VwGH vom 24.11.1995, 93/17/0382
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der Stadtgemeinde H, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. R/1-V-92269, betreffend Ergänzungsabgabe (mitbeteiligte Parteien: H und IT in H, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in N), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom wurde den mitbeteiligten Parteien die Bewilligung zur Änderung der Grundstücksgrenzen der in ihrem Miteigentum stehenden Grundstücke Nr. 195/1, 289/5, EZ 32, KG H, auf die neugeformten Bauplätze mit den Grundstücksnummern 195/1, 289/5 und 289/19 gemäß einem näher bezeichneten Teilungsplan erteilt.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom wurde den mitbeteiligten Parteien aus Anlaß dieser Bewilligung gemäß § 15 Z. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung der Niederösterreichischen Landesregierung, LGBl. 8200-0 (im folgenden: Nö BauO 1976), idF LGBl. 8200-6, eine Ergänzungsabgabe in der Höhe von S 123.776,-- vorgeschrieben. Mit Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom wurde eine dagegen von den mitbeteiligten Parteien erhobene Berufung abgewiesen. Die Behörden der beschwerdeführenden Stadtgemeinde gingen dabei von der im weiteren Verwaltungsverfahren unbestritten gebliebenen Annahme aus, daß durch die Änderung der Grundstücksgrenzen aus den bestehenden Grundstücken 195/1 im Ausmaß von 1795 m2 und 289/5 im Ausmaß von 175 m2 nunmehr die Grundstücke 195/1 im Ausmaß von 446 m2, 289/5 im Ausmaß von 768 m2 und 289/19 im Ausmaß von 756 m2 geschaffen wurden.
Begründend führte die Berufungsbehörde aus, im vorliegenden Fall seien aus zwei Bauplätzen drei Bauplätze gebildet worden. Gemäß § 15 Abs. 1 (gemeint wohl Z. 1) Nö BauO 1976 sei die Ergänzungsabgabe vorzuschreiben, wenn sich die Anzahl der Bauplätze durch die Änderung der Grundstücksgrenzen erhöhe.
Die Berufungsbehörde nahm die Berechnung der Höhe der Abgabe - im Einklang mit der erstinstanzlichen Behörde - vor, indem sie von den neugeformten Bauplätzen jeweils die Berechnungslängen (Quadratwurzel der jeweiligen Flächen) bildete, diese addierte und davon die Quadratwurzel der aus den beiden bisherigen Grundstücken gebildeten Gesamtfläche abzog.
Nach dieser Methode gestaltete sich die Berechnung unter Berücksichtigung des Bauklassenkoeffizienten von 1,25 und des Einheitssatzes von 3.100,-- wie folgt:
Quadratwurzel Quadratwurzel Quadratwurzel Quadratwurzel
aus aus aus aus
446 m2 + 768 m2 + 756 m2 - 1970 m2 =
21,1187 m1 + 27,7128 m1 + 27,4955 m1 - 44,3847 m1 =
76,3270 m1 - 44,3847 m1 =
31,9423 X 1,25 X 3.100,--
= 123.776,--
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Einer von den mitbeteiligten Parteien dagegen erhobenen - bei der beschwerdeführenden Stadtgemeinde eingebrachten - Vorstellung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid Folge, behob den Berufungsbescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Stadtgemeinde und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde. In der Begründung des Vorstellungsbescheides heißt es, die Anzahl der Bauplätze habe sich durch die bewilligte Änderung der Grundstücksgrenzen von zwei auf drei vergrößert. Die Vorschreibung der Ergänzungsabgabe durch die Berufungsbehörde sei daher dem Grunde nach zu Recht erfolgt.
Die Berechnung habe nach der in § 15 Z. 1 Nö BauO 1976 enthaltenen Formel zu erfolgen, wonach von der Summe der neuen Berechnungslänge die SUMME der damaligen Berechnungslängen abzuziehen sei. Der Differenzbetrag sei mit dem zur Zeit der Vorschreibung der Ergänzungsabgabe geltenden Bauklassenkoeffizienten und dem zur gleichen Zeit geltenden Einheitssatz zu multiplizieren. Die Berufungsbehörde habe zwar richtig die Summe der neuen Berechnungslängen gebildet, in der Folge jedoch zunächst die Flächen der bisherigen Bauplätze addiert und aus diesem Ergebnis die Quadratwurzel gezogen. Dies entspreche jedoch nicht der im Gesetz verankerten Formel. Danach wäre auch aus den von den bisherigen Bauplätzen jeweils ermittelten Berechnungslängen die Summe zu bilden gewesen.
