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VwGH vom 28.01.2005, 2002/15/0157

VwGH vom 28.01.2005, 2002/15/0157

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz LL.M., über die Beschwerde der L GesmbH & Co KG als Rechtsnachfolgerin der L GesmbH in L, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 4021 Linz, Kudlichstraße 41-43, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , RV 442/1-10/01, betreffend Haftung für Umsatzsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz Beschwerdeführerin) schloss am mit Josef G einen Werkvertrag, wonach sich Letzterer verpflichtete, durch seine Mitarbeiter "Schlacht-, Zerlegungs-, Auslöse-, Zuschneide- und Sortierarbeiten von Schweinen, Rind- und Kalbfleisch" in dem in Österreich gelegenen Betrieb der Beschwerdeführerin durchzuführen. Im Werkvertrag ist die Adresse des Josef G mit K-Straße 62a, D- 93049 Regensburg, angegeben.

In der Folge erbrachte Josef G der Beschwerdeführerin im Zeitraum zwischen Mitte Juli 1996 und Ende April 1997 Leistungen von der Art, wie sie im Werkvertrag beschrieben sind, und legte darüber in regelmäßigen Zeitabständen Rechnungen, in welchen österreichische Umsatzsteuer ausgewiesen ist. Auf den Rechnungen ist als Adresse des Josef G einerseits die Anschrift in Regensburg und andererseits eine Anschrift in Österreich (Sattledt, M 70 oder Linz, B-Weg 63) angegeben. An der Adresse Sattledt, M 70, befindet sich das Gasthaus der Edeltraud W. Wie sich aus der Niederschrift vom ergibt, sagte Edeltraud W dem Finanzamt gegenüber aus, Josef G habe für 1 1/2 bis 2 Jahre, nämlich bis Ende Mai 1996, in ihrem Gasthaus gewohnt. Er habe vorwiegend das für ihn reservierte Zimmer Nr. 20 benutzt, welches er monatlich bezahlt habe. Er habe das Zimmer jeweils von Montag bis Freitag benutzt, über das Wochenende sei er (nach Deutschland) heimgefahren. Seine Sachen habe er über das Wochenende im Zimmer gelassen. Er habe dort ein eigenes Telefon und eine Schreibmaschine sowie einen Anrufbeantworter benutzt. Auch die Arbeiter des Josef G seien zeitweise da gewesen. Im Mai 1996 habe sie ihn wegen Beschädigungen, die seine Leute angerichtet hätten, und die geschäftsschädigend gewesen seien, "hinausgeschmissen".

Aus einem Schreiben des Marktgemeindeamtes Sattledt an das Finanzamt vom ergibt sich, dass Josef G im ersten Halbjahr 1996 an ca. 100 Tagen als Gast in Beherbergungsbetrieben gemeldet gewesen ist (zunächst Gasthaus der Edeltraud W, dann Hotel HE).

An der Adresse Linz, B-Weg 63, befand sich die Wohnung der Gerda GA. Wie sich aus der Niederschrift vom ergibt, sagte Gerda GA dem Finanzamt gegenüber aus, sie habe Josef G im Frühsommer 1996 kennen gelernt. Auf die Frage, wann sie und wann Josef G in die Wohnung B-Weg 63 eingezogen seien, sagte sie: "Im Juni 1996 ich und ab Sommer 1996 Josef G, er hat aber nicht ständig bei mir gewohnt." Im Weiteren sagte sie aus, Josef G sei nur sporadisch bei ihr gewesen, er sei am Wochenende immer nach Hause gefahren (nach Regensburg). Er habe in Deutschland zwei Söhne. Josef G habe einen Wohnungsschlüssel für ihre Wohnung gehabt. Im Februar 1997 sei sie aus der Wohnung ausgezogen, dann seien sämtliche Schlüssel an den Vermieter rückgestellt worden. Die Wohnung sei nur 50 m2 groß gewesen.

