VwGH vom 24.06.1991, 90/15/0057
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der X-Bank gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 11 - 1076/1/89, wegen Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 2 GebG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Bank berechnet die Gebühren, die auf die von ihr abgeschlossenen Darlehens- und Kreditverträge entfallen, gemäß § 3 Abs. 4 GebG selbst. Bei einer den Zeitraum 1981 bis 1986 betreffenden Nachschau stellte das Finanzamt mehrere Fälle von Gebührenverkürzungen fest. Unter anderem hatte die Beschwerdeführerin in den Jahren 1981 und 1985 je einen dem Tatbestand des § 33 TP 19 Z. 2 GebG zu unterstellenden Kreditvertrag mit 0,8 v.H. (anstelle von 1,5 v.H.) vergebührt. Das Finanzamt setzte mit Bescheiden vom gemäß § 203 BAO die verkürzten Gebühren und gemäß § 9 Abs. 2 BAO Erhöhungen von je 100 % im Betrage von S 700,-- und S 7.000,-- fest.
Mit ihren gegen diese Bescheide, soweit sie Gebührenerhöhungen festsetzen, erhobenen, inhaltlich identen Berufungen machte die Beschwerdeführerin im wesentlichen geltend, sie habe die Gebührenanzeige in Form des Gebührenjournales rechtzeitig erstattet. Der Sachbearbeiter sei lediglich von der irrigen Annahme ausgegangen, daß 0,8 % Gebührenanfall bestehe, wobei heute nicht mehr feststellbar sei, ob er sich verrechnet und eine unter fünf Jahren liegende Laufzeit angenommen oder übersehen habe, daß es sich um einen Kontokorrentkredit handle. Zu vermuten sei ersteres, was damit entschuldbar wäre, daß es sich um ein reines Versehen handle, die 5-Jahresperiode nur um wenige Tage überschritten worden sei und in einem Fall die Kreditvertragsgebühr in der Urkunde unrichtig angeführt sei. Es liege also ein verzeihbarer Fehler vor, der den Grad der minderen Fahrlässigkeit nicht überschreite und der auch einem durchaus tüchtigen und gewissenhaften Sachbearbeiter bei einer Vielzahl von Geschäften einmal passieren könne. Bei der Frage der erstmaligen oder wiederholten Verletzung einer Gebührenpflicht dürfe nicht der Maßstab auf die juristischen Personen angelegt werden, sondern auf die einzelne für die juristische Person tätige (natürliche) Person. Bei einer juristischen Person kämen viel mehr Jahre als Beobachtungszeitraum in Betracht als bei einer natürlichen Person. Des weiteren könnten nicht einfach bei Massenabwicklungen die Gebührenverstöße addiert werden; es sei eine Relation herzustellen im Vergleich zu den sonstigen Gebührenanfällen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen teilweise Folge und setzte die Erhöhungen mit jeweils 30 v.H., das sind S 210,-- und S 2.100,--, fest. Im übrigen wies sie die Berufung als unbegründet ab. Nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage führte sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, der Beschwerdeführerin sei das Erkennen der Gebührenschuld zumutbar gewesen; die Gebührenanzeige sei nicht verspätet vorgenommen, sondern überhaupt unterlassen worden und die Beschwerdeführerin habe die Gebührenbestimmungen wiederholt verletzt. Die von der Beschwerdeführerin gewollte Verhältnisrechnung sei nicht entscheidend, weil die Erhöhung das Ziel verfolge, auf den Gebührenschuldner einzuwirken, daß er in Hinkunft die Gebühren so entrichte, wie sie auch von anderen Gebührenschuldnern entrichtet werden. Die von der Beschwerdeführerin angestrebte Erhöhung von 5 v.H. wäre eine Einladung, Gebühren nicht ordnungsgemäß abzurechnen, weil zwischen dem Entstehen der Gebührenschuld und der allfälligen Aufdeckung der nicht entrichteten Gebühr zumeist ein größerer Zeitraum liege und in diesem Zeitraum der Gewinn aus der verspäteten Abrechnung das Ausmaß von 5 v.H. übersteige. Bei der Festsetzung des Ausmaßes der Erhöhung sei im vorliegenden Fall zweierlei zu berücksichtigen: Es solle gewährleistet werden, daß die Beschwerdeführerin mit der größtmöglichen Sorgfalt die Gebühren entrichte und durch eine Nichtentrichtung keinerlei finanzielle Vorteile erziele; andererseits dürfe nicht außer acht gelassen werden, daß die Beschwerdeführerin als Abrechnerin im Sinne des § 3 Abs. 4 GebG grundsätzlich Gewähr für die Einhaltung der Gebührenvorschriften biete und eine Vielzahl von Rechtsgeschäften ordnungsgemäß abrechne. Unter der Annahme, daß das Finanzamt innerhalb der Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO eine stichprobenartige Gebührenprüfung durchführen könne und bei einer Nichtentrichtung von Gebühren bis zum Ende des fünften Jahres eine Zinsersparnis von etwas über 20 v.H. eintreten könne, erscheine eine Erhöhung von 30 v.H. angemessen, um eine sorgfältige Einhaltung der Gebührenvorschriften zu gewährleisten. Das Tatbestandsmerkmal der erstmaligen oder wiederholten Verletzung der Gebührenbestimmungen sei in bezug auf die Beschwerdeführerin als juristische Person und nicht in bezug auf den jeweiligen Sachbearbeiter zu überprüfen. Die Beschwerdeführerin habe nicht bestritten, daß sie wiederholt Gebühren nicht entrichtet habe.