VwGH vom 22.04.1991, 90/15/0007

VwGH vom 22.04.1991, 90/15/0007

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Schubert und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 460/2-9/Hb-1989, betreffend Straßenverkehrsbeitrag für 1984 bis 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Zuge einer beim Beschwerdeführer Rudolf N durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung, die unter anderem die Grundlagen des Straßenverkehrsbeitrages für die Jahre 1984, 1985 und Jänner bis April 1986 zum Gegenstand hatte, traf der Prüfer unter anderem folgende Feststellungen:

Das Unternehmen des Beschwerdeführers führe Güterbeförderungen im In- und Ausland durch und verwende hiezu Sattelzugmaschinen und Sattelauflieger. Im Prüfungszeitraum habe das Unternehmen stets mehr Auflieger als Zugmaschinen besessen. Für diese sogenannten "überzähligen" Auflieger werde die Befreiungsbestimmung des § 2 Z. 9 StraBG in Anspruch genommen. Anhand der Wocheneinsatzpläne und Kontrollmitteilungen sei festgestellt worden, daß mit Zugmaschinen der Unternehmen N-France und N-Deutschland Güterbeförderungen im Inland mit "inländischen" Aufliegern durchgeführt worden seien. Eine Verrechnung für das Ziehen der "inländischen" Auflieger sei nicht erfolgt; ebenso sei keine Verrechnung für die Zurverfügungstellung von "inländischen" Aufliegern an das französische und deutsche Unternehmen erfolgt. Laut Auskunft des Beschwerdeführers lägen hier Schleppverträge vor; die Abgeltung der Kosten erfolge durch die gegenseitige Leistung. Weiters seien Güterbeförderungen im Inland mit eigenen Aufliegern durch Subfrächter sowie mit Leihzugmaschinen festgestellt worden. Die "französischen" und "deutschen" Zugmaschinen, die Zugmaschinen der Subfrächter sowie die Leihzugmaschinen seien vom Beschwerdeführer nicht in die Vergleichsrechnung nach § 2 Z. 9 StraBG einbezogen worden.

Von diesem Sachverhalt ausgehend vertrat der Prüfer die Auffassung, bei der nach § 2 Z. 9 StraBG vorzunehmenden Vergleichsrechnung könnten Anhänger bzw. Auflieger, mit welchen eine andere Person (ein anderer Zulassungsbesitzer) als der in § 2 Z. 9 StraBG genannte Beitragsschuldner Güterbeförderungen durchführe, nicht ausgeschieden werden.

Das Finanzamt erließ dieser Auffassung des Prüfers folgende Abgabenbescheide.

Mit der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer im wesentlichen geltend, die Bescheide verstießen gegen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit. Als Begründung werde das Straßenverkehrsbeitragsgesetz in der Fassung des BGBl. Nr. 409/1988, das am in Kraft getreten sei, angegeben. In der bis dahin geltenden Fassung seien jedoch Anhänger, soweit deren Anzahl die der ziehenden beitragspflichtigen Fahrzeuge desselben Beitragsschuldners übersteige, eindeutig beitragsfrei. Erst ab Inkrafttreten der novellierten Fassung werde diese Befreiung insofern eingeschränkt, als Anhänger, die von einem Fahrzeug eines anderen Beitragsschuldners gezogen werden, von der Befreiung auszuscheiden seien. Die Vorgangsweise des Finanzamtes stelle somit eine auf Zeiträume vor dem rückwirkende Anwendung einer Gesetzesfassung dar, die erst am in Kraft getreten sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Begründend führte sie im wesentlichen aus, die Befreiungsbestimmung des § 2 Z. 9 StraBG solle dem Umstand Rechnung tragen, daß ein ziehendes Fahrzeug jeweils nur mit einem Anhänger Beförderungen durchführen könne. Der Gesetzgeber habe sich hiebei von dem Gedanken leiten lassen, daß - vergleichbar mit der Verwendung von Wechselkennzeichen - die jeweils überzähligen Anhänger de facto nicht am Transportgeschehen teilnehmen könnten. Die Befreiung könne daher nicht greifen, wenn diese Voraussetzung nicht zutreffe, weil alle Anhänger gleichzeitig zur Güterbeförderung verwendet würden. In diesem Zusammenhang sei weiters darauf hinzuweisen, daß die sogenannten "überzähligen Anhänger" an sich nicht beitragsfrei seien. Dies folge schon aus der grundlegenden Bestimmung des § 1 Abs. 1 StraBG, der zufolge nicht bestimmte Fahrzeuge Gegenstand des Straßenverkehrsbeitrages seien, sondern die Beförderung von Gütern. Damit konform sei § 2 leg. cit., der nicht von steuerbefreiten Kraftfahrzeugen, sondern von Beförderungen, die beitragsfrei seien, spreche. Da somit nicht das Fahrzeug, sondern die Güterbeförderung Anknüpfung des Beitrages sei, könnten bei der nach § 2 Z. 9 StraBG vorzunehmenden Vergleichsrechnung Anhänger, mit welchen eine andere Person als der im § 2 Z. 9 StraBG genannte Beitragsschuldner Beförderungen durchführe - d.h. den Steuertatbestand verwirkliche - nicht berücksichtigt werden. Der durch die Novelle BGBl. Nr. 409/1988 angefügten Bestimmung, "Anhänger, die von anderen Beitragsschuldnern gezogen werden, sind aus obiger Berechnung auszuscheiden", komme somit lediglich deklarative Bedeutung zu. Von einer rückwirkenden Gesetzesanwendung könne keine Rede sein.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit seinem Beschluß vom , Zl. B 1395/89, die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 StraBG unterliegt dem Straßenverkehrsbeitrag die Beförderung von Gütern im Inland mit Fahrzeugen mit inländischem oder ausländischem Kennzeichen.

