VwGH vom 30.03.1992, 90/15/0020
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der Dkfm. M in K, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom , Zl. 107/2-5/87, betreffend Bodenschätzung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin bzw. Miteigentümerin der Liegenschaften EZ 24, 250 und 280 der KG K. Gegen die gemäß § 11 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 bis 3 des Bodenschätzungsgesetzes 1970, BGBl. 233, zur allgemeinen Einsichtnahme aufgelegten Ergebnisse der Bodenschätzung in der KG K. erhob sie Berufung. Sie führte nach allgemeinen Darlegungen über das Wesen der Bodenschätzung (zusammengefaßt) aus, bei den Schätzungsergebnissen sei der niedrige Grundwasserstand, die austrocknende Wirkung des Windes und die Schadstoffbelastung ihrer Böden nicht ausreichend berücksichtigt worden. Ein Klimazuschlag sei ebenfalls nicht gerechtfertigt. Die Nutzflächen der EZ 250 KG K. seien zu Unrecht den Bodenarten lS, SL und sL zugeordnet worden. Die beiden übrigen Liegenschaften betreffend würden Abschläge für Wald- und Bergschatten sowie im Südwesten des Grundstückes ein Abschlag für aufgeschütteten Bahnkies beantragt. Der Berufung war eine von der Beschwerdeführerin angefertigte Lageskizze ihrer Liegenschaften angeschlossen, in der diese in zahlreiche Teilflächen unterteilt werden; bei der jeweiligen Teilfläche hatte die Beschwerdeführerin jeweils die Bodenarten und Wertzahlen eingetragen, deren Festsetzung mit der Berufung beantragt wurde.
Nach Durchführung eines Augenscheines im Beisein der Beschwerdeführerin und Nachreichung einer Ergänzung der Berufung mit umfangreichen und detaillierten Angaben über die klimatischen Verhältnisse, der neuerlich eine Lageskizze angeschlossen war, hielt die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die tatsächlichen Verhältnisse, die sie über die natürlichen Ertragsbedingungen der strittigen Liegenschaften ermittelt hatte, sowie detailliert die Daten der ihrer Auffassung nach heranzuziehenden Musterstücke vor. Nach umfangreichem ergänzenden Vorbringen der Beschwerdeführerin und einer Besichtigung der Liegenschaften durch die Mitglieder des Landesschätzungsbeirates gab die belangte Behörde dem Berufungsbegehren teilweise Folge, wobei sie im Spruch des angefochtenen Bescheides für die aus den beiliegenden sechs Teilausschnitten der Schätzungskarten, welche einen integrierenden Bestandteil der Berufungsentscheidung bilden, hervorgehenden 27 Klassenflächen die Bodenformeln sowie die Boden- und Ackerzahlen feststellte. Im übrigen wies sie die Berufung als unbegründet ab.
Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 1 Abs. 1 des Bodenschätzungsgesetzes 1970, BGBl. Nr. 233, sind die landwirtschaftlich nutzbaren Bodenflächen des Bundesgebietes zur Schaffung von Bewertungsgrundlagen für steuerliche Zwecke einer Bodenschätzung zu unterziehen. Die Bodenschätzung umfaßt nach § 1 Abs. 2 leg.cit. die Untersuchung des Bodens auf seine Beschaffenheit und die kartenmäßige Darstellung des Untersuchungsergebnisses (Bestandsaufnahme) sowie die Feststellung der Ertragsfähigkeit aufgrund der natürlichen Ertragsbedingungen, das sind Bodenbeschaffenheit, Geländegestaltung, klimatische Verhältnisse (§ 32 Abs. 3 Z. 1 des Bewertungsgesetzes 1955, BGBl. Nr. 148) und Wasserverhältnisse. Alle landwirtschaftlich genutzten Bodenflächen sind nach ihren natürlichen Ertragsbedingungen dem Ackerland oder dem Grünland (und dabei jeweils im einzelnen bezeichneten Kulturarten) zuzuordnen (§ 7 Abs. 1 Bodenschätzungsgesetz 1970). Für die Bodenflächen sind gemäß § 8 Bodenschätzungsgesetz 1970 Wertzahlen zu ermitteln (für Ackerland Bodenzahl und Ackerzahl, für Grünland Grünlandgrundzahl und Grünlandzahl).
