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VwGH vom 08.04.1991, 90/15/0071

VwGH vom 08.04.1991, 90/15/0071

Beachte

Besprechung in:

ÖStZ 1992, 32;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Wetzel, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des 1. AN und der 2. BN, beide in Klosterneuburg, beide vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. 6/5-424/13/90-06, betreffend Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 1987 gemäß § 299 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer waren je zur Hälfte Eigentümer eines auf dem Grundstück Nr. 417 der Liegenschaft EZ 230 KG H. errichteten Superädifikates (Bürohaus), das sie mit Kaufvertrag vom der H-GmbH veräußerten. Am übermittelten sie der Käuferin eine Rechnung über an dem Bauwerk vorgenommene Adaptierungsarbeiten im Betrag von S 3,075.000,-- zuzüglich Umsatzsteuer von S 615.000,--.

Anläßlich einer bei den Beschwerdeführern im Jahr 1987 durchgeführten, unter anderem die Besteuerungsgrundlagen des Jahres 1984 betreffenden abgabenbehördlichen Prüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, die Einnahmen aus der Faktura vom in der Höhe von S 3,075.000,-- netto seien gemäß § 6 Z. 9 lit. a UStG 1972 von der Umsatzsteuer befreit; die in der Faktura gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer in der Höhe von S 615.000,-- werde von den Beschwerdeführern gemäß § 11 Abs. 12 UStG 1972 geschuldet.

Das Finanzamt erließ einen dieser Auffassung des Prüfers folgenden Umsatzsteuerbescheid für 1984.

Mit ihrer einen Überschuß von S 615.000,-- ausweisenden Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat November 1987 legten die Beschwerdeführer dem Finanzamt eine Urkunde mit folgendem Text vor:

"H-GmbH K.,

BERICHTIGTE FAKTURA

Komplette Adaptierung des Hauses zum Bürohaus:

... (es folgt die Aufzählung der einzelnen Leistungen)

Sämtliche Arbeiten wurden laut mündlicher und schriftlicher

Vereinbarungen unter Zuhilfenahme von konzessionierten

Unternehmungen durchgeführt ... Total ÖS 3,690.000,--."

In ihrer Umsatzsteuererklärung für 1987 wiesen die Beschwerdeführer eine "Berichtigung des Steuerbetrages gemäß § 16 UStG 1972" im Betrag von S 615.000,-- und davon ausgehend eine Gutschrift von S 615.000,-- aus. Das Finanzamt setzte daraufhin mit Bescheid vom die Umsatzsteuer der Beschwerdeführer für 1987 mit einem Überschuß von S 615.000,-- fest.

Die Empfängerin der Rechnung vom teilte der Abgabenbehörde in der Folge auf entsprechende Anfrage mit, sie habe niemals eine "berichtigte" Rechnung erhalten und daher auch keine entsprechende Berichtigung des Vorsteuerabzuges vorgenommen.

Die belangte Behörde hob daraufhin mit ihrem Bescheid vom den Bescheid des Finanzamtes vom gemäß § 299 Abs. 1 lit. b BAO auf. Sie führte in der Begründung dieses Bescheides aus, von einer Berichtigung der Rechnungslegung könne nicht gesprochen werden, weil der Beleg dem Leistungsempfänger nicht zugestellt worden sei.

Das Bundesministerium für Finanzen hob diesen (beim Verwaltungsgerichtshof mit der zur hg. Zl. 89/15/0135 protokollierten Beschwerde angefochtenen) Bescheid über Vorschlag der belangten Behörde mit Bescheid vom auf. In der Begründung dieses Bescheides wird dargelegt, es habe sich nunmehr ergeben, daß die berichtigte Rechnung dem Leistungsempfänger am nachweislich zugestellt worden sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen, den Beschwerdeführern am zugestellten Bescheid hob die belangte Behörde den Bescheid des Finanzamtes vom betreffend die Umsatzsteuer der Beschwerdeführer für das Jahr 1987 (neuerlich) gemäß § 299 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 BAO auf. Begründend führte sie nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage sowie Wiedergabe des Wortlautes der "berichtigten Faktura" vom aus, der berichtigten Faktura sei nicht zu entnehmen, welche Rechnung damit berichtigt werden sollte. Aus der Aktenlage könne gefolgert werden, daß es sich um die in TZ 7 des Betriebsprüfungsberichtes angeführte Faktura vom handle. Die Gutschrift eines nach § 11 Abs. 12 UStG 1972 festgesetzten Steuerbetrages könne nur auf Grund einer berichtigten Rechnung erfolgen. Der vorliegende Beleg könne nicht als Rechnung angesehen werden, weil der Tag der Lieferung bzw. der Leistungszeitraum sowie die richtige handelsübliche Bezeichnung fehle. Nachdem nicht, wie im Bescheid angenommen worden sei, eine berichtigte Rechnung zur Gutschrift geführt habe, sei dieser wegen unrichtiger Feststellung des Sachverhaltes bzw. Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Die Aufhebung sei im Hinblick auf eine richtige Anwendung umsatzsteuerrechtlicher Bestimmungen erfolgt.

Die vorliegende Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 299 Abs. 1 lit. b BAO kann ein Bescheid von der Oberbehörde aufgehoben werden, wenn der dem Bescheid zu Grunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde. Gemäß § 299 Abs. 2 BAO kann ein Bescheid von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Gemäß § 11 Abs. 12 UStG 1972 schuldet ein Unternehmer, der in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen Steuerbetrag, den er nach diesem Bundesgesetz für den Umsatz nicht schuldet, gesondert ausgewiesen hat, diesen Betrag auf Grund der Rechnung, wenn er die Rechnung nicht gegenüber dem Abnehmer der Lieferung oder dem Empfänger der sonstigen Leistung entsprechend berichtigt. Im Falle der Berichtigung gilt § 16 Abs. 1 sinngemäß.

