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VwGH vom 27.05.1993, 93/18/0054

VwGH vom 27.05.1993, 93/18/0054

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. VII/2a-V-1616/0/1-92, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des KJBG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich (der belangten Behörde) vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es "als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ (§ 9 VStG) und verantwortlicher Arbeitgeber der Firma X-GesmbH, im Standort H-Straße 32c, S, zu vertreten, daß, wie anläßlich einer Überprüfung durch ein Organ des Arbeitsinspektorates Wiener Neustadt am festgestellt wurde", in Ansehung von fünf (namentlich genannten) Jugendlichen jeweils im Juni 1990 gegen verschiedene (im einzelnen angeführte) Bestimmungen des KJBG verstoßen worden sei. Es wurden deshalb über den Beschwerdeführer Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes behauptende Beschwerde, mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde vor, nicht geprüft zu haben, ob für den fraglichen Zeitraum ein "verantwortlicher gewerberechtlicher Geschäftsführer der Ges.m.b.H. bestellt war". Für diesen Fall hätte der Beschwerdeführer für die inkriminierten Verwaltungsübertretungen nicht gehaftet.

1.2. Damit verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Denn der gewerberechtliche Geschäftsführer kann nur für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften - von denen der Schutz der Arbeitnehmer bei ihrer beruflichen Tätigkeit nach arbeitnehmerschutzrechtlichen Normen (wie hier nach jenen des KJBG) nicht erfaßt wird - zur Verantwortung gezogen werden. Die Heranziehung des Beschwerdeführers als desjenigen, der aufgrund seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die in Rede stehenden Verstöße gegen das KJBG zu tragen habe, entspricht somit dem Gesetz (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/19/0469).

2.1. Die Beschwerde hält das Verwaltungsstrafverfahren deshalb für mangelhaft, weil die vom Beschwerdeführer beantragte ergänzende (nochmalige) Vernehmung des Zeugen Herbert G. unterblieben sei. Diese Einvernahme wäre erforderlich gewesen, um die vom Beschwerdeführer behauptete Stellung des Genannten als verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung der Vorschriften (u.a.) des Arbeitsrechtes unter Beweis zu stellen.

2.2. Auch dieser Einwand ist nicht zielführend. Die vom Beschwerdeführer mit seiner Stellungnahme an die Behörde erster Instanz vom vorgelegte "Aktennotiz" vom enthält u.a. den erkennbar auf Herbert G. bezogenen Passus "Verantwortlich: Hygiene, Arbeitsrecht, Jugendschutz, Kollektivvertrag". Selbst wenn man daraus die Übertragung einer verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit in Ansehung der angeführten Bereiche ableiten wollte, wäre es solcherart dennoch nicht zur Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten i.S. des § 9 VStG gekommen, weil es hiefür an der gemäß Abs. 4 wesentlichen Voraussetzung der nachweislichen Zustimmung des Herbert G. zu seiner Bestellung fehlte. Der besagten "Aktennotiz" ist nicht der geringste Anhaltspunkt für eine solche Zustimmung zu entnehmen; vor allem ist dieses Schriftstück von Herbert G. nicht unterfertigt worden. Mangelte es schon an einer Zustimmung des Genannten, so mußte es zwangsläufig auch an dem - aus der Zeit vor der Begehung der dem Beschuldigten angelasteten Übertretung stammenden - Nachweis einer solchen der Behörde gegenüber fehlen.

Die vom Beschwerdeführer vermißte Vernehmung des Herbert G. hätte demnach nicht der Verdeutlichung eines vorhandenen Beweisergebnisses hinsichtlich der Zustimmung zur Bestellung des Genannten zum verantwortlichen Beauftragten i.S. des § 9 Abs. 4 VStG dienen können, sondern wäre bloß als ein unbeachtliches, weil erst nach Begehung der dem Beschwerdeführer angelasteten Taten zustandegekommenes Beweisergebnis zu werten gewesen (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 92/18/0208, und vom , Zl. 92/18/0084).

3.1. Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nach Meinung des Beschwerdeführers auch insofern vor, als die vernommenen Zeugen, insbesondere Herbert G., nicht über die Möglichkeit, sich gemäß § 49 AVG der Aussage zu entschlagen, belehrt worden seien. Die Zeugen hätten Abweichungen von den tatsächlich eingetragenen Arbeitsstunden zugeben müssen; der Zeuge Herbert G. hätte sich selbst belastet, hätte er die Frage nach einer für ihn bestehenden "besonderen" verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit bejaht.

3.2. Was den zuletzt genannten Einwand anlangt, genügt es auf die vorstehenden Erwägungen (II.2.2.) zu verweisen, aus denen sich die Unbeachtlichkeit einer Aussage des Herbert G. zum Thema der behaupteten Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten und Zustimmung hiezu ergibt. Dies gilt auch für die stattgefundene Vernehmung des Genannten vor der Erstbehörde am . Ein allfälliges Versäumnis der Behörde, diesen Zeugen auf die Möglichkeit der Verweigerung der Aussage hinzuweisen (§ 50 iVm § 49 Abs. 1 AVG), entbehrt demnach - abgesehen davon, daß die bezügliche Niederschrift die gerügte Unterlassung nicht nahelegt - jedenfalls der Relevanz.