Von der von den Gemeindebehörden richtig ermittelten Summe der Berechnungslängen der neugeformten Bauplätze von 76,3270 m sei folgender Differenzbetrag abzuziehen:
(Quadratwurzel aus 1795 m2 = 42,3674 m1) + (Quadratwurzel
aus 175 m2 = 13,2288 m1) = 55,5962 m1
Die Differenz zwischen dieser Summe und der Summe der Berechnungslängen der neugeformten Bauplätze von 76,3270 betrage 20,7308. Nach Multiplikation mit dem Bauklassenkoeffizienten und dem Einheitssatz verringere sich der Abgabenbetrag auf S 80.331,--. Durch diese Fehlberechnung seien Rechte der Vorstellungswerber verletzt, sodaß der angefochtene Bescheid aufzuheben gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, wie auch die mitbeteiligten Parteien, eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 15 Z. 1 Nö BauO 1976 in der hier anzuwendenden Fassung
LGBl. 8200-6 lautet:
"§ 15
Ergänzungsabgabe
Eine Ergänzungsabgabe ist vorzuschreiben
1. für jeden der neugeformten Bauplätze aus dem Anlaß der Änderung der Grenzen von Bauplätzen, für die bereits der Höhe nach bestimmte Aufschließungsbeiträge oder -abgaben vorgeschrieben wurden oder die nach § 2 Z. 7 lit. b oder c als solche gelten, wenn dabei deren Anzahl oder Gesamtausmaß vergrößert wird. Das gilt nicht für den Fall der Vereinigung von Grundstücken, die nach der am geltenden Rechtslage gemeinsam als ein Bauplatz gegolten haben.
Die Höhe der Ergänzungsabgabe wird wie folgt berechnet:
Von der Summe der neuen Berechnungslängen wird die Summe der damaligen Berechnungslängen abgezogen; der Differenzbetrag wird mit dem zur Zeit der Vorschreibung der Ergänzungsabgabe geltenden Bauklassenkoeffizienten und dem zur gleichen Zeit geltenden Einheitssatz multipliziert und das Produkt nach dem Verhältnis der neuen Berechnungslängen auf die neuen Bauplätze aufgeteilt;"
§ 14 Abs. 2, letzter Satz Nö BauO 1976 idF LGBl. 8200-6 definiert die Berechnungslänge als die Seite eines mit den Bauplatzflächen gleichen Quadrates (Quadratwurzel der Fläche).
Auf Basis dieser Rechtslage vermag der Verwaltungsgerichtshof jedenfalls unter Zugrundelegung der auch vom Gemeinderat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde getroffene Annahme, wonach durch die Änderung der Grundstücksgrenzen aus zwei Bauplätzen drei Bauplätze gebildet wurden, der von der belangten Behörde herangezogenen Berechnungsmethode nicht entgegenzutreten. Die Beschwerde führt dagegen auch keine konkreten Argumente an.
Die beschwerdeführende Stadtgemeinde vertritt die Auffassung, das Vorstellungsverfahren sei mangelhaft geblieben, weil ihr keine Gelegenheit gegeben worden sei, sich zur beabsichtigten Entscheidung der belangten Behörde zu äußern. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß die mitbeteiligten Parteien ihre Vorstellung bei der beschwerdeführenden Stadtgemeinde eingebracht haben, welche gemäß § 61 Abs. 2 lit. a der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung der niederösterreichischen Landesregierung, LGBl. 1000-0, verpflichtet gewesen wäre, sie ohne Aufschub unter Anschluß der Verwaltungsakten der Aufsichtsbehörde MIT EINER STELLUNGNAHME vorzulegen. Wenn es die Stadtgemeinde vorgezogen hat, Vorstellung und Verwaltungsakten ohne Stellungnahme vorzulegen, so kann sie sich in der Folge nicht auf eine Verletzung des Parteiengehörs durch die Vorstellungsbehörde berufen.
Nach Art. II Abs. 2 A Z. 1 EGVG haben die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung, also auch die belangte Behörde, grundsätzlich das AVG anzuwenden. Für die - hier vorliegende - Abgabenangelegenheit besteht hievon jedoch nach Art. II Abs. 5 EGVG eine Ausnahme. Diese gilt auch im Vorstellungsverfahren, zumal die Niederösterreichische Gemeindeordnung für das Verfahren vor der Vorstellungsbehörde zwar einzelne Anordnungen trifft, jedoch nicht regelt, welches Verfahrensgesetz im Vorstellungsverfahren grundsätzlich anzuwenden ist. Damit ist das AVG aber nicht in Angelegenheit der Abgaben (auch der Gemeindeabgaben) anzuwenden. Dies führt zu dem Ergebnis, daß mangels besonderer gesetzlicher Bestimmungen auch die Vorstellungsbehörde die Abgabenordnung, und nicht das AVG anzuwenden hatte, wenn - wie hier - das Verfahren vor der Gemeindebehörde Abgaben betraf (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 81/17/0019). Demnach hatte die Aufsichtsbehörde im Vorstellungsverfahren hier nach der auch im gemeindebehördlichen Verfahren anzuwendenden Niederösterreichischen Landesabgabeordnung 1977, LGBl. 3400-0 (im folgenden: Nö AO 1977), vorzugehen. § 148 Abs. 4 Nö AO 1977 bestimmt, daß den Parteien vor Erlassung des abschließenden Sachbescheides Gelegenheit zu geben ist, von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern. Diese Bestimmung hat die belangte Behörde jedoch nicht verletzt, weil sie keine eigenen Beweisaufnahmen gepflogen hat, sondern von den Tatsachenannahmen der Berufungsbehörde ausgegangen ist.