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit seinem Beschluß vom , Zl. B 807/89, ab. Über nachträglichen Antrag der Beschwerdeführerin trat der Verfassungsgerichtshof mit seinem Beschluß vom , Zl. B 807/89, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Mit ergänzendem Schriftsatz begehrt die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof, den angefochtenen Bescheid "wegen Rechtswidrigkeit" aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht geltend, der angefochtene Bescheid sei ohne gesetzliche Grundlage ergangen. Die belangte Behörde habe § 9 Abs. 2 GebG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 80/1987 angewendet. Die Gebührenverstöße seien jedoch vor Inkrafttreten der Novelle erfolgt. Im Hinblick auf den "pönalen Charakter" der Gebührenerhöhung sei ein Günstigkeitsvergleich anzustellen; für sogenannte "Altverstöße" (d.h. vor der Neufassung des § 9 GebG idF BGBl. Nr. 668/1976 durch BGBl. Nr. 80/1987 verwirklichte Gebührenverstöße) habe die neue Rechtslage Anwendung zu finden, es sei denn, die alte rechtliche Bestimmung wäre für den Gebührenschuldner die günstigere. Im vorliegenden Fall sei die alte Rechtslage für die Beschwerdeführerin die günstigere; § 9 Abs. 2 GebGnF sei daher nicht anzuwenden. § 9 Abs. 2 GebGaF sei vom Verfassungsgerichtshof (Erkenntnisse VfSlg. 10517 und 10617) als verfassungswidrig jeweils mit dem Ausspruch, daß die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden sei, ohne Fristsetzung aufgehoben worden. Auf § 9 Abs. 2 GebGaF könne sich die belangte Behörde somit ebenfalls nicht stützen.
Ob (im Hinblick auf den behaupteten pönalen Charakter der Gebührenerhöhungsvorschriften) ein Günstigkeitsvergleich zwischen alter und neuer Rechtslage vorzunehmen ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner näheren Erörterung, weil auf der Hand liegt, daß die alte Rechtslage für die Beschwerdeführerin nicht günstiger wäre. Die oben wiedergegebenen Ausführungen, die auf die Aufhebung des § 9 Abs. 2 GebG idF BGBl. Nr. 668/1976 durch den Verfassungsgerichtshof Bezug nehmen, verkennen, daß Sitz der im vorliegenden Fall (gestützt auf § 9 Abs. 2 GebGnF) zur Sicherung der Einhaltung der Gebührenvorschriften vorgenommenen Gebührenerhöhung nach dem Ermessen der Abgabenbehörde nach alter Rechtslage nicht § 9 Abs. 2 GebGaF, sondern der Abs. 3 der zitierten Gesetzesstelle gewesen wäre. Der von der Beschwerdeführerin angestrebte Günstigkeitsvergleich hätte somit § 9 Abs. 3 GebGaF und § 9 Abs. 2 GebGnF einzubeziehen. Dabei ergibt sich, daß § 9 Abs. 2 GebGnF (schon im Hinblick auf die Beschränkung des Ausmaßes der Erhöhung auf 50 v.H. bzw. das Ausmaß der verkürzten Gebühr gegenüber dem Zweifachen der verkürzten Gebühr nach alter Rechtslage) die für die Beschwerdeführerin günstigere Vorschrift ist.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch nicht die Bedenken der Beschwerdeführerin gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 9 Abs. 3 GebGaF. Der Auffassung der Beschwerdeführerin, gegen § 9 Abs. 3 GebGaF bestünden dieselben verfassungsrechtlichen Bedenken, die den Verfassungsgerichtshof bewogen hätten, § 9 Abs. 2 GebGaF als verfassungswidrig aufzuheben, ist entgegenzuhalten, daß die Anwendung der Erhöhungsvorschrift des § 9 Abs. 3 GebGaF im Ermessen der Behörde lag, die im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigen hatte, inwieweit dem Gebührenschuldner bei Beachtung der Bestimmungen des Gebührengesetzes das Erkennen der Gebührenpflicht zugemutet werden konnte sowie ob eine Gebührenverkürzung erstmalig oder wiederholt erfolgt ist. Der Verstoß der Regelung des § 9 Abs. 2 GebGaF gegen den Gleichheitssatz lag nach der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 10517) jedoch im Fehlen einer sachlichen Begründung dafür, daß dem Schuldner in sämtlichen Gebührenfällen eine zusätzliche Geldleistung in der Höhe der Abgabe und ohne Berücksichtigung der Entschuldbarkeit seiner Versäumnis oder ihres sonstigen Gewichtes auferlegt wird; dies trifft auf die oben wiedergegebene Regelung des § 9 Abs. 3 GebGaF nicht zu.
