Suchen Hilfe
VwGH vom 21.01.1999, 98/18/0424

VwGH vom 21.01.1999, 98/18/0424

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hofbauer, über die Beschwerde des Y E, (geboren am ), in Aldrans, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom , Zl. III 286/98, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 33 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei auf der Grundlage eines von der österreichischen Botschaft in Ankara ausgestellten, vom bis gültigen Reisevisums (Visum C) gemäß § 6 Abs. 1 Z. 3 FrG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen. Seit halte er sich rechtswidrig im Bundesgebiet auf, weil er nicht auf Grund eines Einreise- oder Aufenthaltstitels oder einer Verordnung für Vertriebene (§ 29 FrG) zum Aufenthalt berechtigt sei, er nicht Inhaber eines von einem Vertragstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sei und ihm auch keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zukomme (vgl. § 31 FrG).

Ein relevanter Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG liege wegen des rechtmäßigen Aufenthalts seiner Ehefrau und seines Kindes im Bundesgebiet, die gut integriert seien und mit denen er in Aldrans in einem gemeinsamen Haushalt lebe, vor. Dieser Eingriff sei jedoch im Hinblick auf das gewichtige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen zur Erreichung des im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zieles des Schutzes der öffentlichen Ordnung, näherhin des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen, dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG). Der genauen Einhaltung der mit dem Aufenthalt von Fremden in Zusammenhang stehenden Vorschriften bzw. dem Umstand, daß sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, komme ein hoher Stellenwert zu und wiege mindestens gleich schwer wie die privat/familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet (dies vor dem Hintergrund, daß sein Aufenthalt von Juli 1998 bis September 1998 von vornherein zeitlich beschränkt gewesen sei, wie sich dies aus der Art des erteilten Visums ergebe). Vom Ermessen des § 33 Abs. 1 FrG werde zum Nachteil des Beschwerdeführers Gebrauch gemacht, weil ihm die beantragte Aufenthaltserlaubnis mit dem Zweck "Student" nur im Ausland bei einer österreichischen Vertretungsbehörde, nicht jedoch - während seines rechtswidrigen Aufenthaltes - im Inland ausgehändigt werden könne (§ 14 Abs. 2 erster Satz FrG) und er schon aus diesem Grund das Bundesgebiet werde verlassen müssen. "Als Ehegatte einer assoziationsintegrierten türkischen Arbeitnehmerin" sei er keineswegs in Österreich aufenthaltsberechtigt, weil er mit dem Reisevisum C, einem Besuchervisum, nicht "die Genehmigung erhalten habe, zu ihr zu ziehen" (vgl. Art. 7 des ARB 1/80). Das Recht, nach Auslaufen seines Sichtvermerks in Österreich dessen Verlängerung in Form einer Studentenaufenthaltsberechtigung zu beantragen, habe er, wie dargelegt, nicht. Deswegen sei die von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck gewählte aufenthaltsbeendende Maßnahme der Ausweisung, die kein Rückkehrverbot beinhalte, nicht unverhältnismäßig. Das Vorliegen einer (rechtskräftigen) Bestrafung sei nicht Voraussetzung für eine Ausweisung gemäß § 33 Abs. 1 FrG.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, auf Grund eines von der österreichischen Botschaft in Ankara ausgestellten, vom bis gültigen Reisevisums (Visum C) in Österreich aufhältig gewesen zu sein und seit über keinen von einem Vertragsstaat (§ 1 Abs. 8 FrG) ausgestellten Aufenthaltstitel zu verfügen. Ebensowenig werden die Bescheidausführungen der belangten Behörde bekämpft, daß er nicht auf Grund einer Verordnung für Vertriebene (§ 29 FrG) oder nach dem Asylgesetz 1997 zum Aufenthalt berechtigt sei. Die Beschwerde vertritt indes den Standpunkt, daß dem Beschwerdeführer ein von der behördlichen Erteilung unabhängiges assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht zukomme.

1.2. Mit seinem Verweis auf das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei (aus 1963) und den auf dessen Grundlage gefaßten Assoziationsratsbeschluß (ARB) Nr. 1/80 vom vermag der Beschwerdeführer jedoch die Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes nicht darzutun. Nach Art. 7 erster Gedankenstrich dieses Beschlusses haben die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorranges das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben. Der Beschwerdeführer verkennt, daß dieser Assoziationsratsbeschluß nicht den Familiennachzug regelt, sondern nur die beschäftigungsrechtliche Stellung der Familenangehörigen, die auf Grund anderer Rechtsgrundlagen der Mitgliedstaaten die Genehmigung erhalten haben, zu einem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen. In diesem Zusammenhang wird auf das , in der Rechtssache Demirel und auf dessen Urteil vom , C-351/95, in der Rechtssache Selma Kadiman hingewiesen, in dem der Gerichtshof betont, daß durch Art. 7 ARB Nr. 1/80 die Befugnis des betreffenden Mitgliedstaates nicht berührt wird, den Familienangehörigen die Genehmigung zu erteilen, zu dem in diesem Staat ordnungsgemäß beschäftigten türkischen Arbeitnehmer zu ziehen. Der belangten Behörde ist nun darin beizupflichten, daß die Erteilung eines Reisevisums, das nur zu einem Aufenthalt bis zu drei Monaten in Vertragsstaaten und Österreich berechtigt (§ 6 Abs. 5 FrG), keine Genehmigung des Zuzuges im Sinn des Art. 7 des genannten Beschlusses darstellt und bereits aus diesem Grund für den Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht aus dieser Bestimmung abzuleiten ist, zumal von der Beschwerde auch nicht behauptet wird, daß sich der Beschwerdeführer in Österreich auf ein Stellenangebot bewerben oder eine Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis eingehen wolle. (Vgl. zum Ganzen etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 96/21/0641, vom , Zl. 95/18/1408, und vom , Zl. 97/21/0392, mwN.)