Mit Bescheid vom wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 27 Abs. 4 UStG 1994 zur Haftung heranzogen für Umsatzsteuerschulden des Josef G in Höhe von S 1,619.097,26 welche dieser der Beschwerdeführerin für die von ihm erbrachten Leistungen in Rechnung gestellt hatte. Begründet wurde die Heranziehung zur Haftung damit, dass der Abgabenschuldner Josef G in Österreich weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder eine Betriebsstätte habe, weshalb die Beschwerdeführerin als Leistungsempfängerin verpflichtet gewesen wäre, die auf die Leistungen entfallenden Umsatzsteuerbeträge einzubehalten und im Namen und für Rechnung des Josef G an das Finanzamt abzuführen.

In der Berufung gegen diesen Haftungsbescheid brachte die Beschwerdeführerin vor, die zahlreichen Mitarbeiter des Josef G seien im Betrieb der Beschwerdeführerin mit der Feinzerlegung von Fleisch für die Wurstproduktion beschäftigt gewesen. Josef G habe als Adresse auf den Rechnungen sowohl die Anschrift in Regensburg als auch die Anschrift in Sattledt bzw. Linz angegeben. Das Finanzamt Wels habe Josef G als Betriebsstättenfinanzamt eine Betriebsstättensteuernummer (Steuernummer 171/xxxx) im Juni 1996 erteilt. Die Beschwerdeführerin habe sich die Kopie der Verständigung des Finanzamtes über die Zuteilung der Steuernummer übermitteln lassen; aus dieser Verständigung ergebe sich, dass auch ein Umsatzsteuersymbol vergeben worden sei. An der Inländereigenschaft des Josef G sei daher nicht zu zweifeln gewesen. Der Beschwerdeführerin könne kein Nachteil daraus erwachsen, dass sie sich auf die Steuernummernerteilung durch das Finanzamt Wels verlassen habe und alle denkmöglichen Schritte gesetzt habe, um die Inländereigenschaft des Josef G zu überprüfen. Wenn das Finanzamt Wels eine Betriebsstättensteuernummer auch für umsatzsteuerliche Zwecke vergebe, müsse man sich darauf verlassen können, dass eine Betriebsstätte in Österreich vorliege, sodass keine Abfuhrverpflichtung nach § 27 Abs. 4 UStG gegeben sei. Erst in späterer Zeit habe die Finanzverwaltung erlassmäßig die Möglichkeit der Erteilung einer Betriebsstättenbescheinigung eingeführt; hätte es seinerzeit eine solche Möglichkeit bereits gegeben, dann hätte das Finanzamt Wels auch für Josef G eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt. Im Übrigen sei in keiner Weise sichergestellt, dass Josef G nicht doch über eine Betriebsstätte oder den gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich verfügt habe. Er habe nicht nur bei der Beschwerdeführerin entsprechende Fleischzerlegungsarbeiten durchgeführt, sondern bei vielen anderen Betrieben in Österreich. Der gewöhnliche Aufenthalt im Sinne des § 26 Abs. 2 BAO verlange keine ununterbrochene oder ständige Anwesenheit im Inland.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab. Josef G sei im Mai 1996 aus den vom ihm benutzten Hotelzimmer in Sattledt, M 70 ausgezogen; er habe es unterlassen, diesen Umstand dem Finanzamt Wels mitzuteilen. Durch die Vergabe der Steuernummer werde keine inländische Unternehmereigenschaft im Sinne des UStG bescheinigt. Zu beachten sei im gegenständlichen Fall auch, dass der seinerzeitige steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin bereits im Juli 1996 der "Schwesterfirma" der Beschwerdeführerin mitgeteilt habe, dass seiner Ansicht nach eine Haftung und Abfuhrverpflichtung der Leistungsempfänger Platz greifen könne, da Josef G keine Bestätigung des Finanzamtes Wels vorgelegt habe, in der die Eigenschaft als inländischer Unternehmer bescheinigt werde. Obwohl die Steuernummer im Juni 1996 vergeben worden sei, sei im Werkvertrag nur die Regensburger Adresse des Josef G angeführt. Angesichts dieses Umstandes hätte die Beschwerdeführerin ein erhöhtes Maß an Sorgfalt walten lassen müssen. Dem Finanzamt sei bekannt, dass Josef G seine Leistungen auch drei weiteren Firmen in Österreich erbracht habe, die örtlich zwischen Regensburg und Linz ihren Sitz hätten. Als Anknüpfungspunkt für einen eventuellen gewöhnlichen Aufenthalt des Josef G in Österreich komme nur die Adresse in Linz, B-Weg 63, in Betracht. Gerda GA habe aber ausgesagt, dass sich Josef G nur fallweise zur Übernachtung bei ihr aufgehalten habe und an den Wochenenden immer nach Hause gefahren sei, wo seine Familie lebe. Der Vertreter des Josef G habe dem Finanzamt Wels am mitgeteilt, sein Mandant habe in Sattledt, M 70, nur ein Hotelzimmer gehabt, "welches noch im Mai 1996 aufgelöst worden sei". In Linz, B-Weg 63, sei Josef G nie wohnhaft gewesen, wiewohl diese Adresse als Postzustelladresse hätte verwendet werden sollen.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte die Beschwerdeführerin erneut vor, Josef G habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt. Die Aussage des Steuerberaters des Josef G sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich Josef G bemüht habe, die Rechnungen, die er der Beschwerdeführerin erteilt habe, dahingehend zu berichtigen, dass sie keine Umsatzsteuer ausweisen. In dem Zeitpunkt, in welchem Josef G versucht habe, seine Rechnungen zu berichtigen, habe er sich aber "schon in Insolvenz" befunden; er habe offenkundig seine Umsatzsteuerschuld gegenüber dem Finanzamt mindern wollen, aber nicht daran gedacht, diesen von der Beschwerdeführerin bereits bezahlten Betrag ihr rückzuerstatten. Die Aussage von Gerda GA, wonach Josef G an den Wochenenden zu seiner Familie nach Regensburg gefahren sei, lasse