VwGH vom 21.01.1991, 90/15/0077
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Wetzel, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , Zl. 114/14-GA 8-DK/90, betreffend Einheitsbewertung von Grundbesitz zum , zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstückes EZ. 742 der KG X (im folgenden kurz als "strittiges Grundstück" bezeichnet). Für diese Liegenschaft stellte das Finanzamt im Wege einer Nachfeststellung zum den Einheitswert mit S 711.000,-- fest. Das Finanzamt ordnete im Einheitswertbescheid vom die Liegenschaft der Vermögensart "Grundvermögen" (unbebautes Grundstück) zu. Dieser Einheitswertbescheid blieb unangefochten.
Im Jahre 1986 brachten der Beschwerdeführer und sein Bruder Berufung gegen einen nicht aktenkundigen Bescheid des Finanzamtes vom ein. Aus dieser Berufung geht unter anderem hervor, daß das strittige Grundstück von Landwirten auf Grund eines Pachtvertrages landwirtschaftlich genutzt wurde, und zwar schon seit über zehn Jahren. Bei der Gemeinde X sei die Umwidmung des strittigen Grundstückes in Grünland beantragt worden. "Für den Eventualfall" beinhalte die Berufung einen Art- und Wertfortschreibungsantrag des Beschwerdeführers zum , wobei der Beschwerdeführer erkennbar eine Bewertung des strittigen Grundstückes als landwirtschaftliches Vermögen anstrebte.
Mit Bescheid vom nahm das Finanzamt eine Wertfortschreibung des Einheitswertes auf S 545.000,-- ab vor, lehnte aber für das strittige Grundstück die begehrte Artfortschreibung unter Bezugnahme auf § 52 Abs. 2 BewG ab.
Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer die Berufung vom ein. Er beantragte abermals, das strittige Grundstück im Ausmaß von 4.740 m2 als landwirtschaftliches Vermögen zu bewerten. Das Grundstück sei nach wie vor von einem Landwirt gepachtet und werde von diesem landwirtschaftlich genutzt. Eine andere Nutzung sei in absehbarer Zeit nicht in Sicht und sei auch in den letzten zehn Jahren trotz günstiger Baulandpreise und - inzwischen geringerer - massiver Nachfrage nicht erfolgt.
Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung, in der es auch darauf hinwies, daß das verpachtete (strittige) Grundstück im Bauland liege.
Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Außer der Feststellung, daß die Grundstücke im erweiterten Wohngebiet lägen, habe das Finanzamt keine objektiven Tatsachen erwähnt, die einer Bewertung als landwirtschaftliches Vermögen entgegenstünden.
Mit Note vom hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer neben anderem vor, daß die Bautätigkeit in den Jahren nach dem (unter anderem) das strittige, im erweiterten Wohngebiet liegende Grundstück laut Auskunft der Gemeinde X immer mehr zu einer offensichtlichen Baulücke habe werden lassen.
In der Vorhaltsbeantwortung betonte der Beschwerdeführer abermals die landwirtschaftliche Nutzung des strittigen Grundstückes: Gewinnung von Gras, Heu und Nutzung als Weideland. In einer weiteren Eingabe vom benachrichtige der Beschwerdeführer die belangte Behörde von einer Umwidmung des strittigen Grundstückes durch die Gemeinde X in Grünland bei der Neuerstellung des Flächenwidmungsplanes.
Die belangte Behörde gab der Berufung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Sie ging davon aus, daß sie allein über die begehrte Artfortschreibung des strittigen Grundstückes - in landwirtschaftliches Vermögen statt Grundvermögen - abzusprechen habe. Der Einheitswert werde gemäß § 21 Abs. 1 Z. 2 BewG neu festgestellt, wenn die Art des Bewertungsgegenstandes von der zuletzt im Einheitswertbescheid festgestellten Art abweiche. Zum landwirtschaftlichen Vermögen gehörten gemäß § 30 Abs. 1 BewG alle Teile (insbesondere Grund und Boden, Gebäude, stehende und umlaufende Betriebsmittel, Nebenbetriebe und Sonderkulturen) einer wirtschaftlichen Einheit, die dauernd einem landwirtschaftlichen Hauptzweck dienen (landwirtschaftlicher Betrieb). Diesen beiden Vorschriften zufolge sei das Finanzamt nicht verhalten gewesen, Erhebungen über das Weiterbestehen der Voraussetzungen gemäß § 52 Abs. 2 BewG durchzuführen, weil die Zurechnung der Liegenschaft zum Grundvermögen im bekämpften Einheitswertbescheid nicht auf die Bestimmung des § 52 Abs. 2 BewG gestützt worden sei, sondern darauf, daß die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 BewG zum nicht vorgelegen hätten (siehe auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 873/63). Außerdem sei seit dem Einheitswertbescheid zum die Richtigkeit der Bewertung dieses Grundstückes als unbebautes Grundstück noch weiter bestätigt worden. Eine südwestlich der gegenständlichen Liegenschaft gelegene Randparzelle von 1.068 m2 sei 1975 an den Bruder des Beschwerdeführers zum Preis von S 262,--/m2 verkauft worden. Nordwestlich des strittigen Grundstückes habe ein anderer Bruder des Beschwerdeführers 1973 ein Einfamilienhaus auf zwei Parzellen (zusammen etwa 3.100 m2) errichtet. Weitere acht Einfamilienhäuser seien auf den östlich des strittigen Grundstückes gelegenen zwei Parzellenstreifen errichtet worden. Auch auf der südwestlichen Seite grenzten mehrere Einfamilien- oder Mehrfamilienhäuser das strittige Grundstück ein. Auch der Umstand, daß das Grundstück im neuen Flächenwidmungsplan der Gemeinde X als Grünland ausgewiesen sei, könne beim Vorliegen der festgestellten Baulücke, welche das strittige Grundstück darstelle, nichts an der Bewertung als Grundvermögen ändern.
Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die belangte Behörde habe den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Artfortschreibung zum laut § 21 BewG und in seinem Recht auf Bewertung der gegenständlichen Wiese nach § 30 BewG verletzt, bzw. in seinem Recht auf Nichtbewertung des strittigen Grundstückes als Grundvermögen nach den Bestimmungen der §§ 51 und 52 BewG.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zum Grundvermögen gehört nach dem ersten Satz des § 51 Abs. 1 BewG der Grund und Boden einschließlich der Bestandteile (insbesondere Gebäude) und des Zubehörs. Zum Grundvermögen gehört gemäß § 52 Abs. 1 leg. cit. nicht Grundbesitz, der zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehört, und gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle gehören zum Grundvermögen auch nicht die Betriebsgrundstücke (§ 60) und die Gewerbeberechtigungen (§ 61).
Dafür, daß es sich beim strittigen Grundstück um ein Betriebsgrundstück oder eine Gewerbeberechtigung handeln könnte, besteht nach dem Vorbringen der Parteien im Verwaltungsverfahren und vor dem Verwaltungsgerichtshof wie auch nach der Aktenlage kein Anhaltspunkt. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren und dem Beschwerdevorbringen kommt jedoch die Zuordnung zum landwirtschaftlichen Vermögen in Betracht. Der Standpunkt der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid geht dahin, daß das strittige Grundstück jedenfalls zum Grundvermögen gehöre, weil es KEIN landwirtschaftliches Vermögen bilde ("die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 BewG zum nicht vorlagen"). Eine nähere, durch Sachverhaltsfeststellungen untermauerte Begründung läßt der angefochtene Bescheid jedoch vermissen. Daß schon das Finanzamt im bekämpften Einheitswertbescheid landwirtschaftliches Vermögen wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 BewG in Abrede gestellt hätte, wie dies der angefochtene Bescheid behauptet, ist den Akten des Verwaltungsverfahrens nicht zu entnehmen. Der Beschwerdeführer hat aber im Verwaltungsverfahren ausdrücklich eine Nutzung des strittigen Grundstückes durch Landwirte als Pächter zur Gewinnung von Gras und Heu sowie als Weideland geltend gemacht. Eine solche Nutzung vermag nach Lehre und Rechtsprechung durchaus die Zugehörigkeit eines Grundstückes zum landwirtschaftlichen Vermögen im Sinne des im Zusammenhang mit dem angefochtenen Bescheid bereits wiedergegebenen § 30 Abs. 1 BewG zu begründen (siehe Twaroch-Wittmann-Frühwald, Anmerkungen 2 und 3 zu § 30, Seiten 158 b und 158 c, Anm. 1 zu § 30 Abs. 1, Seite 158 c, sowie die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 1182/78, und vom , Zl. 86/15/0040, und die dort erwähnte Vorjudikatur). Feststellungen, daß die landwirtschaftliche Nutzung gegenüber einem anderen Hauptzweck (z.B. der Nutzung als Erholungsgebiet, vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 84/15/0042) in den Hintergrund getreten wäre, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht getroffen. Das von ihr angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 873/63, vermag die Auffassung der belangten Behörde nicht zu stützen, weil in jenem Beschwerdefall KEINE landwirtschaftliche Nutzung erfolgte, es sich vielmehr um BRACHLIEGENDES Land gehandelt hat.
Wiewohl der Auffassung der belangten Behörde, schon nach § 30 Abs. 1 BewG liege kein landwirtschaftliches Vermögen vor, mangels ausreichender Begründung nicht gefolgt werden kann, kommt der Beschwerde aus folgenden Überlegungen dennoch keine Berechtigung zu:
Zufolge § 52 Abs. 2 BewG sind land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücksflächen dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn nach ihrer Lage und den sonstigen Verhältnissen, insbesondere mit Rücksicht auf die bestehenden Verwertungsmöglichkeiten, anzunehmen ist, daß sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden, z.B., wenn sie hienach als Bauland, Industrieland oder als Land für Verkehrszwecke anzusehen sind.