Wenn die Beschwerde Art. 48 EGV und die Richtlinien des Rates vom , 64/221/EWG, vom , 90/364/EWG und 90/365/EWG, sowie vom , 93/96/EWG, ins Treffen führt, ist ihr entgegenzuhalten, daß diese Bestimmungen ausdrücklich nur für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates gelten, weshalb sich der Beschwerdeführer, der Staatsangehöriger der Türkei ist, nicht unmittelbar darauf berufen kann (vgl. auch dazu das vorzitierte Erkenntnis, Zl. 96/21/0641, und das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/18/0100, mwN; weiters etwa das Urteil des EuGH in der Rechtssache Tetik vom , C-171/95, Rz 28 und 29).

1.3. Nach dem Gesagten begegnet daher die Auffassung der belangten Behörde, daß sich der Beschwerdeführer seit unrechtmäßig in Österreich aufhalte und vorliegend der Tatbestand des § 33 Abs. 1 zweiter Halbsatz FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers, der sich in seinem Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens verletzt erachtet, bestehen auch gegen die Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG keine Bedenken.

Die belangte Behörde hat mit Blick auf die sich rechtmäßig in Österreich aufhaltenden Familienangehörigen des Beschwerdeführers, nämlich seine Ehegattin und sein Kind, mit denen er in einem gemeinsamen Haushalt wohnt, einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen und zutreffend dem nach § 37 Abs. 1 FrG geschützten Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes gegenübergestellt. Nach dieser Bestimmung macht nicht jeder mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Fremden diese Maßnahme unzulässig, sondern nur ein solcher Eingriff, dessen Gewicht höher zu veranschlagen ist als das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (vgl. etwa das zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, wegen der insoweit nicht geänderten Rechtslage auch hier maßgebliche hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/21/0220). Wenn nun die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die genannten Interessen des Beschwerdeführers nicht überwögen, so begegnet diese Beurteilung keinem Einwand. Das hier maßgebliche öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen (an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten) weist aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) einen hohen Stellenwert auf (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom , Zl. 98/18/0312). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse wurde durch den nach Ablauf des Reisevisums unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich erheblich beeinträchtigt, zumal dessen aus dem inländischen Aufenthalt seiner Ehegattin und seines Kindes ableitbaren privaten und familiären Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet in ihrem Stellenwert dadurch relativiert werden, daß sich der Beschwerdeführer nur zweieinhalb Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt und er nicht damit rechnen durfte, ohne die erforderliche Bewilligung auf Dauer in Österreich bei seiner Ehegattin (laut den unwidersprochenen Bescheidausführungen eine türkische Staatsangehörige) und seinem Kind verbleiben zu dürfen. Dem im Hinblick auf das Gebot der Achtung des Privat- und Familienlebens im § 37 Abs. 1 FrG verankerten Ausweisungshindernis kann im vorliegenden Fall auch nicht die Bedeutung unterstellt werden, es wäre für Fremde zulässig, sich durch die Mißachtung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geltenden Vorschriften und die derart bewirkten privaten und familiären Beziehungen im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, noch nie gegen österreichische Gesetze verstoßen zu haben, so kann dies im Lichte des § 37 Abs. 1 FrG nicht zu seinen Gunsten ausschlagen, weil derartige Umstände weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung des die Ausweisung gebietenden öffentlichen Interesses zur Folge haben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/18/0203). Soweit der Beschwerdeführer ins Treffen führt, daß er am bei der Bundespolizeidirektion Innsbruck den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck "Student" gestellt habe und darüber noch nicht entschieden worden sei, ist für seinen Standpunkt nichts gewonnen, weil die bloße Stellung eines derartigen Antrages ihm keinen Aufenthaltstitel verschaffen konnte.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß entgegen der Beschwerdemeinung aus Art. 8 EMRK kein allgemeines Recht des Fremden auf Familienzusammenführung in einem bestimmten Staat bzw. keine allgemeine Verpflichtung des Staates, eine Familienzusammenführung auf seinem Gebiet zuzulassen, abgeleitet werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/18/0584, mit Hinweis auf das Urteil des EGMR vom im Fall Gül gegen die Schweiz).

3. Vor dem Hintergrund des Gesagten ist auch die Rüge des Beschwerdeführers, wonach die belangte Behörde das ihr im § 33 Abs. 1 FrG eingeräumte Ermessen nicht rechtmäßig geübt habe, nicht zielführend, macht doch die Beschwerde keine besonderen Umstände geltend, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, im Grunde des § 33 Abs. 1 FrG von ihrem Ermessen, von der Erlassung einer Ausweisung Abstand zu nehmen, Gebrauch zu machen.

4. Im Hinblick auf die in II.1.2 dargestellte Rechtsprechung bestand keine Veranlassung, der Anregung, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen, zu folgen.

5. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am

Fundstelle(n):
XAAAE-52543

Ihre Datenbank verwendet ausschließlich funktionale Cookies,

die technisch zwingend notwendig sind, um den vollen Funktionsumfang unseres Datenbank-Angebotes sicherzustellen. Weitere Cookies, insbesondere für Werbezwecke oder zur Profilerstellung, werden nicht eingesetzt.

Hinweis ausblenden