darauf schließen, dass er sich an den Werktagen überwiegend in Österreich aufgehalten habe. Dies werde auch durch die Tatsache untermauert, dass Josef G seine Leistungen bei mehreren Betrieben in Österreich erbracht habe, wobei drei weitere Unternehmen alleine in Oberösterreich bekannt seien. Gehe man davon aus, dass Josef G bei diesem Unternehmen (sowie bei der Beschwerdeführerin) einmal pro Woche anwesend sei, ergebe sich, dass er überwiegend in Österreich gewesen sei. Im Übrigen sei durch die Steuernummernvergabe des Finanzamtes Wels für die Beschwerdeführerin sichergestellt gewesen, dass Josef G eine Betriebsstätte in Österreich habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Strittig sei, ob Josef G seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt habe. § 26 Abs. 2 BAO setze für einen gewöhnlichen Aufenthalt das Vorliegen äußerer Umstände voraus, die erkennen ließen, dass der Abgabepflichtige am Aufenthaltsort oder im Aufenthaltsland nicht nur vorübergehend verweile. Die Sechsmonatsfrist des zweiten Satzes des § 26 Abs. 2 BAO sei im Beschwerdefall nicht heranzuziehen, weil dieser subsidiäre Tatbestand nur dort Bedeutung habe, wo es um die unbeschränkte Steuerpflicht gehe (insbesondere Einkommensteuer). Im Beschwerdefall sei daher maßgeblich, wo Josef G seinen "Schwergewichtsaufenthalt" gehabt habe. Unbestritten sei, dass Josef G im Streitzeitraum regelmäßig in Österreich tätig gewesen sei und beruflich zumindest freitags nach Österreich, und zwar in den Betrieb der Beschwerdeführerin, gekommen sei. Bekannt sei weiters, dass Josef G in Österreich auch für die V. GmbH in Linz und je ein Unternehmen in W und in U Fleischzerteilungsarbeiten durchgeführt habe. Weitere Auftraggeber des Josef G seien nicht bekannt. Josef G habe vorgebracht, dass er im Streitzeitraum von Regensburg aus zu den verschiedenen Betriebsstätten seiner Auftraggeber gefahren sei. Alle genannten Betriebsstätten, an welchen der Beschwerdeführer gearbeitet habe, seien von Regensburg aus über die Autobahn leicht erreichbar und könnten auch über einen Tag angefahren werden. Ein tägliches Zurückkehren nach Regensburg sei daher durchaus möglich und zumutbar. Dem Vorbringen des Josef G zufolge habe er in Österreich weder eine Betriebsstätte noch einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt. Die Adresse Linz, B-Weg 63 (Wohnung der Gerda GA) habe nur als Zustelladresse gedient. Nach den Aussagen von Gerda GA habe Josef G nur sporadisch in ihrer Mietwohnung gewohnt. Der Umstand, dass diese Wohnung nur ca. 50 m2 groß sei und von Gerda GA gemeinsam mit ihrer Tochter bewohnt worden sei, sodass Josef G kein eigener Raum zur Verfügung gestanden sei, lasse nicht auf eine regelmäßige Bewohnung durch diesen schließen. Weitere Wohn- bzw. Nächtigungsadressen des Josef G in Österreich seien hinsichtlich des relevanten Zeitraumes nicht festgestellt worden. Es könne daher der Darstellung des Josef G, dass er die Betriebsstätten seiner Auftraggeber nur regelmäßig von Regensburg aus angefahren sei, nicht entgegengetreten werden. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach Josef G seine Aussagen im Hinblick auf die versuchte Rechnungsberichtigung getroffen habe, sei entgegenzuhalten, dass sich die Aussagen des Josef G aus seiner Eingabe vom an das Finanzamt Wels ergeben, während die Versuche einer Rechnungsberichtigung erst im Oktober 1998 erfolgt seien. Der Umstand, dass Josef G der Beschwerdeführerin gegenüber verschwiegen habe, dass er in Österreich weder über Wohnsitz, Betriebsstätte noch gewöhnlichen Aufenthalt verfüge, und die Beschwerdeführerin deshalb die Umsatzsteuer an Josef G ausbezahlt habe, könne zu keiner anderen Würdigung des Sachverhaltes führen. Im Übrigen dürfe nicht übersehen werden, dass im Jahre 1996 der seinerzeitige steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin, welcher gleichzeitig der steuerlicher Vertreter ihrer "Schwesterfirma" gewesen sei, letzterer empfohlen habe, die von Josef G ausgewiesene österreichische Umsatzsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Sowohl im Werkvertrag als auch auf sämtlichen Rechnungen des Josef G scheine die Regensburger Adresse auf. Als österreichische Adresse scheine zum Teil jene des Gasthauses in Sattledt, M 70 auf, obwohl Josef G zum Zeitpunkt der Erstellung der Rechnungen dort nicht mehr gewohnt habe. Zum Teil scheine die Adresse Linz, B-Weg 63 auf, wo Josef G der nicht zu Zweifeln Anlass gebenden Aussage der Gerda GA zufolge nur zeitweise genächtigt habe. Wenn die Beschwerdeführerin meine, die Aussage der Gerda GA, wonach Josef G am Wochenende nach Hause nach Regensburg gefahren sei, sei so zu interpretieren, dass sich Josef G überwiegend in Österreich aufgehalten habe, werde dem entgegengehalten, dass Josef G immer freitags in der Betriebsstätte der Beschwerdeführerin gewesen sei und offensichtlich anschließend nach Regensburg zurückgefahren sei. Im Übrigen dürfe nicht übersehen werden, dass auch regelmäßige bzw. häufige Nächtigungen des Josef G in Linz nicht zu dessen gewöhnlichen Aufenthalt geführt hätten. Josef G habe nämlich offensichtlich seinen Familienwohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen in Regensburg gehabt, habe seinen Betrieb von Deutschland aus geführt und sei gleichzeitig auch in Deutschland tätig gewesen. Auch wenn er in Österreich zeitweilig genächtigt hat, wäre doch sein "Schwergewichtsaufenthalt" in Deutschland verblieben.