Als Vergleichsflächen der Bodenschätzung dienen gemäß § 5 Abs. 1 leg.cit. die Musterstücke. Diese sind nach ihrer durch die natürlichen Ertragsbedingungen bewirkten Ertragsfähigkeit zueinander ins Verhältnis zu setzen. Dieses Verhältnis ist in einem Hundertsatz (Wertzahl) auszudrücken. Die ertragsfähigste Bodenfläche erhält die Wertzahl 100 (§ 5 Abs. 3 leg.cit.).
Nach § 5 Abs. 5 leg.cit. sind die Ergebnisse der Schätzung der Bundesmusterstücke und der Landesmusterstücke vom Bundesminister für Finanzen im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" kundzumachen. Die gemäß § 8 Abs. 1 für die Musterstücke zu ermittelnden Wertzahlen erhalten durch die Kundmachung rechtsverbindliche Kraft. Hiebei sind für jedes Musterstück die die Ertragsfähigkeit dieses Musterstückes beeinflussenden Umstände anzuführen.
Die Beschwerdeführerin vertritt zunächst die Auffassung, die belangte Behörde hätte beim Landesmusterstück Nr. 37 KG K. zu einer anderen "Einwertung" gelangen müssen, wenn sie sämtliche (in der Beschwerde im einzelnen näher angeführte) für die Ertragsbedingungen maßgeblichen Faktoren tatsächlich berücksichtigt hätte; als Verfahrensmangel macht sie im vorliegenden Zusammenhang geltend, die belangte Behörde hätte die der Schätzung des Musterstückes zugrundegelegten Klimadaten überprüfen müssen.
Dem ist entgegenzuhalten, daß das Ergebnis der Schätzung des Landesmusterstückes Nr. 37 im Amtsblatt zur Wiener Zeitung am kundgemacht wurde. Im Hinblick auf die Vorschrift des § 5 Abs. 5 Bodenschätzungsgesetz 1970 zweiter Satz, wonach die gemäß § 8 Abs. 1 für die Musterstücke zu ermittelnden Wertzahlen durch die Kundmachung rechtsverbindliche Kraft erlangen, besteht an sich keine Möglichkeit der Bekämpfung dieser Schätzungsergebnisse (vgl. zur insoweit gleichlautenden Regelung des § 4 des Bodenschätzungsgesetzes 1934 das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1036/60). Die Ergebnisse der Schätzung (der Musterstücke) erlangen durch die Veröffentlichung den Charakter von Rechtsverordnungen (vgl. Twaroch-Wittmann-Frühwald, Kommentar zum Bewertungsgesetz2 183). Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des kundgemachten Schätzungsergebnisses, die Anlaß zu einem Vorgehen nach Art. 89 Abs. 2 B-VG geboten hätten, haben sich auch aus der Sicht des Beschwerdefalles betreffend die Schätzungsergebnisse des Landesmusterstückes Nr. 37 nicht ergeben. Der Beschwerde kann auch nicht entnommen werden, welche konkreten Auswirkungen die von der Beschwerdeführerin behauptete "gesetzwidrige Einwertung" des Landesmusterstückes Nr. 37 auf die Bodenschätzung der Liegenschaften der Beschwerdeführerin nach sich gezogen hätte. Die oben zusammenfassend wiedergegebenen Darlegungen der Beschwerde zeigen somit keine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Ebensowenig liegt in dem von der Beschwerdeführerin aufgezeigten Umstand, daß von ihr angeforderte Unterlagen erst "ein halbes Jahr später, nämlich im Wege des am erlassenen Vorhaltes" übermittelt wurden, ein relevanter Verfahrensmangel, weil die Beschwerdeführerin Gelegenheit hatte, zu den ihr vorgehaltenen Umständen Stellung zu nehmen; von der ihr gebotenen Gelegenheit hat sie auch tatsächlich mehrfach und umfangreich Gebrauch gemacht.
Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, sie habe keine Möglichkeit zur Präzisierung ihres Berufungsvorbringens gehabt, weil ihr das Landesmusterstück Nr. 37 der KG K. nicht übermittelt worden sei, entfernt sie sich vom Akteninhalt, weil ihr mit dem genannten Vorhalt auch die das Landesmusterstück Nr. 37 KG K. betreffenden Schätzungsergebnisse und die betreffenden Daten bekanntgegeben wurden, wozu sie in der Folge auch umfangreich Stellung nahm.
Die Beschwerdeführerin macht als Verletzung von Verfahrensvorschriften ferner geltend, die "endgültige Schätzung der Vergleichsstücke" sei nicht vom Schätzungsausschuß des Finanzamtes, sondern durch den technischen Leiter der belangten Behörde vorgenommen worden. Dieser sei Mitglied des Landesschätzungsbeirates und habe die "Einwertung der Vergleichsstücke" ohne Anhörung dieses Gremiums vorgenommen.
Diesen Darlegungen der Beschwerde kann nicht entnommen werden, auf welchen Verfahrensvorgang die Beschwerdeführerin damit Bezug nimmt, weil das Gesetz weder von "endgültiger Schätzung" noch von "Vergleichsstücken" noch von "Einwertung" spricht. Soweit die Beschwerdeführerin mit ihrer Verfahrensrüge auf Vorgänge im Zusammenhang mit der Schätzung der Musterstücke, die nach § 5 Abs. 1 Bodenschätzungsgesetz 1970 als "Vergleichsflächen" der Bodenschätzung dienen, Bezug nimmt, ist sie darauf zu verweisen, daß dem Finanzamt bzw. dem gemäß § 4 Abs. 3 Bodenschätzungsgesetz 1970 für dessen Bereich gebildeten Schätzungsausschuß im Zusammenhang mit der Schätzung von Musterstücken keinerlei Kompetenz zukommt (vgl. § 5 Abs. 1 und 4 leg.cit.).
Den Verwaltungsakten kann aber auch nicht entnommen werden, daß im Zusammenhang mit der gemäß § 9 Abs. 1 leg.cit. vorzunehmenden Untersuchung der gemäß § 6 zu schätzenden Bodenflächen durch den Schätzungsausschuß bzw. der Feststellung der Ergebnisse der Nachschätzung gemäß § 2 Abs. 2, 3 in Verbindung mit § 9 Abs. 2 und § 11 Abs. 1, 2 Bodenschätzungsgesetz 1970 Verfahrensmängel unterlaufen wären; dabei ist darauf hinzuweisen, daß eine Verletzung von Verfahrensvorschriften im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur relevant sein kann, wenn sie im letztinstanzlichen Verfahren unterlaufen wäre (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/16/0155, 0165). Die belangte Behörde hat ihrer in § 12 Abs. 2 leg.cit. normierten Verpflichtung, vor der Entscheidung den Landesschätzungsbeirat zu hören, entsprochen.
Die Beschwerdeführerin vertritt auch die Auffassung, es liege in bezug auf den technischen Leiter der belangten Behörde der Befangenheitsgrund nach § 76 Abs. 1 lit.d BAO vor; der Genannte habe "die Musterstücke eingeschätzt".
Nach § 76 Abs. 1 lit.d BAO haben sich Organe der Abgabenbehörden der Ausübung ihres Amtes im Rechtsmittelverfahren vor der Abgabenbehörde zweiter Instanz (unter anderem) wegen Befangenheit zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn sie an der Erlassung des angefochtenen Bescheides mitgewirkt haben. Bei der Schätzung von Musterstücken im Sinne des § 5 Abs. 4 Bodenschätzungsgesetz 1970, die nach dem Gesetz von der Finanzlandesdirektion nach Beratung im Landesschätzungsbeirat durchzuführen ist, handelt es sich keinesfalls um eine "Mitwirkung an der Erlassung des angefochtenen Bescheides" in erster Instanz im Sinne des § 76 Abs. 1 lit.d BAO, soweit es den hier im Berufungsverfahren bekämpften Bescheid betrifft. Der geltend gemachte Befangenheitsgrund liegt somit nicht vor.
