VwGH vom 22.04.1991, 90/15/0072

VwGH vom 22.04.1991, 90/15/0072

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Wetzel, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 11 - 1659/89, betreffend Stempelgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der mit notariellem Protokoll vom beurkundeten Generalversammlung der H-GmbH faßten die Gesellschafter (unter anderem der Beschwerdeführer) einstimmige Beschlüsse über die Änderung der Firma und des Unternehmensgegenstandes sowie die Enthebung des bisherigen und die Bestellung eines neuen Geschäftsführers. Sie beschlossen weiters einstimmig, "den Gesellschaftsvertrag dem der Beilage 1 zu diesem Protokoll entsprechenden Inhalt durchgreifend zu ändern und neu zu fassen" (Punkt 1 lit. c des Protokolles). Dem notariellen Protokoll ist der von sämtlichen Gesellschaftern unterfertigte, aus zwei Bogen bestehende Gesellschaftsvertrag, der unter anderem die Übernahme der Stammeinlagen beurkundet, beigelegt. Für das notarielle Protokoll wurden Stempelgebühren von S 1.200,--, für den beigelegten Gesellschaftsvertrag Stempelgebühren von S 60,-- jeweils in Stempelmarken entrichtet.

Das Finanzamt setzte gegenüber dem Beschwerdeführer für den Gesellschaftsvertrag vom gemäß § 14 TP 11 GebG eine Gebühr von S 240,-- (je Bogen S 120,--) abzüglich der in Stempelmarken entrichteten S 60,-- sowie gemäß § 9 Abs. 1 GebG eine Gebührenerhöhung von S 90,-- fest.

Mit seiner dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer im wesentlichen geltend, bei einem Gesellschafterbeschluß handle es sich nicht um ein Rechtsgeschäft, weil ein solches nur dann zustande komme, wenn eine "Überstimmung" (gemeint wohl: Übereinstimmung) der erklärten Willen zweier oder mehrerer Personen vorliege, während der Gesellschafterbeschluß erst eine Willensbildung der juristischen Person herbeiführe und darüber hinaus der Inhalt des Gesellschafterbeschlusses nicht dem Willen aller beteiligten Gesellschafter entsprechen müsse. Ungeachtet der Bezeichnung der Beilage als "Gesellschaftsvertrag" könne es sich daher inhaltlich nicht um ein Rechtsgeschäft handeln, weil bei Überstimmung eines Gesellschafters keine Willensübereinstimmung vorliege.

Die belangte Behörde wies die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Gemäß § 289 Abs. 2 BAO änderte sie den Bescheid des Finanzamtes dahin ab, daß sie - unter Entfall der Anrechnung der entrichteten Beilagengebühr von S 60,-- - die Gebühr gemäß § 14 TP 11 GebG mit S 240,-- und eine Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 1 GebG mit S 120,-- festsetzte.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides hielt sie der oben wiedergegebenen Auffassung des Beschwerdeführers - nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage - entgegen, auch wenn laut Protokoll kein Rechtsgeschäft abgeschlossen worden sei, stelle doch der beiliegende Gesellschaftsvertrag eine Urkunde über ein Rechtsgeschäft dar. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom , Zl. 86/15/0071 (Slg. 6180/F) einen vergleichbaren Fall entschieden. Darin habe er unter anderem ausgesprochen, bei Beurteilung der Gebührenpflicht einer Urkunde nach § 14 TP 11 GebG komme es in erster Linie darauf an, ob diese als Urkunde über Rechtsgeschäfte im Sinne des Gebührengesetzes anzusehen sei, weil nach der zitierten Tarifbestimmung nicht das Rechtsgeschäft, sondern die darüber errichtete Urkunde Gegenstand der Gebühr sei.

Die vorliegende Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 14 TP 7 Z. 4 lit. b GebG unterliegen Protokolle (Niederschriften) über eine Versammlung der Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung vom ersten Bogen einer festen Gebühr von S 1.200,--.

Gemäß § 6 Abs. 1 GebG sind bei den einer festen Gebühr unterliegenden Schriften der zweite und jeder weitere Bogen mit dem für den ersten Bogen vorgesehenen Stempel zu versehen; beträgt jedoch die feste Gebühr für den ersten Bogen mehr als S 120,--, so unterliegt jeder weitere Bogen der festen Gebühr von S 120,--.

