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VwGH vom 18.11.1991, 90/15/0089

VwGH vom 18.11.1991, 90/15/0089

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der N Gesellschaft m.b.H. in W als Rechtsnachfolgerin der I Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 7-786/125/90, betreffend Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/15/0132, verwiesen. Damit hat der Verwaltungsgerichtshof über Beschwerde der Rechtsvorgängerin der nunmehrigen Beschwerdeführerin einen die Nachsicht von Nebengebühren verweigernden Bescheid der damals wie nunmehr belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; dies deswegen, weil die belangte Behörde keine bescheidmäßigen Feststellungen zu der im vorangegangenen Verwaltungsverfahren aufgestellten Behauptung getroffen hatte, ein Liquiditätsentzug von über S 2,000.000,-- sei für ein Unternehmen in der Sanierungsphase nach einer Insolvenz kaum verkraftbar. Erst auf Grund derartiger Feststellungen wäre eine Entscheidung der Frage möglich, ob ein wirtschaftliches Mißverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im subjektiven Bereich der damaligen Beschwerdeführerin entstehenden Nachteilen vorliege, sodaß die Abgabeneinhebung unbillig im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO erscheine.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, gegenüber der nunmehrigen Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin der I Gesellschaft m.b.H. in Wien (in der Folge kurz: GesmbH) erlassenen Bescheid wurde neuerlich eine abweisliche Berufungsentscheidung getroffen. Dies im wesentlichen mit der Begründung, die Gesellschafter der GesmbH hätten am die rückwirkende Verschmelzung "ihres Unternehmens" als übertragende Gesellschaft mit der nunmehrigen Beschwerdeführerin als übernehmender Gesellschaft zum beschlossen. Somit seien alle Rechte und Pflichten auf die nunmehrige Beschwerdeführerin übergegangen. Es sei daher das von der GesmbH vorgebrachte Argument, daß ein Liquiditätsentzug von über S 2,000.000,-- in der Sanierungsphase nach der Insolvenz kaum verkraftet werden könne, insofern überholt, als nunmehr zu überprüfen gewesen sei, ob bei der nunmehrigen Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin der GesmbH die Einbringung des nachsichtsbezogenen Betrages in einem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu den Nachteilen stehe, die sich daraus für sie ergäben. Aus den Verwaltungsakten sei ersichtlich, daß die Beschwerdeführerin 1980 einen Gewinn in Höhe von S 24,233.960,-- erwirtschaftet habe. Der Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum zeige eine Erhöhung des Eigenkapitals der Gesellschaft um S 2,383.000,-- auf S 132,525.000,--. Das Fremdkapital sei gegenüber der Vorjahresbilanz um rund S 28,178.000,-- zurückgegangen. Die nicht unbeachtliche Investitionstätigkeit (1988: rund S 41,000.000,-- und 1989: rund S 84,500.000,--) werde primär durch Eigenfinanzierung (1988: 79,8 % und 1989: 82,9 %) gedeckt. Während insbesondere die Bruttoerlöse sowie die Bestandsveränderungen Zunahmen aufwiesen, sei bei den aktivierten Eigenleistungen sowie den Gewinn- und Verlustanteilen aus Arbeitsgemeinschaften ein Rückgang zu verzeichnen. Die Erträge wiesen insgesamt eine Erhöhung um S 30,035.000,-- auf. Bei Beachtung der gesamten wirtschaftlichen Situation der nunmehrigen Beschwerdeführerin liege somit keineswegs eine Unbilligkeit der Einbringung des nachsichtsbezogenen Betrages vor. Von dieser seien auch zwischenzeitig keine derartigen Einwendungen vorgebracht worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen

Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin gesteht in ihrer Beschwerde der belangten Behörde zu, daß diese in Entsprechung des Vorerkenntnisses richtigerweise ergänzende Sachverhaltsfeststellungen getroffen habe. Zutreffend sei festgestellt worden, daß die Gesellschafter der GesmbH am die rückwirkende Verschmelzung "ihres Unternehmens" als übertragende Gesellschaft mit der nunmehrigen Beschwerdeführerin als übernehmender Gesellschaft zum beschlossen hätten. Zutreffend sei daher auch, daß alle Rechte und Pflichten der GesmbH auf die nunmehrige Beschwerdeführerin übergegangen seien. Nicht richtig sei allerdings die Feststellung, wonach das von der GesmbH "im bisherigen Verfahren" vorgebrachte Argument, wonach ein Liquiditätsentzug von über S 2,000.000,-- in der Sanierungsphase nach der Insolvenz kaum verkraftet werden könne, durch die zwischenzeitig erfolgte Verschmelzung überholt sei. Unzutreffend sei ferner die Anschauung der belangten Behörde, daß zur Beurteilung der Frage einer Unbilligkeit der Einhebung der Säumniszuschläge die finanziellen und vermögensrechtlichen Verhältnisse der nunmehrigen Beschwerdeführerin zu überprüfen seien. Maßgebender Zeitpunkt für die Prüfung, ob eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung vorliege oder nicht, sei nämlich jener, in dem die Säumniszuschläge von der Abgabenbehörde tatsächlich einbehalten wurden bzw. bei richtiger Anwendung des Gesetzes an die GesmbH hätten ausbezahlt bzw. gutgebucht werden müssen. Damals sei aber die GesmbH in der Sanierungsphase und bis zur äußersten Grenze ihrer finanziellen Möglichkeiten belastet gewesen. Bei richtiger Anwendung der Gesetze hätte die belangte Behörde daher die Feststellung zu treffen gehabt, daß der Liquiditätsentzug von über S 2,000.000,-- in der Sanierungsphase nach der Insolvenz der GesmbH für diese einen derartigen wirtschaftlichen Nachteil bedeutet habe, daß von einer Unbilligkeit der Abgabeneinhebung gesprochen werden müsse.

Die von der belangten Behörde ins Treffen geführten Betriebskennziffern der Beschwerdeführerin würden nicht bestritten. Diese "Ziffern" berücksichtigten jedoch noch nicht den vorhin erwähnten Verschmelzungsvorgang. Nehme man darauf Bedacht, so zeige sich, daß das nominelle Eigenkapital der verschmolzenen Gesellschaft von S 60,000.000,-- per Juni 1990 "bereits zu einem Drittel aufgebraucht wurde". Daraus gehe hervor, daß auch zum nunmehrigen, die Verschmelzung bereits berücksichtigenden Zeitpunkt die Einhebung der Säumniszuschläge von über S 2,000.000,-- unbillig im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO erscheine, weil auch in diesem Fall ein wirtschaftliches Mißverhältnis zwischen den Nachteilen der Beschwerdeführerin und der Einhebung bzw. dem Einbehalt der Säumniszuschläge gegeben sei.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der abzugehen kein Anlaß besteht, ist über eine Abgabennachsicht auf Grund der bei der Bescheiderlassung gegebenen Sach- und Rechtslage abzusprechen (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/15/0076, und die dort zitierten Vorerkenntnisse vom , Zl. 87/15/0005, und vom , Zl. 89/14/0196). Da im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die GesmbH, die seinerzeit das Nachsichtsansuchen gestellt hat, und die nunmehrige Beschwerdeführerin bereits verschmolzen waren, hatte die belangte Behörde sohin auf die durch die Verschmelzung veränderten Umstände Bedacht zu nehmen. Daß im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides trotz Verschmelzung der GesmbH mit der Beschwerdeführerin noch eine "Sanierungsphase" gegeben gewesen sei, behauptet die letztere selbst nicht. Der im Vorerkenntnis für möglicherweise vorliegend erachtete Nachsichtsgrund, daß der Liquiditätsentzug von über S 2,000.000,-- für das Unternehmen IN DER SANIERUNGSPHASE nach der Insolvenz kaum verkraftbar sei, liegt daher nicht vor. Die anderen von der GesmbH seinerzeit vorgetragenen Argumente hat der Verwaltungsgerichtshof in dem besagten Vorerkenntnis nicht als Umstände anerkannt, deretwegen die Abgabeneinhebung als unbillig im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO angesehen werden könnte. Auch sonst hat die Beschwerdeführerin keinen Sachverhalt vorgetragen, der eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung erweisen könnte; dies gilt auch für ihre Behauptung, ca. ein Drittel des nominellen Eigenkapitals der verschmolzenen Gesellschaft sei per Juni 1990 aufgebraucht worden. Eine persönlich bedingte Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im besonderen nur dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdet, wozu es allerdings nicht unbedingt besonderer finanzieller Schwierigkeiten oder Notlagen bedarf, sondern beispielsweise ausreichend wäre, wenn die Abstattung der Abgabenschuld trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/15/0088, und das dort zitierte Vorerkenntnis); solche Umstände werden aber mit der Behauptung einer Verminderung des Eigenkapitals allein nicht aufgezeigt. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Sache des Nachsichtswerbers ist, einwandfrei und unter Ausschluß jeglicher Zweifel das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (vgl. z.B. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/15/0076, und das dort zitierte Vorerkenntnis).

Da die Beschwerde sohin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt hat, mußte sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.