegen sei. Daß die Beschwerdeführerin die Nichterfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten durch die Dienstnehmerin auch im Falle der Überwachung nicht hätte erkennnen können, habe sie nicht konkret unter Anführung bestimmter Tatsachen behauptet. Dies sei schon wegen der mehrere Monate umfassenden Säumnis nicht anzunehmen. Daß die Unterlassung der rechtzeitigen Bezahlung der Dienstgeberabgabe und Lohnsummensteuer ursächlich für die spätere Uneinbringlichkeit gewesen sei, sei evident.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht zunächst (unter Berufung auf das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 17/1977/79, 17/1978/79) geltend, die auf § 7 WAO gestützte Heranziehung zur Haftung für Lohnsummensteuer sei gesetzwidrig.

Mit dem genannten Erkenntnis, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß sich der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 WAO in Verbindung mit § 1 lit. b leg. cit. nicht auf die Lohnsummensteuer erstreckt. Nach § 20 Abs. 6 des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) 1973 bzw. § 13 Abs. 3 FAG 1979 seien die Länder ermächtigt, Verfahrensvorschriften auf dem Gebiete der Grundsteuer und der Lohnsummensteuer zu erlassen. Die Ermächtigung umfasse nicht jene zur Erlassung materiell-rechtlicher Vorschriften, etwa von Haftungsregelungen. § 7 WAO sei jedoch eine materiell-rechtliche Vorschrift. Verfassungskonform sei § 7 WAO in Verbindung mit § 1 lit. b leg. cit. dahin auszulegen, daß § 7 WAO wegen des Kompetenzvorbehaltes des Bundesgesetzgebers nicht für die Lohnsummensteuer gelte.

Dieser Auffassung wurde durch die Änderung der Rechtslage durch das FAG 1985, BGBl. 1984/544, bzw. das FAG 1989, BGBl. 1988/687, die Grundlage entzogen. Nach § 13 Abs. 3 FAG 1985/1989 erfolgt die Regelung der Erhebung und der Verwaltung der in Abs. 1 genannten Abgaben (Bundesgewerbesteuer und Gewerbesteuer) durch die Bundesgesetzgebung mit der Maßgabe, daß die Regelung der Erhebung und der Verwaltung der Lohnsummensteuer der Landesgesetzgebung insoweit überlassen wird, als nicht bundesgesetzliche Vorschriften entgegenstehen. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des FAG 1985 (Blg. NR. XVI GP. 482, 17) sollte mit dieser Regelung eine Gesetzeslücke geschlossen werden.

Zur "Regelung der Erhebung" von Abgaben gehört auch die Schaffung von Normen, die die Rechtsfrage regeln, wer Abgabenschuldner bzw. Haftender ist. Die zuletzt zitierten Vorschriften begründen somit die Gesetzgebungskompetenz der Länder in der Frage, wer Lohnsummensteuerschuldner bzw. -haftender ist. Bundesgesetzliche Vorschriften im Sinne des letzten Halbsatzes des § 13 Abs. 3 FAG 1985/1989, die einer solchen Haftungsregelung entgegenstünden, bestehen nicht; ausgehend von dieser geänderten Rechtslage erstreckt sich der Anwendungsbereich von § 7 WAO daher auch auf die Lohnsummensteuer.

Die Vertreterhaftung gemäß § 7 WAO ist eine Ausfallhaftung. Die Begründung der Haftung setzt somit zunächst voraus, daß die rückständigen Abgaben beim Abgabenschuldner selbst uneinbringlich sind. Allein aus der Tatsache der Eröffnung eines Konkurses über das Vermögen einer GmbH kann noch nicht zwingend auf die Uneinbringlichkeit der gegenüber der Gesellschaft entstandenen Abgabenforderungen geschlossen werden; dies kann sich erst im Laufe des Insolvenzverfahrens herausstellen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/15/0175, und die dort zitierte Vorjudikatur). Daß im angefochtenen Bescheid konkrete Feststellungen über die Befriedigungsaussichten fehlen und der Beschwerdeführerin auch die Aktenlage, aus der nach der Auffassung der belangten Behörde die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft gefolgert werden könne, nicht vorgehalten wurde, kann der Beschwerde dennoch nicht zum Erfolg verhelfen. Die Beschwerdeführerin übersieht nämlich, daß sie die dem Tatsächlichen zuzurechnende Feststellung in der Begründung des Haftungsbescheides, die Abgaben seien bei der Gesellschaft uneinbringlich, in ihrer Berufung mit keinem Wort bekämpft hat. Bei dieser Sachlage war die belangte Behörde berechtigt, die von der Abgabenbehörde erster Instanz getroffene Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft ohne eigene Ermittlungen zu übernehmen; der Berücksichtigung der Beschwerdeausführungen, angesichts des vorhandenen Massevermögens der insolventen Gesellschaft könne von Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung nicht von vornherein gesprochen werden, steht schon das Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) entgegen.