Beilagen, das sind Schriften und Druckwerke aller Art, wenn sie einer gebührenpflichtigen Eingabe (einem Protokolle) beigelegt werden, unterliegen gemäß § 14 TP 5 Abs. 1 GebG von jedem Bogen einer festen Gebühr von S 30,--, jedoch nicht mehr als S 180,-- je Beilage.

§ 14 TP 11 GebG unterwirft unter anderem Urkunden über Rechtsgeschäfte, die unter das KVG (I. Teil Gesellschaftsteuer und II. Teil Wertpapiersteuer) fallen, von jedem Bogen einer festen Gebühr von S 120,--.

Nach § 2 Z. 1 KVG unterliegt der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber der Gesellschaftsteuer.

Daß das Protokoll der Generalversammlung vom der Gebühr gemäß § 14 TP 7 GebG 1957 unterliegt, ist nicht strittig. Streit besteht zwischen den Parteien des Beschwerdeverfahrens über die Frage, ob die dem Protokoll beigelegte Urkunde (Gesellschaftsvertrag) nach § 14 TP 11 GebG als Urkunde über ein Rechtsgeschäft, das unter die Gesellschaftsteuer fällt, zu vergebühren ist oder - dem Standpunkt des Beschwerdeführers zufolge - eine Beilage im Sinne des § 14 TP 5 Abs. 1 GebG darstellt, wobei der Beschwerdeführer im Ergebnis offenbar die Auffassung vertritt, daß dies eine weitere Gebührenpflicht nach einer anderen Vorschrift ausschlösse.

Darüber hinaus ist im Hinblick auf die oben dargestellte Rechtslage jedoch auch zu prüfen, ob die strittige Urkunde einen zweiten bzw. weiteren Bogen des Generalversammlungsprotokolles vom darstellt und daher (allenfalls auch) der Gebühr nach § 6 Abs. 1 iVm § 14 TP 7 Abs. 4 lit. b GebG unterliegt.

Zur Abgrenzung von Bogengebühr nach § 6 Abs. 1 GebG zur Beilagengebühr nach § 14 TP 5 Abs. 1 GebG im Zusammenhang mit nach § 14 TP 7 Z. 4 lit. b GebG gebührenpflichtigen Generalversammlungsprotokollen hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Slg. 5995/F, Stellung genommen (vgl. hiezu auch Arnold, Bogen- oder Beilagengebühr?, Anw 1986, 6 ff). Danach unterliegen Bei- und Anlagen (im Sinne des gewöhnlichen Sprachgebrauches) der in § 6 GebG vorgesehenen Gebühr von weiteren Bogen dann, wenn der weitere Bogen bzw. die Bei- oder Anlage wesentlicher Bestandteil der Schrift (z.B. deren Fortsetzung) ist oder ihr diese Eigenschaft auf Grund ausdrücklicher Erklärung (z.B. bezüglich eines Inventarverzeichnisses zu einem Bestandvertrag) zukommt oder sie mit der Schrift bzw. mit dem ersten Bogen derselben tatsächlich fest verbunden wird. Die Gebührenschuld für den weiteren Bogen entsteht durch die tatsächliche oder erklärte Eigenschaft als wesentlicher Bestandteil einer Schrift oder durch Beiheftung mit mechanischen Mitteln und ist auch in Stempelmarken zu entrichten. Da die Qualifikation der Schrift hiefür unerheblich ist, ist die Gebühr von weiteren Bogen auch dann zu entrichten, wenn die als weiterer Bogen beigeheftete Schrift nach einer Tarifpost selbständig gebührenpflichtig wäre.