Soweit sich die Beschwerdeführerin auf die Vergabe einer Steuernummer für eine inländische Betriebsstätte des Josef G beruft, sei darauf zu verweisen, dass eine Steuernummer lediglich ein Ordnungsbegriff sei und deren Vergabe, auch unter gleichzeitiger Setzung eines Umsatzsteuersignals, nicht die inländische Unternehmereigenschaft bescheinige. Im Übrigen habe der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit Fragen des Vorsteuerabzuges wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass es auf den guten Glauben des Rechnungsempfängers betreffend die Unternehmereigenschaft des Rechnungsausstellers nicht ankomme und diesbezüglich kein Vertrauensschutz bestehe. Diese Aussagen hätten auch für die gegenständliche Problematik der Geltendmachung einer Haftung Gültigkeit. Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass im Zeitpunkt der Vergabe oder des Ansuchens um die Vergabe der Steuernummer tatsächlich eine Betriebsstätte vorhanden gewesen sei, deren Wegfall in der Folge dem Finanzamt nicht bekannt gegeben worden sei. In dem im gegenständlichen Fall relevanten Zeitraum habe jedenfalls keine Betriebsstätte in Österreich bestanden. Dass es für den Leistungsempfänger oft schwierig sei, das Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte des leistenden Unternehmers zu erkennen, sei unbestritten. Wenn nunmehr die Finanzverwaltung zur Sicherheit des Leistungsempfängers Bescheinigungen ausstelle, könne keine Spekulation darüber angestellt werden, dass, hätte es diese Verwaltungsübung bereits im Streitzeitraum gegeben, das Vorliegen einer Betriebsstätte des Josef G durch die Finanzverwaltung bescheinigt worden wäre. Im Übrigen hätte die Beschwerdeführerin wohl die Möglichkeit gehabt, einen Feststellungsbescheid über das Vorliegen einer Betriebsstätte des Josef G zu erwirken (Hinweis auf einen Fachartikel von Ritz, ÖStZ 2000/714).