Die Beschwerdeführerin vertritt ferner die Auffassung, es sei "anläßlich der Besichtigung des Landesschätzungsbeirates auch dessen Beschlußfähigkeit nicht gegeben gewesen, weil einerseits der technische Leiter der belangten Behörde Mitglied des Landesschätzungsbeirates ist und andererseits Dr. S. als weiteres Mitglied des Landesschätzungsbeirates ebenso wie der Gatte der Beschwerdeführerin Angestellter der Landwirtschaftskammer ist und daher eine objektive Beurteilung von vornherein zweifelhaft erschien. Der Gatte der Beschwerdeführerin, der ebenfalls Mitglied des Landesschätzungsbeirates ist, ist Miteigentümer von Grundstücken, die ebenfalls von Dr. S. als Mitglied dieses Gremiums eingeschätzt wurden. Es liegt somit ein Verfahrensmangel darin begründet, daß sowohl der technische Leiter der belangten Behörde als auch Dr. S. gemäß § 76 BAO als befangen anzusehen sind".
Im Zusammenhang mit diesen Darlegungen kann auf sich beruhen, ob die Vorschriften über die Befangenheit von Organen der Abgabenbehörden entsprechend auch für die auf Vorschlag der zuständigen Landeslandwirtschaftskammer berufenen Mitglieder des gemäß § 4 Abs. 2 Bodenschätzungsgesetz 1970 gebildeten Landesschätzungsbeirates anzuwenden sind. Die Beschwerde zeigt nämlich keine Gründe auf, die Anhaltspunkte für eine Befangenheit im Sinne des § 76 Abs. 1 BAO darstellen. Der technische Leiter der Bodenschätzung bei der belangten Behörde gehört dem Landesschätzungsbeirat kraft Amtes an (§ 4 Abs. 2 Z. 2 Bodenschätzungsgesetz 1970). Der von der Beschwerdeführerin gezogene Schluß, daß eine objektive Beurteilung "von vornherein zweifelhaft erscheint", weil sowohl der technische Leiter der belangten Behörde als auch Dr. S. (offenbar als gemäß § 4 Abs. 2 Z. 3 leg.cit. auf Vorschlag der zuständigen Landeslandwirtschaftskammer berufenes Mitglied) dem Landesschätzungsbeirat angehören und Dr. S ebenso wie der Gatte der Beschwerdeführerin Angestellter der Landeslandwirtschaftskammer sei, ist nicht nachvollziehbar. Ebensowenig ist zu erkennen, inwiefern aus dem von der Beschwerdeführerin behaupteten Umstand, wonach ihr Ehegatte (ebenfalls Mitglied des Landesschätzungsbeirates) Miteigentümer von Grundstücken sei, die "Dr. S. als Mitglied dieses Gremiums eingeschätzt" habe, abgeleitet werden könnte, die von der Beschwerdeführerin als befangen bezeichneten Mitglieder des Landesschätzungsbeirates hätten sich bei ihrer Tätigkeit von persönlichen bzw. unsachlichen Motiven leiten lassen.
Die Beschwerdeführerin macht schließlich geltend, die belangte Behörde habe den Vermessungsbehörden die Schätzungsergebnisse übermittelt, obwohl diese noch nicht in Rechtskraft erwachsen seien. Dies bedeute einen Verstoß gegen § 13 Abs. 1 Bodenschätzungsgesetz 1970, wonach die Abgabenbehörden die rechtskräftig festgestellten Ergebnisse den Vermessungsbehörden zu ermitteln hätten. Damit verkennt die Beschwerdeführerin zunächst, daß ihre Darlegungen ein Behördenverhalten betreffen, das nach der Erlassung des angefochtenen Bescheides und unabhängig von dieser gesetzt wurde und somit nicht geeignet sein kann, einen zur Aufhebung des Bescheides führenden relevanten Verfahrensmangel darzustellen. Im übrigen liegt ein "rechtskräftig festgestelltes Ergebnis der Bodenschätzung" vor, sobald der ordentliche Rechtszug ausgeschöpft ist; dies ist nach den für Rechtsmittel vorgesehenen Vorschriften der BAO, die im Beschwerdefall gemäß § 12 Abs. 1 Bodenschätzungsgesetz 1970 anzuwenden waren, nach Ergehen der Berufungsentscheidung von der Abgabenbehörde zweiter Instanz der Fall (§ 291 BAO).
Die Beschwerde war daher als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.