Es war somit nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde ihren Bescheid auf § 9 Abs. 2 GebGnF gestützt hat.
Nach dem zweiten Satz der zuletzt zitierten Vorschrift ist im Rahmen der Ermessensübung bei der Festsetzung der Gebührenerhöhung insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit dem Gebührenschuldner bei Beachtung dieses Bundesgesetzes das Erkennen der Gebührenpflicht einer Schrift oder eines Rechtsgeschäftes zugemutet werden konnte, ob eine Gebührenanzeige geringfügig oder beträchtlich verspätet erstattet wurde sowie, ob eine Verletzung der Gebührenbestimmungen erstmalig oder wiederholt erfolgt ist.
Davon ausgehend zeigt die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall weder eine Fehlerhaftigkeit der Ermessensübung noch einen Mangel in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf.
Sie vertritt die Auffassung, § 9 Abs. 2 GebG habe natürliche Personen vor Augen; es sei sachlich nicht gerechtfertigt, bei einer juristischen Person dem Umstand der wiederholten Verletzung von Gebührenbestimmungen die gleiche Bedeutung wie bei einer natürlichen Person beizumessen.
Dem Gesetz, das auf das Verhalten des "Gebührenschuldners" abstellt, ist jedoch entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, Gebührenverkürzungen, die einer juristischen Person zuzurechnen sind, allgemein anders zu behandeln als von natürlichen Personen begangene. Ob im konkreten Fall ein Verstoß gegen Gebührenvorschriften bei der Ermessensübung deshalb nicht als "wiederholter" Verstoß in Betracht zu ziehen wäre, weil frühere Verstöße besonders lange zurückliegen, kann im vorliegenden Fall auf sich beruhen, weil unbestritten ist, daß der Beschwerdeführerin jedenfalls im lediglich die Jahre 1981 bis 1986 umfassenden Prüfungszeitraum mehrere und somit "wiederholte" Verstöße anzulasten sind.
Die Beschwerdeführerin behauptet auch nicht, daß ihr (ihren Sachbearbeitern) in den zur Gebührenerhöhung führenden Fällen das Erkennen der Gebührenpflicht nicht hätte zugemutet werden können. Daß sie gebührenpflichtige Rechtsgeschäfte als "Massengeschäft" (routinemäßig) abwickelt, spricht entgegen ihrer Auffassung nicht dagegen, sondern dafür, daß ihr das Erkennen der Gebührenpflicht zugemutet werden kann. Im übrigen ist die Beschwerdeführerin daran zu erinnern, daß die ihr bewilligte Selbstberechnung der Gebühren nach § 3 Abs. 4 GebG voraussetzt, daß sie die Gewähr für die ordnungsgemäße Einhaltung der Gebührenvorschriften bietet.
Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, die Gebührenschuld sei in einem Fall im September 1981, im anderen Fall im Juni 1985 entstanden. Die belangte Behörde habe somit Ungleiches gleich behandelt, wenn sie - gestützt auf "Zinsenentgang" - in beiden Fällen eine Gebührenerhöhung von 30 % vorgeschrieben habe.
Die oben wiedergegebenen Ausführungen der Begründung des angefochtenen Bescheides lassen jedoch erkennen, daß die belangte Behörde nicht auf eine dem Gebührenschuldner konkret entstandene Zinsenersparnis Bezug genommen hat. Die aus diesen Ausführungen hervorgehende Zielsetzung, daß die nachteiligen Folgen der Gebührenverkürzung den durch die verspätete Entrichtung voraussichtlich entstehenden Vorteil überwiegen sollen, steht im Einklang mit dem Zweck der Vorschrift, die Einhaltung der Gebührenvorschriften zu sichern. Auch die oben wiedergegebenen Ausführungen lassen somit keine Fehlerhaftigkeit in der Ausübung des Ermessens erkennen.
Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, der angefochtene Bescheid gehe auf die Frage der "Entschuldbarkeit" der von ihr begangenen Gebührenverstöße nicht ein, ist sie darauf zu verweisen, daß es bei der Ermessensübung insbesondere darauf ankommt, inwieweit dem Gebührenschuldner bei Beachtung des Gebührengesetzes das Erkennen der Gebührenpflicht zugemutet werden konnte. Die Beschwerdeführerin hat im Abgabenverfahren zwar Mutmaßungen über die Gründe der Gebührenverkürzung angestellt, aber nicht behauptet, daß ihr (ihren Sachbearbeitern) das Erkennen der Gebührenpflicht nicht hätte zugemutet werden können. Davon ausgehend hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellt, daß der Beschwerdeführerin das Erkennen der Gebührenpflicht zumutbar gewesen sei; der geltend gemachte Begründungsmangel liegt somit ebenfalls nicht vor.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.