Ein typischer Anwendungsfall dieser Vorschrift liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, wenn das zu bewertende Grundstück eine Baulücke in einem sonst besiedelten Gebiet darstellt (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 842/69, vom , Zl. 847/75, Slg. Nr. 4985/F, vom , Zl. 49/74, vom , Zl. 1844/76, vom , Zl. 1712/77, vom , Zl. 2841/77, vom , Zl. 93/80, und vom , Zl. 81/17/0040). Eine solche Baulücke hat die belangte Behörde bezüglich des strittigen Grundstückes im angefochtenen Bescheid ausdrücklich festgestellt. Die Beschwerde widerspricht dieser Feststellung nicht. Daß die Baulücke so wie die umliegenden Grundstücke auch tatsächlich verbaut werden konnte, ergibt sich aus der im angefochtenen Bescheid - ebenfalls unwidersprochen - festgehaltenen Auskunft der Gemeinde (Bauamt X), daß die "Aufschließung mit Strom, Wasser, Abwasser und Verkehr" möglich sei. Wenn sich auch laut Berufung die früher massive Nachfrage nach Bauland verringert hat, ist sie nach eben diesen Berufungsausführungen doch noch gegeben gewesen. Selbst der aktenkundige Pachtvertrag mit den nutzungsberechtigten Landwirten hinderte eine Verwertung als Bauland nicht ernstlich, weil er halbjährlich kündbar war. Alle diese Sachverhaltselemente rechtfertigen im Sinne des § 52 Abs. 2 BewG den Wahrscheinlichkeitsschluß für eine Bebauung des strittigen Grundstückes in absehbarer Zeit (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1844/76, vom , Zl. 93/80, vom , Zl. 84/15/0054, und vom , Zl. 85/15/0149). Hiebei kam es nicht darauf an, ob der jeweilige Eigentümer von der Möglichkeit der Verwendung für Bauzwecke Gebrauch machte bzw. Gebrauch machen wollte, sondern vielmehr auf die zum Stichtag objektiv vorliegenden sonstigen Verhältnisse (hg. Erkenntnisse vom , Zl. 1844/76, vom , Zl. 81/17/0040, vom , Zl. 84/15/0054, vom , Zl. 85/15/0149, und vom , Zl. 85/15/0348).
Der Umstand, daß das strittige Grundstück dann bei der Neuerstellung des Flächenwidmungsplanes in Grünland umgewidmet wurde, läßt keine andere Beurteilung zu. Ist doch davon auszugehen, daß das strittige Grundstück ZUM BEWERTUNGSSTICHTAG noch Bauland war. Dies zeigen auch die Beschwerdeausführungen auf Seite 2 und 6, nach denen der Antrag auf Artfortschreibung nicht wegen der am schon erfolgten, sondern wegen der am BEANTRAGTEN Umwidmung des strittigen Grundstückes in Grünland gestellt wurde, bzw. nach der 1984 BEANTRAGTEN Umwidmung "DESHALB" zum eine andere als die landwirtschaftliche Nutzung des strittigen Grundstückes in absehbarer Zeit nach Auffassung des Beschwerdeführers unwahrscheinlich war. Nach der schon erwähnten Auskunft der Gemeinde war im übrigen die Umwidmung in Grünland selbst zu Beginn des Jahres 1989 noch nicht vollzogen.
Die Umwidmung nach dem stellt eine Änderung der Verhältnisse nach dem Bewertungsstichtag dar, die unbeachtlich bleiben mußte (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 847/75, Slg. Nr. 4985/F, und vom , Zl. 82/17/0079, Slg. Nr. 5959/F). Zum war das strittige Grundstück noch als Bauland verwertbar. Die Zurechnung des strittigen Grundstückes zum Grundvermögen erfaßte damit im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die am Bewertungsstichtag noch immer auf Grund der Verwertbarkeit als Bauland bestehende potentielle wirtschaftliche Kraft des Eigentümers (siehe die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 1577/70, vom , Zl. 847/75, Slg. Nr. 4985/F, vom , Zl. 1712/77, und vom , Zl. 171/77, Slg. Nr. 5375/F). Diese potentielle wirtschaftliche Kraft bzw. die objektive Werterhöhung des Grundbesitzes durfte nach der eben zitierten Rechtsprechung nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil der Grundeigentümer gerade nicht beabsichtigte, sie auch auszunutzen.
Der angefochtene Bescheid entspricht in Anbetracht seines zweiten Begründungselementes (Baulücke) dem Gesetz. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom , BGBl. Nr. 206.