VwGH vom 10.06.1991, 90/15/0019
Beachte
Besprechung in:
AnwBl 8/1991, S 565-567;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der X-Bank gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GA 11 - 1580/89, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am unterfertigten die beschwerdeführende Bank als Kreditgeber und Dr. A. als Kreditnehmer eine Urkunde über einen Kreditvertrag, wonach die Bank dem Kreditnehmer einen Kredit auf Kontokorrentbasis mit einem Rahmen von S 450.000,-- gewährt. Nach Punkt 2.3 der Urkunde steht der Kreditrahmen dem Kreditnehmer bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur Verfügung. Darüber hinaus enthält die Urkunde keine Vereinbarungen über die Dauer des Kreditverhältnisses bzw. den Zeitpunkt, ab dem die Bank dem Kreditnehmer den vereinbarten Geldbetrag zur Verfügung stellt.
Bei der Selbstberechnung der Gebühren vergebührte die Beschwerdeführerin dieses Rechtsgeschäft gemäß § 33 TP 19 Abs. 1 Z. 1 GebG mit 0,8 v.H. von der vereinbarten Kreditsumme von S 450.000,--. Anläßlich einer Gebührenprüfung nahm das Finanzamt - der Auffassung des Prüfers, daß die Kreditlaufzeit fünf Jahre übersteige ( bis ) folgend - das Verfahren wieder auf und setzte die Gebühr nach Z. 2 der oben zitierten Gesetzesstelle mit 1,5 v.H. von S 450.000,--, das sind S 6.750,--, und gemäß § 9 Abs. 2 GebG eine Erhöhung von S 3.150,-- fest.
Mit der dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin, soweit dies im Beschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, geltend, dem Kunden sei keine fünf Jahre übersteigende Verfügung über die Kreditvaluta eingeräumt gewesen. Bereits im Ansuchen vom sei eine Fünf-Jahre-Laufzeit zu einem Rückführungstermin
"vereinbart" gewesen. In der diesbezüglichen Besprechung sei vereinbart worden, daß der Kontokorrentkreditrahmen "erst 1984" eröffnet werde und daß dem Kreditnehmer die Verfügung über den Geldbetrag "erst 1984" eingeräumt werde. Der Vertrag sei auch mit diesem Inhalt zustande gekommen. In der schriftlichen Festlegung sei ein derartiger Vermerk unterblieben, doch bringe die Beschwerdeführerin dies hier gegen den Urkundeninhalt mit dem Zusatzbemerken vor, daß tatsächlich auch erst am der interne Krediteröffnungsauftrag erfolgt sei. Zum Beweis für dieses Vorbringen berief sich die Beschwerdeführerin auf den Zeugen Dr. S.
Mit dem angefochtenen Bescheid ließ die belangte Behörde in teilweiser Stattgebung der Berufung die vom Finanzamt ausgesprochene Gebührenerhöhung auf; im übrigen wies sie die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung dieses Bescheides führte sie nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage im wesentlichen aus, der Kreditvertrag sei am abgeschlossen und das Ende des Vertrages mit festgelegt worden. Es liege daher unzweifelhaft keine "bis zu fünf Jahren vereinbarte Dauer des Kreditvertrages" im Sinne des § 33 TP 19 Abs. 1 Z. 1 GebG vor.
Die vorliegende Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 33 TP 19 Abs. 1 GebG beträgt die Gebühr für Kreditverträge, mit welchen den Kreditnehmern die Verfügung über einen bestimmten Geldbetrag eingeräumt wird, von der vereinbarten Kreditsumme, Z. 1. wenn der Kreditnehmer über die Kreditsumme nur einmal oder während einer bis zu fünf Jahren vereinbarten Dauer des Kreditvertrages mehrmals verfügen kann 0,8 v.H.;
Z. 2 im übrigen 1,5 v.H.
Strittig ist im vorliegenden Fall eines sogenannten revolvierenden Kontokorrentkredites lediglich die "Dauer des Kreditvertrages". Der Auffassung der belangten Behörde, diese bestimme sich nach dem Zeitraum zwischen der Unterfertigung der Urkunde am und dem vereinbarten Vertragsende am , hält die Beschwerdeführerin entgegen, die Parteien des Kreditvertrages hätten - vom Urkundeninhalt abweichend - mündlich vereinbart, daß dem Kreditnehmer die Verfügung über den Geldbetrag "erst 1984" eingeräumt werde. Es sei lediglich übersehen worden, dies schriftlich festzuhalten. Das hiefür erstattete Beweisanbot habe die belangte Behörde nicht beachtet.
