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VwGH vom 08.04.1991, 90/15/0068

VwGH vom 08.04.1991, 90/15/0068

Beachte

Besprechung in:

ÖStZB 1991, 492;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Wetzel, Dr. Steiner und Dr. Mizner als als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des X-VEREINS gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. 113-4/90, betreffend Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 1988 gemäß § 299 Abs. 2 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der beschwerdeführende Verein erklärte für das Jahr 1988 Umsätze aus dem Verkauf von Ansichtskarten, aus der Gewährung von Nächtigungsmöglichkeiten in zwei Schutzhütten und aus der Verpachtung der Bewirtschaftung dieser Schutzhütten sowie damit zusammenhängender Weiterverrechnung von Betriebskosten (einschließlich für Wegerhaltung und Schneeräumung) von S 385.894,52 (Umsatzsteuer S 41.676,33) und Vorsteuern von S 48.594,70.

Das Finanzamt veranlagte, ohne ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, den beschwerdeführenden Verein erklärungsgemäß mit einer Gutschrift von S 6.918,-- zur Umsatzsteuer.

Die belangte Behörde hob diesen Umsatzsteuerbescheid in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes gemäß § 299 Abs. 2 BAO auf. Begründend führte sie aus, daß Alpen- und Touristenvereine nach herrschender Auffassung als Körperschaften gelten, deren Tätigkeit überwiegend auf die Förderung des Körpersports gerichtet sei. Ihre Umsätze seien daher - Gemeinnützigkeit im Sinne der §§ 34 bis 47 BAO nach Satzung und tatsächlicher Geschäftsführung vorausgesetzt -, sofern sie nicht im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, eines Gewerbebetriebes oder eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes im Sinne des § 45 Abs. 3 BAO ausgeführt werden, nach § 6 Z. 15 UStG 1972 von der Umsatzsteuer befreit. Das Finanzamt habe auf Grund entsprechender Auskünfte des beschwerdeführenden Vereines festgestellt, daß dieser den Gemeinnützigkeitsbestimmungen entspreche und keine begünstigungsschädlichen Betriebe führe, demnach die im Jahre 1988 erzielten Umsätze gemäß § 6 Z. 15 UStG 1972 als steuerfrei zu behandeln gewesen wären. Der Umsatzsteuerbescheid 1988 widerspreche dieser Rechtslage.

Die vorliegende Beschwerde macht Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 299 Abs. 2 BAO kann ein Bescheid von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Nach übereinstimmender Auffassung von Lehre und Rechtsprechung (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 84/13/0255, und vom , Zl. 88/13/0173; Stoll, Bundesabgabenordnung, S. 714) ist ein aufsichtsbehördlicher Behebungsbescheid dergestalt zu begründen, daß die Oberbehörde das Vorliegen der den Behebungstatbeständen des § 299 BAO entsprechenden Voraussetzungen darlegt und auch die Gründe für die von ihr durchgeführte Ermessensübung eingehend ausführt. Diese Verpflichtung der Behörde, alle von ihr angestellten Erwägungen bekanntzugeben, gebietet, daß vor Erlassung eines Aufhebungsbescheides gemäß § 299 Abs. 2 BAO der Sachverhalt, aus dem sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des aufzuhebenden Bescheides ergibt, eindeutig geklärt sein muß. Es müssen daher alle tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Aufhebung in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt und in der Begründung des Aufhebungsbescheides festgestellt werden. Dabei besteht in dem der Aufhebung vorausgehenden Verfahren die Verpflichtung zur Gewährung des Parteiengehörs dann, wenn ein neuer Sachverhalt angenommen oder neue Beweise aufgenommen wurden.

Diesen Voraussetzungen entspricht der angefochtene Bescheid nicht.

Nach § 6 Z. 15 UStG 1972 sind von den unter § 1 Abs. 1 Z. 1 und 2 fallenden Umsätzen steuerfrei die Umsätze von gemeinnützigen Vereinigungen (§§ 34 bis 36 BAO), deren satzungsgemäßer Zweck die Ausübung oder Förderung des Körpersports ist; dies gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes, eines Gewerbebetriebes oder eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes im Sinne des § 45 Abs. 3 BAO ausgeführt werden.