§ 16 Abs. 1 UStG 1972 hat folgenden Wortlaut:

"Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 und 2 geändert, so haben

1. der Unternehmer der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag, und

2. der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Die Berichtigungen sind für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgeltes eingetreten ist."

Ob die dem Finanzamt bei der Erlassung des Umsatzsteuerbescheides für 1987 vorliegende "berichtigte Faktura" vom eine Urkunde darstellt, mit der die am von den Beschwerdeführern ausgestellte, Umsatzsteuer im Betrage von S 615.000,-- gesondert ausweisende Rechnung vom im Sinne des § 11 Abs. 12 UStG 1972 "gegenüber dem Abnehmer der Lieferung oder dem Empfänger der sonstigen Leistung entsprechend berichtigt" wurde, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung, deren unrichtige Lösung durch die Abgabenbehörde erster Instanz nur zur Aufhebung des Bescheides durch die Oberbehörde nach § 299 Abs. 2 BAO führen konnte. Daß die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Aufhebungsbescheides neben der zuletzt zitierten Vorschrift auch § 299 Abs. 1 lit. b BAO zitierte, kann aber die Beschwerdeführer nicht in ihren Rechten verletzen, zumal nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Beschwerdeführer selbst dann nicht in seinen Rechten verletzt wird, wenn ein anderer als der von der Oberbehörde ins Treffen geführte Behebungstatbestand erfüllt ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/14/0198, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Eine "Rechnung" im Sinne des im Umsatzsteuerrecht gebrauchten Begriffes setzt Schriftform voraus; die "entsprechende Berichtigung" einer Rechnung im Sinne des § 11 Abs. 12 UStG 1972 bedarf daher ebenfalls der schriftlichen Form. Davon abgesehen können dem Gesetz keine bestimmten Formerfordernisse für die Berichtigung des Umsatzsteuerausweises in einer Rechnung entnommen werden. Aus dem Zusammenhang von § 11 Abs. 12 UStG 1972 und § 16 Abs. 1 leg. cit., der schon durch die ausdrückliche Verweisung im letzten Satz der erstzitierten Vorschrift hergestellt wird, folgen jedoch bestimmte Inhaltserfordernisse: Eine "entsprechende Berichtigung" einer gesondert Umsatzsteuer ausweisenden Rechnung liegt nur dann vor, wenn die Urkunde geeignet ist, als Grundlage sowohl der beim Aussteller vorzunehmenden Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrages als auch der vom Empfänger (sofern dieser den Vorsteuerabzug durchgeführt hat) vorzunehmenden Berichtigung des in Anspruch genommenen Vorsteuerabzuges zu dienen. Die Beurteilung dieser Eignung hat nach einem objektiven Maßstab zu erfolgen; davon ausgehend erfüllt nur eine solche Urkunde die Voraussetzungen der "entsprechenden Berichtigung" einer Rechnung, in der Gegenstand und Inhalt der Berichtigung in eindeutiger und jeden Zweifel ausschließenden Weise zum Ausdruck kommen. Es muß somit durch Anführung eindeutiger Unterscheidungsmerkmale klargestellt werden, welche vom Unternehmer seinerzeit ausgestellte Rechnung und inwiefern diese inhaltlich berichtigt wird.

Dies bedeutet nicht, daß die Berichtigung die Ausstellung einer (sämtliche in § 11 Abs. 1 geforderten Angaben enthaltenden) völlig neuen Rechnung erforderte. Der Unternehmer kann entweder die Rechnung mit dem unrichtigen Steuerausweis "stornieren" und eine völlig neue Rechnung erteilen, in der alle geforderten Angaben richtig angeführt sind, oder dem Leistungsempfänger unter Hinweis auf die (frühere) Rechnung den richtig berechneten Steuerbetrag mitteilen (vgl. Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 11 Anm 244 und die dort angeführten Beispiele von Berichtigungsmitteilungen).

Der Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz war somit nicht schon deshalb rechtswidrig, weil die "berichtigte (richtig: berichtigende) Faktura" vom nicht alle Elemente einer Rechnung im Sinne des § 11 Abs. 1 UStG 1972 enthält. Ob die "berichtigte Faktura" jedoch dem Erfordernis entspricht, daß Gegenstand und Inhalt der Berichtigung in eindeutiger und jeden Zweifel ausschließender Weise zum Ausdruck kommen, kann den Sachverhaltsannahmen des angefochtenen Bescheides insbesondere deshalb nicht entnommen werden, weil dieser keine Feststellungen über den Inhalt der (zu berichtigenden) Rechnung vom enthält. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, daß im vorliegenden Fall der erforderliche Zusammenhang aus der Übereinstimmung des Inhaltes der früheren Rechnung mit jenem der "berichtigten Faktura", soweit es die darin ausgewiesenen Leistungen und den Gesamtpreis betrifft, folgt, während sich der Inhalt der Berichtigung aus dem in der "berichtigten Faktura" fehlenden Umsatzsteuerausweis ergibt. In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen; die Faktura vom befindet sich auch nicht bei den Verwaltungsakten. Die belangte Behörde hat damit gegen ihre bei einer Aufhebung nach § 299 Abs. 2 BAO bestehende Verpflichtung, den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des aufzuhebenden Bescheides ergibt, eindeutig zu klären und alle tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Aufhebung in einem ordnungsgemäßen Verfahren zu ermitteln und in der Begründung des Aufhebungsbescheides festzustellen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/15/0068), verstoßen.

Das vorliegende Verfahren ist somit mangelhaft geblieben; der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.