Davon ausgehend unterliegt im vorliegenden Fall der dem notariellen Generalversammlungsprotokoll beiliegende Gesellschaftsvertrag schon deshalb der Gebühr nach § 6 Abs. 1 GebG (S 120,-- von jedem weiteren Bogen), weil mit der oben wiedergegebenen Verweisung auf die Beilage in Punkt 1 lit. c des Generalversammlungsprotokolles deren Inhalt zum Inhalt der protokollierten Beschlußfassung erhoben wird; ohne Heranziehung der Beilage könnte der konkrete Inhalt der zu Punkt 1 lit. c des Protokolles beurkundeten Beschlußfassung der Gesellschafter gar nicht ermittelt werden. Die Beilage ist somit (inhaltlich) wesentlicher Bestandteil der Schrift. Die aus zwei Bogen bestehende Beilage ist daher gemäß § 6 Abs. 1 iVm § 14 TP 7 Z. 4 lit. b GebG der Bogengebühr zu unterwerfen.

Dieses Ergebnis schließt eine selbständige Gebührenpflicht des Gesellschaftsvertrages nach § 14 TP 11 GebG nicht aus (vgl. das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom , Slg. 5995/F; Frotz-Hügel-Popp, Kommentar zum Gebührengesetz § 14 TP 11, 3); dieselbe Schrift (Urkunde) ist mehrfach gebührenpflichtig, wenn sie die Merkmale der gebührenpflichtigen Gegenstände von mehr als einer Tarifpost des § 14 aufweist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Slg. 421/F). Die Gebührenpflicht nach § 14 TP 11 GebG hängt im vorliegenden Fall davon ab, daß es sich um eine Urkunde über ein Rechtsgeschäft handelt, das unter das KVG (I. Teil Gesellschaftsteuer und II. Teil Wertpapiersteuer) fällt. Nach § 2 Z. 1 KVG unterliegt der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber der Gesellschaftsteuer. Ein solcher Ersterwerb ist unter anderem bei der Neugründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegeben; die Vertragsurkunde über die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung unterliegt daher der Gebühr nach § 14 TP 11 GebG, wobei die Gebührenschuld nach § 4 GebG mit Ausfertigung der Urkunde entsteht. Der vorliegende Gesellschaftsvertrag bezeugt den Erwerb der Gesellschaftsrechte durch die Gesellschafter; dafür, daß diese die Gesellschaftsrechte derivativ - und somit grundsätzlich nicht gesellschaftsteuerpflichtig (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 88/15/0104, 0105) - erworben hätten, kann der Urkunde kein Anhaltspunkt entnommen werden.

In der Beschwerde verweist der Beschwerdeführer auf seine schon im Abgabenverfahren vertretene Auffassung, bei der Beilage könne "es sich nicht um ein Rechtsgeschäft handeln", weil Generalversammlungsbeschlüsse mit Mehrheit gefaßt werden könnten. Diese Darlegungen sind im vorliegenden Zusammenhang schon deshalb nicht zielführend, weil die strittige Urkunde nicht nur ein Generalversammlungsprotokoll beinhaltet, sondern darüber hinaus auch eine von allen Gesellschaftern unterfertigte Urkunde über den Abschluß des Gesellschaftsvertrages, die unter anderem den Erwerb der Gesellschaftsrechte bezeugt. Daß es sich beim Abschluß des Gesellschaftsvertrages um ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 14 TP 11 GebG handelt, wird aber auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Soweit dieser - sowohl unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit als auch jenem der Verletzung von Verfahrensvorschriften - geltend macht, die belangte Behörde habe nicht beachtet, daß es sich beim strittigen Schriftstück um eine Beilage im Sinne des § 14 TP 5 GebG handle, ist er auf die obigen Darlegungen zu verweisen.

Der vorliegende Gesellschaftsvertrag unterliegt somit sowohl der Gebühr nach § 14 TP 11 GebG in der Höhe von S 240,-- als auch - als Bestandteil des Protokolles über die Generalversammmlung - einer Bogengebühr nach § 6 Abs. 1 iVm § 14 TP 7 Z. 4 lit. b GebG von S 240,--. Der Beschwerdeführer, der für die Urkunde Gebühren nach § 14 TP 5 GebG in der Höhe von S 60,- entrichtete, ist somit durch die Festsetzung der Gebühr nach § 14 TP 11 GebG in der Höhe von S 240,-- nicht in seinen Rechten verletzt. Eine Rechtswidrigkeit der gemäß § 9 Abs. 1 GebG zwingend zu verhängenden Gebührenerhöhung macht der Beschwerdeführer nicht geltend.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.