VwGH vom 24.10.2002, 2002/15/0177
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde der G Handelsgesellschaft mbH in G, vertreten durch Boller Langhammer Schubert Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Kärntner Straße 10, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IVW3-BE-3240401/003-2002, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung in Angelegenheiten der Kommunalsteuer, (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Gerasdorf, vertreten durch Dr. Horst Auer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Börsegasse 10), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.088 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde eine Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaft betreffend die Festsetzung von Kommunalsteuer und eines Säumniszuschlages "einstimmig abgelehnt".
Dagegen brachte die beschwerdeführende Gesellschaft einen Schriftsatz vom folgenden Wortlautes ein:
"Betr.: EINSPRUCH
Berufungsentscheidung Bescheid vom Sehr geehrte Damen und Herren !
Wir beziehen uns auf den uns zugegangenen o.a. Bescheid und geben Ihnen bekannt, dass sich Herr W. derzeit auf einer Geschäftsreise im Ausland befindet. Sofort nach seiner Rückkehr wird Ihnen seine Stellungnahme zugehen. Mit Bitte um Kenntnisnahme verbleiben wir mit freundlichen Grüßen (beschwerdeführende Gesellschaft(
i.V. G.H."
Die belangte Behörde wertete diesen Schriftsatz als Vorstellung und wies diese mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unzulässig zurück. In dem mit Vorstellung bekämpften Bescheid der mitbeteiligten Stadtgemeinde sei zutreffend und vollständig auf die Möglichkeit einer Vorstellung und auf die bei Erhebung einer solchen zu beachtenden Erfordernisse hingewiesen worden. Im als "Einspruch" bezeichneten Schreiben fehle ein begründeter Antrag. Innerhalb der mit endenden Frist zur Erhebung der Vorstellung sei ein begründeter Vorstellungsantrag nicht erstattet worden. Die einen begründeten Antrag nicht enthaltende, den gesetzlichen Erfordernissen sohin nicht entsprechende Vorstellung sei daher zurückzuweisen gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Stadtgemeinde erstatteten jeweils eine Gegenschrift und beantragten die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 61 Abs. 1 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000, (NÖ GO 1973) kann von demjenigen, welcher durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen, von der Zustellung des Bescheides an gerechnet, dagegen eine mit einem begründeten Antrag versehene Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erhoben werden. Ein letztinstanzlicher Bescheid eines Gemeindeorganes hat u.a. den Hinweis zu enthalten, dass eine mit einem begründeten Antrag versehene Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erhoben werden kann. Nach § 61 Abs. 2 leg. cit. gilt für das Vorstellungsverfahren u.a., dass unzulässige oder verspätete Vorstellungen von der Aufsichtsbehörde zurückzuweisen sind.
Dass der von der belangten Behörde als Vorstellung gewertete Schriftsatz keinen begründeten Antrag im Sinn des § 61 Abs. 1 NÖ GO 1973 enthielt und sohin mangelhaft war, steht außer Streit.
Die NÖ GO 1973 enthält keine Vorschriften, welche die Vorgangsweise der Vorstellungsbehörde im Falle des Fehlens des begründeten Antrages einer Vorstellung regeln.
Die beschwerdeführende Gesellschaft rügt, dass die belangte Behörde die Bestimmung des § 13 Abs. 3 AVG unberücksichtigt gelassen habe und die als Vorstellung gewertete Eingabe ohne Rückstellung zur Verbesserung als unzulässig zurückgewiesen hat.
Die Bestimmungen des AVG sind gemäß Art. II Abs. 2 lit. a Z 1 EGVG von der belangten Behörde grundsätzlich anzuwenden, worauf die beschwerdeführende Gesellschaft zutreffend hinweist. Die beschwerdeführende Gesellschaft übersieht jedoch, dass gemäß Art. II Abs. 5 EGVG u.a. in den Angelegenheiten der Abgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden die Verwaltungsverfahrensgesetze keine Anwendung finden, es sei denn, dass ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.
Mangels besonderer gesetzlicher Bestimmungen hat daher auch die Vorstellungsbehörde die NÖ AO 1977 - und nicht das AVG - anzuwenden, wenn das Verfahren vor den Gemeindebehörden Abgaben betraf (vgl. in ständiger Rechtsprechung die hg. Erkenntnisse vom , 2001/17/0187, und vom , 2001/17/0179, mwN).
Bei der im Verwaltungsverfahren in Rede stehenden Kommunalsteuer handelt es sich um eine von der Gemeinde zu erhebende Abgabe (für den Beschwerdefall: § 16 Abs. 2 des Finanzausgleichsgesetzes 1997). Dementsprechend bestimmt § 1 Abs. 2 der Niederösterreichischen Abgabenordnung 1977, LGBl. Nr. 3400, (NÖ AO 1977), dass die Bestimmungen der NÖ AO 1977 u. a. auch für das Verfahren hinsichtlich der Kommunalsteuer gelten, soweit nicht diesen Gegenstand regelnde bundesgesetzliche Vorschriften in Kraft stehen.
Die belangte Behörde hatte im vorliegenden, Abgaben betreffenden Verfahren demnach nicht das AVG, sondern die NÖ AO 1977 anzuwenden. Der von der beschwerdeführenden Gesellschaft vermisste Mängelbehebungsauftrag lässt sich sohin nicht auf den im Beschwerdefall nicht anzuwendenden § 13 Abs. 3 AVG stützen.
Die belangte Behörde hatte ihr Vorgehen im Hinblick auf das Fehlen eines begründeten Antrages in der namens der beschwerdeführenden Gesellschaft eingebrachten Vorstellung nach jenen Vorschriften zu richten, welche die NÖ AO 1977 für den Fall des Fehlens eines begründeten Berufungsantrages an die Abgabenbehörde zweiter Instanz vorsieht. Nach § 195 leg. cit. muss eine Berufung u.a. die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden (lit. c), und eine Begründung (lit. d) enthalten. Nach § 205 leg. cit. hat die Abgabenbehörde erster Instanz, wenn eine Berufung nicht den im § 195 umschriebenen Erfordernissen entspricht, dem Berufungswerber die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt. Nach § 209 Abs. 1 leg. cit. haben die Abgabenbehörden zweiter Instanz im Berufungsverfahren die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden erster Instanz auferlegt und eingeräumt sind. Diese auf das Berufungsverfahren der Abgabenbehörden bezogenen Regelungen sind - in den durch Art. 119a Abs. 5 B-VG (§ 61 NÖ GO 1973) gezogenen Grenzen - in Abgaben betreffenden Angelegenheiten von der Vorstellungsbehörde anzuwenden, weil der Begriff "Rechtsmittel" der NÖ AO 1977 im Hinblick auf § 61 NÖ GO 1973 auch die Vorstellung umfasst (vgl. in diesem Sinne auch das hg. Erkenntnis vom , 97/15/0083).
Der Vorstellungsbehörde ist es somit verwehrt, eine Vorstellung, die den in § 61 Abs. 1 NÖ GO 1973 umschriebenen Anforderungen nicht entspricht, ohne Einleitung eines Verbesserungsverfahrens im Sinne der §§ 205 und 209 NÖ AO1977 zurückzuweisen.
Die Zurückweisung der Vorstellung erfolgte somit zu Unrecht; der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gem. § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am