Unter der in § 33 TP 19 Abs. 1 Z. 1 GebG bezogenen "Dauer des Kreditvertrages" ("Laufzeit") ist beim vorliegenden revolvierenden Kontokorrentkredit jener Zeitraum zu verstehen, der mit dem vereinbarten Zeitpunkt der Einräumung der Verfügung über den Geldbetrag beginnt und mit dem vereinbarten Zeitpunkt der Beendigung dieser Verfügung ("Rückführungstermin") endet. Der letztgenannte Zeitpunkt () ist nicht strittig; ausschlaggebend für die Höhe der Gebühr ist - im Hinblick auf die Anknüpfung an eine "bis zu fünf Jahren vereinbarte Dauer des Kreditvertrages" im § 33 TP 19 Abs. 1 Z. 1 GebG - somit, ob der gebührenrechtlichen Beurteilung ein vor dem liegender Zeitpunkt der Einräumung der Verfügung über einen Geldbetrag zugrunde zu legen ist.
Nach übereinstimmender Auffassung von Lehre und Rechtsprechung ist unter einem Kreditvertrag (Krediteröffnungsvertrag) ein Vertrag sui generis zu verstehen, wodurch sich der Kreditgeber verpflichtet, dem Kreditnehmer auf dessen Verlangen Zahlungsmittel zur Verfügung zu stellen (oder eine Haftung für ihn zu übernehmen). Er ist - anders als der Darlehensvertrag - ein Konsensualvertrag; er kommt bereits mit der Leistungsvereinbarung und nicht erst mit Erbringung der vereinbarten Leistung zustande (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Slg. 5590/F; SZ 35/125; SZ 51/81; Canaris in Großkommentar HGB3III/3 Rdn 1200; Stanzl in Klang2 IV/1 707; Schinnerer-Avancini, Bankverträge3 II/1 ff). Nach dem Inhalt der strittigen Urkunde wurde mangels Vereinbarung eines abweichenden Termines oder einer aufschiebenden Bedingung die Verpflichtung des Kreditgebers, die Verfügung über den Kreditbetrag einzuräumen, bereits mit dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses begründet; dies folgt schon aus § 904 erster Satz ABGB, wonach die Erfüllung des Vertrages sogleich, nämlich ohne unnötigen Aufschub, gefordert werden kann, wenn für sie keine gewisse Zeit bestimmt worden ist. Danach ist die "Dauer des Kreditvertrages" somit vom bis zum zu berechnen; sie beträgt daher mehr als fünf Jahre.
Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, es sei der Beweis zulässig, daß die Parteien - abweichend vom Urkundeninhalt - mündlich vereinbart hätten, die Verfügung über den Geldbetrag solle dem Kreditnehmer "erst 1984" eingeräumt werden. Damit verkennt die Beschwerdeführerin, daß nach § 17 Abs. 1 erster Satz GebG das Rechtsgeschäft so, wie es beurkundet ist, der Gebühr unterliegt. Mündliche Vereinbarungen müssen daher bei der Gebührenbemessung unberücksichtigt bleiben, wenn sie nicht in den der Gebühr unterliegenden Vertrag aufgenommen worden sind (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Slg. 5982/F; Gaier, Kommentar zum Gebührengesetz2 § 17 Rdn 4; Frotz-Hügel-Popp, Kommentar zum Gebührengesetz §§ 15 bis 18 B V 1).
Gegen den eindeutigen Urkundeninhalt ist lediglich der Beweis zulässig, daß das beurkundete Rechtsgeschäft im Zeitpunkt der Urkundenerrichtung nicht (gültig) zustande gekommen ist (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Slg. 5054/F, und vom , Slg. 5671/F). Ein solcher Fall liegt jedoch hier nicht vor, weil die Frage, ob vom Urkundeninhalt abweichend mündlich vereinbart wurde, daß die Verfügung über den Geldbetrag dem Kreditnehmer nicht schon mit Vertragsabschluß, sondern zu einem danach liegenden Zeitpunkt eingeräumt werde, nicht das gültige Zustandekommen des Rechtsgeschäftes betrifft.
Die Urkunde ist auch nicht undeutlich im Sinne des § 17 Abs. 2 GebG. Die zitierte Vorschrift greift nur in jenen Fällen ein, in denen die Urkunde Aussagen enthält, die verschiedene Deutungen zulassen (vgl. Frotz-Hügel-Popp aaO, §§ 15 bis 18 B V 2 e); davon kann hier nicht die Rede sein. Ebensowenig ist die Urkunde - den Beginn der Einräumung der Verfügung betreffend - in einer die Ermittlungspflicht der Abgabenbehörde auslösenden Weise unvollständig, weil aus dem beurkundeten Inhalt schon mangels ausdrücklicher abweichender Regelung in der Urkunde der Beginn der Einräumung der Verfügung mit dem Zeitpunkt der Willenseinigung folgt.
Die von der Beschwerdeführerin behauptete, vom beurkundeten Vertragsinhalt abweichende mündliche Abrede mußte daher unberücksichtigt bleiben. Es liegt somit weder eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes noch der geltend gemachte, aus dem Unterbleiben der beantragten Ermittlungen abgeleitete Verstoß gegen Verfahrensvorschriften vor.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.