Im vorliegenden Fall wäre die Umsatzsteuerpflicht bzw. Umsatzsteuerfreiheit der vom Beschwerdeführer erklärten Umsätze somit zunächst davon abhängig gewesen, ob es sich bei diesem um eine gemeinnützige Vereinigung im Sinne der §§ 34 bis 36 BAO handelt, deren satzungsgemäßer Zweck ausschließlich oder weitaus überwiegend die Ausübung oder Förderung des Körpersports ist. Für Vereine, die diese Voraussetzungen erfüllen, erstreckt sich die Steuerfreiheit nach § 6 Z. 15 UStG 1972 auf (Entgelte für) Tätigkeiten im Bereich der Vermögensverwaltung (§ 32 BAO) und auf jene Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes im Sinne des § 45 Abs. 1 ("entbehrlicher Hilfsbetrieb") oder Abs. 2 BAO ("unentbehrlicher Hilfsbetrieb") ausgeführt werden. (Entgelte aus) Tätigkeiten, die über die wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe im Sinne des § 45 Abs. 1 und 2 BAO hinausgehen - dies sind land- und forstwirtschaftliche Betriebe, Gewerbebetriebe und wirtschaftliche Geschäftsbetriebe im Sinne des § 45 Abs. 3 BAO ("begünstigungsschädlicher Betrieb") - unterliegen hingegen (ausgenommen im Falle des Absehens von der Abgabepflicht nach § 44 Abs. 2 BAO im jeweiligen Umfang) - der Umsatzsteuer. Nach § 45a BAO ("automatische Ausnahmegenehmigung") kommt weiters eine Einschränkung der Abgabenpflicht in Betracht (vgl. zur steuerlichen Zuordnung der Tätigkeit begünstigter Vereine Kohler-Quantschnigg-Wiesner, Besteuerung der Vereine4 71 ff, zur Umsatzsteuerpflicht insbesondere 177 ff).

Der Begründung des angefochtenen Bescheides kann zwar die Rechtsauffassung der belangten Behörde entnommen werden, daß der beschwerdeführende Verein "den Gemeinnützigkeitsbestimmungen entspreche" und "keine begünstigungsschädlichen Betriebe führe", nicht aber, auf welcher Sachverhaltsgrundlage diese rechtliche Beurteilung erfolgte. Den oben dargelegten Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Verfahren hätte ein Aufhebungsbescheid nach § 299 Abs. 2 BAO im vorliegenden Fall aber nur dann entsprochen, wenn seiner Begründung hinreichend deutliche Sachverhaltsfeststellungen entnommen werden könnten, auf deren Grundlage die Beurteilung der ausschließlichen oder weitaus überwiegenden Verfolgung der satzungsmäßigen (begünstigten) Zwecke und die Beurteilung hätte erfolgen können, ob die Tätigkeit des Vereins nach den in den §§ 32 bzw. 45 BAO normierten Tatbestandsmerkmalen der Vermögensverwaltung bzw. der Führung eines entbehrlichen bzw. unentbehrlichen Hilfsbetriebes einerseits oder der Führung eines begünstigungsschädlichen Betriebes andererseits zuzuordnen ist. Im Falle des Vorliegens eines begünstigungsschädlichen Betriebes im Sinne des § 45 Abs. 3 BAO wären schließlich - im Hinblick darauf, daß die gesamten Umsätze des beschwerdeführenden Vereins im Streitjahr S 500.000,-- offenbar nicht überstiegen haben - auch Sachverhaltsfeststellungen erforderlich gewesen, auf deren Grundlage die Tatbestandsvoraussetzungen und der Umfang einer allfälligen "automatischen Ausnahmegenehmigung" nach § 45a BAO (vgl. hiezu Kohler-Quantschnigg-Wiesner aaO 107 f) beurteilt werden könnten; dies insbesondere deshalb, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß bei Anwendbarkeit der zuletzt zitierten Vorschrift nur noch eine im Rahmen der Ermessensübung die Aufhebung ausschließende bloß geringfügige Rechtswidrigkeit verblieben wäre.

Das vorliegende Verfahren ist somit mangelhaft geblieben; der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 .it. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.