Die belangte Behörde gelange somit zum Ergebnis, dass die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Haftung nach § 27 Abs. 4 UStG 1994 gegeben seien. Normzweck der Haftungsbestimmung sei die Sicherung des Besteuerungsanspruches gegenüber ausländischen Unternehmern. Im Hinblick auf dieses Risiko sei für den Leistungsempfänger besondere Vorsicht geboten. Der Umstand, dass sich die Beschwerdeführerin allein auf die Mitteilung der Vergabe einer Steuernummer verlassen habe, könne daher nicht als haftungsbefreiend angesehen werden. Zudem seien Indizien vorhanden gewesen (Anführung der Regensburger Adresse auf allen Schriftstücken), die durchaus Anlass zu Zweifeln am Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte hätten begründen können und ein höheres Ausmaß an Sorgfalt verlangt hätten. Aus diesen Gründen sei zu Recht die Haftung ausgesprochen worden und im Rahmen der Ermessensübung der Zweckmäßigkeit im Sinne des öffentlichen Interesses an der Abgabeneinbringung der Vorzug gegenüber der Billigkeit zu geben gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Nach den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde hat Josef G im dem im Beschwerdefall relevanten Zeitraum (Mitte Juli 1996 bis Ende April 1997) nur sporadisch in Österreich genächtigt (nämlich in der Wohnung der Gerda GA in Linz, B-Weg 63) und ist im Wesentlichen täglich an seinen Familienwohnsitz in Regensburg zurückgekehrt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt die behördliche Beweiswürdigung seiner Kontrolle im Umfang der Fragen, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung nicht widersprechen (vgl das hg Erkenntnis vom , 99/13/0271).

Die belange Behörde konnte ihre Sachverhaltsfeststellungen auf die Aussagen des Josef G und der Gerda GA stützen. Die Beschwerde vermag ein Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung nicht aufzuzeigen. Der Umstand, dass sich Josef G von Jänner bis Mai 1996 überwiegend in Österreich (im Gasthof der Edeltraud W) aufgehalten hat und er in dieser Zeit regelmäßig viermal pro Woche in Österreich genächtigt hat, lässt keinen zwingenden Schluss darauf zu, dass er auch noch im Zeitraum ab Mitte 1996 überwiegend in Österreich aufhältig gewesen wäre, zumal er unbestritten seit Ende Mai 1996 nicht mehr im Gasthof der Edeltraud W wohnte. Entgegen dem Beschwerdevorbringen trifft es auch nicht zu, dass aus der Aussage der Gerda GA auf eine längere Verweildauer des Josef G mit laufenden Übernachtungen in Österreich geschlossen werden muss.