Nach § 1 Abs. 2 StraBG sind Fahrzeuge im Sinne dieses Bundesgesetzes Kraftfahrzeuge und von Kraftfahrzeugen gezogene Anhänger.

Beitragsfrei sind gemäß § 2 Z. 9 StraBG in der im Streitzeitraum geltenden Fassung Beförderungen mit Anhängern, soweit deren Anzahl die der ziehenden beitragspflichtigen Fahrzeuge desselben Beitragsschuldners übersteigt und die, bezogen auf die gesamte Anzahl der Anhänger des Beitragsschuldners, die geringere höchste zulässige Nutzlast aufweisen.

Mit der am in Kraft getretenen und somit im Beschwerdefall nicht anzuwendenden Straßenverkehrsbeitragsgesetznovelle 1988 (BGBl. Nr. 409/1988) wurde dem § 2 Z. 9 StraBG folgender Satz angefügt:

"Anhänger, die von einem Fahrzeug eines anderen Beitragsschuldners gezogen werden, sind aus obiger Berechnung auszuscheiden."

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis vom , Zl. 89/15/0107, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, zu § 2 Z. 9 StraBG in der auch im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Straßenverkehrsbeitragsgesetznovelle 1988 ausgesprochen, daß die Befreiungsvorschrift auf Beförderungen mit Anhängern und ziehenden Fahrzeugen desselben Beitragsschuldners abstellt; maßgeblich für ihre Anwendbarkeit ist somit, daß die Beförderungen durch Fahrzeugkombinationen ausgeführt werden, die aus ziehendem Fahrzeug und Anhänger desselben Beitragsschuldners bestehen. Die dieses Auslegungsergebnis ausdrücklich im Gesetz verankernde Anfügung eines zweiten Satzes an § 2 Z. 9 StraBG durch die Novelle 1988 bedeutet daher, wie auch in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (625 Blg. NR. XVII GP.) zum Ausdruck kommt, lediglich eine Klarstellung.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt somit nicht die Auffassung des Beschwerdeführers, im zeitlichen Geltungsbereich des § 2 Z. 9 StraBG in der Fassung vor der Straßenverkehrsbeitragsgesetznovelle 1988 seien die mit seinen "überzähligen" - nämlich die Anzahl seiner ziehenden Fahrzeuge übersteigenden - Anhängern ausgeführten Beförderungen ungeachtet des Umstandes beitragsfrei, daß mit den Anhängern Beförderungen mit "ziehenden Fahrzeugen" anderer Beitragsschuldner ausgeführt wurden.

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, die Vorgangsweise der belangten Behörde stelle einen massiven Bruch des Grundsatzes von Treu und Glauben dar. Er habe in den Jahren vor dem gegenständlichen Prüfungszeitraum stets die Steuerbefreiung für überzählige Anhänger gemäß § 2 Z. 9 StraBG ohne Beanstandung in Anspruch genommen.

Der Grundsatz von Treu und Glauben hat an sich auch im Abgabenverfahren Geltung. Er besteht jedoch nicht darin, ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit zu schützen. Vielmehr müssen besondere Umstände vorliegen, die ein Abgehen von der bisherigen Rechtsauffassung durch die Finanzverwaltung unbillig erscheinen lassen, wie dies z.B. der Fall sein kann, wenn ein Abgabepflichtiger von der Abgabenbehörde ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert wird und sich nachträglich die Unrichtigkeit dieser Vorgangsweise herausstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 5633/F). Derartige besondere Umstände hat der Beschwerdeführer aber nicht behauptet. Das Abgehen von der bisherigen Verwaltungsübung bedeutet jedoch keinen Verstoß gegen Treu und Glauben; vielmehr ist die Behörde nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, von einer gesetzwidrigen Verwaltungsübung, einer gesetzlich nicht gedeckten Rechtsauffassung oder einer unrichtigen Tatsachenwürdigung abzugehen, sobald sie ihr Fehlverhalten erkennt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. 6166/F).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.