Letzteres trifft auch in Ansehung der Aussagen der als Zeugen vernommenen betroffenen Jugendlichen zu. Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern die belangte Behörde, wäre der gesetzlich gebotene Hinweis nicht unterlassen worden - wenn er denn unterlassen wurde -, zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gekommen wäre. Die Behauptung, die betreffenden Zeugen hätten "Abweichungen von den tatsächlich eingetragenen Arbeitsstunden zugeben müssen", ist eine durch nichts begründete Vermutung, der nicht weiter nachzugehen ist.

4.1. Nach Ansicht der Beschwerde liegt ein Verschulden des Beschwerdeführers hinsichtlich der ihm zur Last gelegten Taten deshalb nicht vor, weil er zum einen nicht in der Lage gewesen sei, selbst für die Einhaltung der Vorschriften zu sorgen, zum anderen ihn in bezug auf die Auswahl und die Überwachung des verantwortlichen Beauftragten Herbert G. kein Verschulden treffe.

4.2. Wie bereits dargetan (II.2.2.), hatte die belangte Behörde davon auszugehen, daß dem Herbert G. nicht die rechtliche Eigenschaft eines verantwortlichen Beauftragten i.S. des § 9 abs. 4 VStG zukam. Der vorstehende Beschwerdeeinwand geht demnach ins Leere. Daß der Beschwerdeführer aber - mangels rechtswirksamer Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten - als handelsrechtlicher Geschäftsführer für die inkriminierten Gesetzesverstöße verwaltungsstrafrechtlich haftet, ergibt sich aus § 9 Abs. 1 VStG.

Verschulden (in Form der Fahrlässigkeit) des Beschwerdeführers war - da es sich vorliegend um Ungehorsamsdelikte handelt - von der Behörde bis zur Glaubhaftmachung der Schuldlosigkeit zu vermuten (§ 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG). Eine solche Glaubhaftmachung ist dem Beschwerdeführer nicht gelungen, fehlt es doch an jeglichem Vorbringen in dieser Richtung.

5.1. Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde habe dadurch gegen § 44a lit. b VStG verstoßen, daß sie bei der Bezeichnung der "Übertretungsnormen" nicht ersichtlich gemacht habe, daß er als verantwortliches Organ einer juristischen Person bestraft worden sei.

5.2. Abgesehen davon, daß dieser Vorwurf nicht zutrifft (vgl. oben I.1.), wird der Beschwerdeführer auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 89/18/0008, verwiesen, demzufolge die Zitierung des § 9 VStG als verletzte Verwaltungsvorschrift i.S. des § 44a lit. b VStG im Spruch nicht geboten ist.

6.1. Schließlich vertritt die Beschwerde die Auffassung, es sei "unsicher, ob die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen im gegenständlichen Fall zur Anwendung gelangen können". Dies im Hinblick darauf, daß die Tätigkeiten der Praktikanten "eigentlich im Rahmen ihrer "schulischen" College-Ausbildung" erfolgt seien.

6.2. Es mag zutreffen, daß von den betroffenen Jugendlichen im Rahmen ihres schulischen Bildungsganges Praktika zu absolvieren waren und es sich bei ihrer Tätigkeit zur fraglichen Zeit (Juni 1990) um solche im Rahmen eines Praktikums handelte. Ungeachtet dessen, daß Praktika lehrplanmäßig vorgesehen sind, haben sie doch "außerhalb des schulischen Unterrichtes" stattzufinden (vgl. § 11 Abs. 9 Schulunterrichtsgesetz, BGBl. Nr. 472/1986), was u.a. bedeutet, daß sie dem Schüler nicht von der Schule (der Unterrichtsverwaltung) anzubieten sind, nicht von ihr veranstaltet werden und auch nicht unter ihrer Aufsicht oder die konkrete Gestaltung betreffenden Einflußnahme stehen. Es obliegt vielmehr dem einzelnen Schüler dafür zu sorgen, daß er ein vorgeschriebenes Praktikum rechtzeitig absolviert (vgl. § 11 Abs. 9 und 10 leg. cit.), und zwar im Wege individueller Vereinbarung mit hiefür in Betracht kommenden Einrichtungen. Auf dem Boden dieser Erwägungen handelt es sich bei derartigen Praktika um nicht von der Autorität der Schule getragene "sonstige Ausbildungsverhältnisse" i.S. des § 1 Abs. 1 KJBG. Die Beschäftigung von - wie im Beschwerdefall - Jugendlichen i. S. des § 3 Z. 1 KJBG im Rahmen dieser Praktika fällt demnach in den sachlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes. Ausnahmen zugunsten der erwähnten Praktika sieht das Gesetz nicht vor.

Die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtswidrigkeit ist somit auch in diesem Punkt nicht gegeben.

7. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als zur Gänze unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.