VwGH vom 21.09.1995, 93/18/0139

VwGH vom 21.09.1995, 93/18/0139

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des L in Wien, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-04/24/00422/91, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Öffnungszeitengesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 23. Bezirk, vom , wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der X-Warenhandelsgesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in Wien zu verantworten, daß durch diese Gesellschaft am Samstag den um 14.10 Uhr und somit nach 13.00 Uhr in der Verkaufsstelle Wien, T-Straße 76, Lebensmittel verkauft worden seien, obwohl der Verkauf von Lebensmitteln an diesem Samstag nur bis 13.00 Uhr gestattet worden sei. § 368 Z. 17 GewO 1973 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 und § 9 des Öffnungszeitengesetzes BGBl. Nr. 156/1958 in der Fassung BGBl. Nr. 633a/1989 in Verbindung mit § 12 Abs. 3 und § 15 der Wiener Öffnungszeitenverordnung LGBl. Nr. 58/1990 sei die verletzte Rechtsvorschrift; § 368 Einleitungssatz GewO 1973 die Strafnorm. Der Beschwerdeführer wurde mit einer Geldstrafe von S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) bestraft.

Der dagegen erhobenen Berufung, in der der Beschwerdeführer geltend machte, er habe gemäß § 3a Öffnungszeitengesetz von seinem Recht Gebraucht gemacht, einmal im Monat, nämlich am , nach 13.00 Uhr offen zu halten, wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß die verletzte Rechtsvorschrift § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 3 des Öffnungszeitengesetzes, BGBl. Nr. 156/1958 in der Fassung BGBl. Nr. 633a/1989 und die Strafnorm § 9 des Öffnungszeitengesetzes in Verbindung mit § 368 Einleitungssatz im Zusammenhang mit Z. 17 GewO 1973 zu lauten habe.

Begründend führte die belangte Behörde unter anderem aus, daß sich aus dem Arbeitsplan der verfahrensgegenständlichen Verkaufsstelle für November 1990 einwandfrei ergäbe, daß diese in diesem Monat sowohl an jedem Freitag bis 20.00 Uhr als auch am Samstag, den 24. bis 18.00 Uhr geöffnet worden sei. Es sei damit von der in § 3a Öffnungszeitengesetz zuerst angeführten Möglichkeit des längeren Offenhaltens der Verkaufsstelle Gebrauch gemacht worden. Das legale Offenhalten der Verkaufsstelle samt Lebensmittelverkauf bis 18.00 Uhr am könne auch nicht auf § 12 Wiener Öffnungszeitenverordnung gestützt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die belangte Behörde legte der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ausnahmebestimmung des § 3a Abs. 1 Öffnungszeitengesetz in der Fassung BGBl. Nr. 633a/1989 zugrunde. Sie ging damit von der im Zeitpunkt der Begehung der Tat geltenden Rechtslage aus. Diese Bestimmung lautete:

"§ 3a. (1) Die Verkaufsstellen dürfen entweder einmal in der Woche, ausgenommen am Samstag, bis spätestens 20.00 Uhr oder einmal im Monat am Samstag bis spätestens 17.00 Uhr offengehalten werden. Diese Regelung gilt nicht für den 24. und 31. Dezember."

Diese Bestimmung wurde durch das Bundesgesetz, BGBl. (ausgegeben am , sohin vor Erlassung des Straferkenntnisses erster Instanz) Nr. 397/1991 wie folgt geändert:

"§ 3a. (1) Die Verkaufsstellen dürfen einmal im Monat am Samstag bis spätestens 17.00 Uhr offengehalten werden. Diese Regelung gilt nicht für den 24. und 31. Dezember."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/08/0117, mit weiteren Nachweisen) richtet sich die Strafbarkeit einer Tat im Anwendungsbereich des Verwaltungsstrafgesetzes nach § 1 Abs. 2 leg. cit. nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, daß das zur Zeit der Fällung des Bescheides erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre. Bei der Prüfung im Sinne des § 1 Abs. 2 VStG betreffend das von der Behörde anzuwendende Recht kommt es auf die Strafdrohung, somit also darauf an, ob das zur Zeit der Tat geltende Recht den Täter mit einer geringeren Strafe bedroht als das zum Zeitpunkt der Fällung des Bescheides erster Instanz geltende (vgl. das hg. Erkenntnis vom , VwSlg. 10801/A). Wenn auch eine ausdrückliche Regelung für den Fall fehlt, daß ein Verhalten, das zur Tatzeit strafbar war, im Zeitpunkt der Fällung des Bescheides erster Instanz überhaupt nicht mehr strafbar ist (also nicht nur ein milderes Gesetz besteht), so kann nach der Judikatur der Täter nicht mehr bestraft werden (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 853/54, VwSlg. 4275/A, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 47/59, VfSlg. 3562).

Nach der im Zeitpunkt der Tatbegehung geltenden Rechtslage hat der Beschwerdeführer die Wahlmöglichkeit, entweder einmal in der Woche, ausgenommen am Samstag, bis spätestens 20.00 Uhr oder einmal im Monat am Samstag bis spätestens 17.00 Uhr die Verkaufsstelle offenzuhalten. Nach der im Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses erster Instanz durfte der Beschwerdeführer dagegen die Verkaufsstelle einmal im Monat am Samstag bis spätestens 17.00 Uhr offenhalten. Nach der Sachverhaltsannahme der belangten Behörde hielt der Beschwerdeführer die Verkaufsstelle im Monat November 1990 an einem Samstag (nämlich am 24.) offen. Nach der dargestellten Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses erster Instanz durfte der Beschwerdeführer nicht mehr wegen des Offenhaltens der Verkaufsstelle einmal im Monat an einem Samstag nach 13.00 Uhr bestraft werden. Die im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides gegebene Rechtslage ist somit die günstigere im Sinne des § 1 Abs. 2 VStG und war daher von der belangten Behörde bei ihrer Prüfung des bekämpften Straferkenntnisses auf seine Rechtmäßigkeit hin zu berücksichtigen.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.