Auch wenn Josef G nicht nur für die Beschwerdeführerin, sondern auch für drei weitere Unternehmen in Österreich Leistungen erbracht hat, und wenn er bei jedem seiner Kunden einen Tag pro Woche verbracht hat, um die Arbeiten seiner Dienstnehmer zu überwachen, spricht dies nicht dagegen, dass er - wie er in seinem Schreiben vom ausführt - laufend an den Familienwohnsitz in Regensburg zurückgekehrt ist.

Soweit die Beschwerdeführerin vorträgt, es sei ungewöhnlich, dass ein Steuerberater für seinen Klienten die Erteilung einer Steuernummer beim Finanzamt beantrage, wenn der Klient bereits vor Erteilung der Steuernummer seinen Wohnsitz in Österreich aufgegeben hat, ist darauf zu verweisen, dass sich aus dem Verwaltungsakt nicht ergibt, in welchem Zeitpunkt der Antrag gestellt worden ist (und ob er durch den steuerlichen Vertreter gestellt worden ist); solcherart spricht nichts dagegen, dass im Zeitpunkt der Antragstellung ein inländischer Wohnsitz (noch) gegeben gewesen sein kann.

In der Beschwerde wird auch vorgebracht, die Stellungnahme des Josef G im Schreiben vom sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass Josef G eine Berichtigung seiner Rechnungen habe vornehmen wollen. In diesem Zusammenhang unterlässt die Beschwerde aber jede Auseinandersetzung mit den Ausführungen des angefochtenen Bescheides, wonach die Bemühungen um Rechnungsberichtungen erst deutlich später im Jahr 1998 gesetzt worden seien. Im Hinblick auf die klaren Aussagen in der erwähnten schriftlichen Stellungnahme des Josef G und mangels eines entsprechenden Beweisantrages der Beschwerdeführerin war die belangte Behörde auch nicht gehalten, Josef G als Zeugen zu vernehmen.

Bei dieser Sachlage ist der belangten Behörde nicht entgegen zu treten, wenn sie in rechtlicher Hinsicht davon ausgegangen ist, dass Josef G im relevanten Zeitraum keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hatte, da die Bindungen zum ausländischen Aufenthaltsort enger waren als zum inländischen und die regelmäßigen Fahrten nach Österreich bloß zur Verrichtung der beruflichen Tätigkeit einen gewöhnlichen Aufenthalt nicht begründen (vgl Stoll, BAO-Kommentar, 337).

Mit dem Vorbringen, Josef G habe über die Wohnung der Gerda GA verfügen können, das Verhältnis von Josef G zu Gerda GA sei nicht das eines bloßen Gastes gewesen (sodass er in dieser Wohnung einen Wohnsitz gehabt habe), verstößt die Beschwerdeführerin gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu beachtende Neuerungsverbot.

Konkretes Vorbringen betreffend eine inländische Betriebsstätte des Josef G enthält die Beschwerde nicht.

Es ist sohin nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass Josef G im hier relevanten Zeitraum in Österreich Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt und Betriebsstätte nicht gehabt hat. Damit sind, da es die Beschwerdeführerin unterlassen hat, die auf die Leistungen des Josef G entfallende Umsatzsteuer einzubehalten und für ihn an das Finanzamt abzuführen, die Voraussetzungen für die Haftung nach § 27 Abs. 4 letzter Satz UStG 1994 erfüllt. Bei dieser Sachlage ergibt sich, entgegen dem Beschwerdevorbringen, die Zuständigkeit des Finanzamtes Graz-Stadt zur Erlassung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides aus § 12 AVOG, weil Josef G sein Unternehmen vom Ausland aus betrieben hat.

Die Beschwerde bekämpft schließlich die Ermessensübung der belangten Behörde.