Im übrigen gelingt es der beschwerdeführenden Stadtgemeinde mit ihrem Vorbringen vor dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht, die Relevanz des von ihr behaupteten Verfahrensmangels darzutun. Sie bringt in diesem Zusammenhang vor, das Grundstück 289/5 habe eine Einheit mit dem denselben Eigentümern gehörenden Grundstück 195/1 gebildet, von dem es vollkommen eingeschlossen gewesen sei. Es habe an keine bestehende oder vorgesehene öffentliche Verkehrsfläche angegrenzt und sei aufgrund seiner Gestalt, Beschaffenheit und Größe nicht geeignet, ein Gebäude darauf errichten zu dürfen. Es sei in der Natur gemeinsam mit dem Grundstück 195/1 als ein Bauplatz genützt worden. Das Grundstück sei im Jahr 1972 in geringem Ausmaß mit einer auf dem Grundstück 195/1 errichteten Halle überbaut worden. Es könne daher nach der Legaldefinition des § 2 Z. 7 Nö BauO 1976 (idF LGBl. 8200-6) wieder als Bauplatz gelten. Gemäß § 15 Z. 1, letzter Satz Nö BauO 1976 sei dann keine Ergänzungsabgabe vorzuschreiben, wenn Grundstücke vereinigt werden, die nach der am geltenden Rechtslage gemeinsam als ein Bauplatz gegolten haben. Dies treffe auf das Grundstück 289/5 zu. Auf den nicht abgabenanspruchsauslösenden Tatbestand der Vereinigung der Grundstücke 195/1 und 289/5 zu einem Bauplatz sei eine Teilung auf drei Bauplätze erfolgt, weshalb die Berechnung der Ergänzungsabgabe durch den Gemeinderat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde gesetzeskonform erfolgt sei.
Diesen Ausführungen ist wie folgt zu entgegnen:
§ 2 Z. 7 Nö BauO 1976 in der Fassung LGBl. 8200-1 lautete:
"7. Bauplatz: Ein an eine bestehende oder vorgesehene öffentliche Verkehrsfläche angrenzendes Grundstück im Bauland, welches eine solche Gestalt, Beschaffenheit und Größe hat, daß darauf Gebäude nach den Bestimmungen dieses Gesetzes und des Bebauungsplanes errichtet werden dürfen;
ein in der Katastralmappe als Baufläche (Bauarea) ausgewiesenes, bebautes Grundstück gilt mit dem an einer oder mehreren Seiten anschließenden Grundstück zusammen als ein Bauplatz, wenn dadurch die vorstehenden Voraussetzungen erfüllt werden; ..."
Durch die am in Kraft getretene Novelle LGBl. 8200-6 erhielt § 2 Z. 7 Nö BauO 1976 folgende Fassung:
"7. Bauplatz: Ein Grundstück im Bauland, das
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a) | nach § 12 hiezu erklärt wurde oder | |||||||||
b) | durch eine vor dem bewilligte Grundabteilung geschaffen wurde und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder | |||||||||
c) am mit einem baubehördlich bewilligten Gebäude bebaut ist;" |
Die beschwerdeführende Stadtgemeinde räumt selbst ein, daß das Grundstück 289/5 im Hinblick auf die teilweise Überbauung mit einer im Jahr 1972 errichteten Halle auch vor der Bewilligung der Grundabteilung der Legaldefinition des Bauplatzes im § 2 Z. 7 lit. c Nö BauO 1976 idF LGBl. Nr. 8200-6 unterstellt werden konnte. Ein Bauplatz ist auch dann als bebaut anzusehen, wenn ein Gebäude nur teilweise und mit einem verhältnismäßig kleinen Teil seines Gesamtausmaßes darauf steht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/17/0007). Damit kann es aber dahingestellt bleiben, ob das Grundstück 289/5 VOR Inkrafttreten der Novelle LGBl. 8200-6 mit dem Grundstück 195/1 einen einheitlichen Bauplatz gebildet hat. Wäre dies der Fall gewesen, so sind mit Inkrafttreten der zitierten Novelle aus einem einheitlichen Bauplatz zwei Bauplätze entstanden. Durch die Änderung der Grundstücksgrenzen, aus deren Anlaß die Ergänzungsabgabe vorgeschrieben wurde, hat sich die Zahl der Bauplätze von zwei auf drei erhöht. Damit wäre der Vorstellungsbescheid auch unter Berücksichtigung des erstmals in der Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde erstatteten Vorbringens der beschwerdeführenden Stadtgemeinde rechtmäßig.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.