Die Beschwerdeführerin bekämpft ferner die Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung - sowohl unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit als auch jenem der Verletzung von Verfahrensvorschriften - mit dem Argument, sie habe auf die bisher vollkommen anstandsfreie, langjährige und jeweils pünktliche Abgabenentrichtung durch die zuständige Angestellte voll vertrauen können. Es habe kein Anlaß bestanden, in der Zeit von Jänner bis August 1989 Kontrollmaßnahmen zu setzen. Dies habe sie bereits im Verwaltungsverfahren vorgebracht und entsprechende Beweise angeboten. Sie sei damit auch ihrer Behauptungs- und Beweispflicht vollständig nachgekommen.

Die Beschwerdeführerin hat zutreffend erkannt, daß es ihre Sache war, darzutun, weshalb sie nicht Sorge dafür tragen konnte, daß die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/15/0066, und die dort zitierte Vorjudikatur). Die Auffassung der Beschwerdeführerin, die von ihr behaupteten Umstände seien geeignet, die Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung zu widerlegen, kann jedoch nicht geteilt werden. Die Übertragung der steuerlichen Agenden durch den Geschäftsführer an einen Dritten befreit den Geschäftsführer keinesfalls von seiner Haftung; insbesondere kann in einem solchen Fall die Verletzung von Auswahl- und Überwachungspflichten Haftungsfolgen nach sich ziehen. Mit welchen konkreten Maßnahmen der Geschäftsführer seiner Überwachungspflicht entspricht, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab; im allgemeinen hat er die Tätigkeit der mit Steuerangelegenheiten betrauten Personen in solchen zeitlichen Abständen zu überwachen, die es ausschließen, daß ihm Steuerrückstände verborgen bleiben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 87/14/0148, und vom , Zl. 89/14/0044).

Bei den in Haftung gezogenen, die Monate Jänner bis August 1989 betreffenden Abgaben handelt es sich um Selbstbemessungsabgaben, die jeweils am 15. (§ 28 Abs. 1 GewStG) bzw. 10. (§ 6 Abs. 1 Dienstgeberabgabegesetz) des jeweiligen Folgemonates fällig waren. Davon, daß die Beschwerdeführerin, die selbst einräumt, während des haftungsrelevanten Zeitraumes von acht Monaten jegliche Kontrolle der mit Steuerangelegenheiten betrauten Angestellten unterlassen zu haben, ihrer Überwachungspflicht in solchen zeitlichen Abständen nachgekommen wäre, die es ausgeschlossen hätten, daß ihr Steuerrückstände verborgen geblieben wären, kann bei dieser Sachlage nicht die Rede sein. Der von der Beschwerdeführerin behauptete Sachverhalt war somit nicht geeignet, die Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung zu widerlegen. Die Unterlassung der Aufnahme der angebotenen Beweise stellt daher auch keinen relevanten Verfahrensmangel dar.

Wenn eine schuldhaft nicht entrichtete Abgabe in der Folge uneinbringlich geworden ist - wovon nach dem oben Gesagten im Beschwerdefall auszugehen ist -, werden der Rechtswidrigkeitszusammenhang und die Verursachung des Abgabenausfalles durch die Pflichtverletzung vermutet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/15/0080). Die Beschwerdeführerin hat nichts vorgetragen, was dieser Vermutung widerstreitet; davon ausgehend bedeutet es auch keinen Verfahrensmangel, daß die belangte Behörde die von der Beschwerdeführerin vermißten "präzisen Feststellungen über alle Elemente der Kausalität" nicht getroffen hat.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.