Es trifft zu, dass die Inanspruchnahme des Haftenden im Ermessen der Behörde liegt (vgl Ritz, Abfuhrpflicht gemäß § 27 Abs. 4 UStG 1994, ÖStZ 2000/714, mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind dem Gesetzgeber von Verfassung wegen Schranken gesetzt, wenn er eine Regelung trifft, die am Steuerschuldverhältnis formal unbeteiligte Dritte zur Mitwirkung bei der Einhebung der Abgaben des eigentlichen Steuerschuldners verpflichtet. Im Erkenntnis vom , G 141 - 150/99, ÖStZB 2000/364, hat der Verfassungsgerichtshof etwa ausgesprochen, dass auch eine zwischen Steuerschuldner und Drittem bestehende Beziehung rechtlicher oder wirtschaftlicher Art es nicht von vornherein rechtfertigt, unabhängig von ihrer Qualität und ihrem Umfang, Mitwirkungspflichten jedweden Inhaltes und jedweder Intensität aufzuerlegen. Sachlich erscheint nur eine Regelung, die die Mitwirkungspflichten des Dritten ins Verhältnis setzt zu der Art und dem Umfang der zum Primärschuldner bestehenden Beziehungen. Eine Regelung, die dem Dritten erheblichen Aufwand für die Beschaffung der für eine ordnungsmäßige Steuerabfuhr erforderlichen Daten auferlegt, könne nur bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt sein.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen gelangt der Verwaltungsgerichtshof zur Auffassung, dass, wenn nicht bereits der Haftungstatbestand darauf abstellt, ob der potenziell Haftungspflichtige Kenntnis vom Eintritt der haftungsrelevanten Umstände gehabt hat oder hätte haben müssen, diese Überlegungen im Rahmen der Ermessensübung Berücksichtigung finden. Auch im gegenständlichen Fall wäre daher im Rahmen der Ermessensübung nicht bloß auf das Risiko des Haftenden zu verweisen, sondern zu berücksichtigen gewesen, ob bzw auf welche Weise sich die Beschwerdeführerin (rechtzeitig) Kenntnis davon hätte verschaffen können, dass die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 27 Abs. 4 UStG 1994 gegeben sind.

Im gegenständlichen Fall ist unbestritten, dass Josef G noch bis ca Mitte 1996 einen Wohnsitz in Österreich (Sattledt, M 70) gehabt hat. Im Hinblick auf die unbestritten umfangreiche Tätigkeit des Josef G in Österreich (Arbeitsaufwand von ca vier Tagen pro Woche in Österreich) war der Umstand, dass er seine Verhältnisse in der Folge so gestaltete, dass er im Wesentlichen täglich von Regensburg aus anreiste, nicht von vornherein naheliegend. Josef G hat in einem großen Teil seiner Rechnungen (neben der Anschrift in Regensburg) die Adresse in Sattledt, M 70, angegeben (erst die später erstellten Rechnungen weisen die Anschrift Linz, B-Weg 63, aus). Bei dieser Sachlage hat die Beschwerdeführerin, indem sie sich das Schreiben des Finanzamtes Wels vom hat vorlegen lassen, mit welchem Josef G eine Steuernummer zugeteilt worden ist und Signale für Umsatzsteuer, Dienstgeberbeitrag, Lohnsteuer und Einkommensteuer vergeben worden sind, die ihr zumutbaren Schritte betreffend Feststellung eines inländischen Anknüpfungspunktes des Unternehmens des Josef G gesetzt. Die belangte Behörde hält weitere Schritte der Beschwerdeführerin für angebracht und verweist auf den Beitrag von Ritz, ÖStZ 2000/714, in welchem dieser Autor untersucht, ob ein potenziell Haftungspflichtiger einen Feststellungsbescheid des Finanzamtes über die inländischen Anknüpfungspunkte eines ausländischen Unternehmers erwirken kann; dabei übersieht die belangte Behörde aber, dass erstmals mit diesem Literaturbeitrag aus dem Jahr 2000 in der Fachwelt Überlegungen angestellt worden sind, das Risiko der Haftung nach § 27 Abs. 4 UStG 1994 durch Feststellungsbescheide zu begrenzen, und daher von der Beschwerdeführerin eine solche Vorgangsweise nicht bereits im Jahr 1996 verlangt werden kann. Im gegenständlichen Fall ist auch von Bedeutung, dass offenkundig Josef G der Beschwerdeführerin das Schreiben des Finanzamtes vom übermittelt, ihr aber verschwiegen hat, dass er seinen österreichischen Wohnsitz mittlerweile aufgegeben hat. Da die belangten Behörde diese Umstände bei der Geltendmachung der Haftung (dem Grunde bzw. der Höhe nach) nicht hinreichend berücksichtigt hat, hat sie ihr Ermessen nicht dem Gesetz entsprechend geübt.

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II 333/2003.

Wien, am