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VwGH vom 29.09.1997, 93/17/0302

VwGH vom 29.09.1997, 93/17/0302

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde

1.) der I und 2.) des H, beide in N und vertreten durch Dr. K, Dr. E, Rechtsanwälte in W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom , Zl. II-D-1-1992, betreffend Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 1991 (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Illmitz, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in N), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bundesland Burgenland Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Partei den Beschwerdeführern für ein näher bezeichnetes Grundstück in der mitbeteiligten Gemeinde (auf dem eine Traubengroßübernahmestelle betrieben wird) gemäß §§ 10 und 11 Abs. 1 und 2 des (bgld.) Kanalabgabegesetzes - KAbG, LGBl. Nr. 41/1984, i.d.F. LGBl. Nr. 37/1990, i.V.m. der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Illmitz vom in Höhe von S 97.560,-- zuzüglich 10 % Umsatzsteuer zur Zahlung vor.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom abgewiesen. Nach der Begründung dieses Bescheides habe der Berufungsausschuß des Gemeinderates festgestellt, daß es sich beim gegenständlichen Betrieb laut Gutachten "der Bgld. Landesregierung" vom um einen Sonderbetrieb handle. Laut Verordnung des Gemeinderates vom betrage die Kanalbenützungsgebühr für den Sonderbetrieb S 97.560,-- zuzüglich 10 % Mehrwertsteuer.

Die gegen den Bescheid des Gemeinderates von den Beschwerdeführern erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom abgewiesen. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, es werde zum Einwand, die Frage des Vorliegens eines Sonderbetriebes sei nicht ausführlich geprüft bzw. dargelegt worden, bemerkt, daß gemäß § 38 AVG die Behörde berechtigt sei, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheide zugrunde zu legen. Daraus ergebe sich argumentum a maiori ad minus, daß die der Baubehörde selbst obliegende Beurteilung des Vorliegens eines Sonderbetriebes ohne besondere Formerfordernisse zu geschehen habe. Weiters stehe es einer Partei frei, für das Verfahren bedeutsame Beweise anzubieten, etwa ihren Standpunkt durch entsprechende Gutachten zu untermauern. Von dieser Möglichkeit hätten die Vorstellungswerber keinen Gebrauch gemacht. Es sei daher rechtens, daß sich der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde bei seiner Beurteilung des Vorliegens eines Sonderbetriebes auf die Ausführungen im durchaus schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Amtes des Burgenländischen Landesregierung vom gestützt habe.

Mit Beschluß vom , B 340/92-19, hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten.

Die vorliegende Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend. Ihrem gesamten Vorbringen zufolge erachten sich die Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, daß ihnen gegenüber keine Kanalbenützungsgebühr für einen "Sonderbetrieb" festgesetzt werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 15 Abs. 3 Z. 5 Finanzausgleichsgesetz 1989, BGBl. Nr. 687/1988, ermächtigte die Gemeinden, durch Beschluß der Gemeindevertretung vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten, auszuschreiben.

Mit Verordnung vom hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei von dieser Ermächtigung zur Ausschreibung einer Kanalbenützungsgebühr Gebrauch gemacht.

Nach § 2 Z. 8 dieser Verordnung beträgt die Höhe der jährlichen Kanalbenützungsgebühr für "Sonderbetriebe" (pro Betrieb) S 97.560,--.

Nach dem letzten Satz des § 2 der genannten Verordnung ist die gesetzliche Umsatzsteuer gesondert hinzuzurechnen.

Nach § 6 der Verordnung ist diese mit in Kraft getreten.

Das (bgld.) Kanalabgabegesetz - KAbG, LGBl. Nr. 41/1984, bestimmt im § 5 Abs. 2 lit. k (hinsichtlich der Berechnungsfläche für den Anschlußbeitrag):

"Sonderbetriebe:

Dies sind Betriebe oder Einrichtungen, die durch ihre Zweckbestimmung die Kanalisationsanlage in einem wesentlich höheren Maß beanspruchen, als einem nach lit. a-j und l berechneten Anschlußbeitrag entspricht. Das Ausmaß der dem Sonderbetrieb dienenden Gebäudefläche ist mit einem Bewertungsfaktor zu vervielfachen, der die durch den Betrieb verursachte Gesamtbelastung erfaßt. Für die Berechnung dieses Bewertungsfaktors sind die einwohneräquivalenten Belastungsgrundwerte (Hydraulische Belastung 0,004 l/s EGW, Organische Belastung 60 g BSB5/EGW d bzw. 100 g CSB/EGW d) heranzuziehen. Hierüber ist ein Gutachten eines Amtssachverständigen des Amtes der Burgenländischen Landesregierung einzuholen."

Das KAbG enthält im dritten Abschnitt Vorschriften über Kanalbenützungsgebühren. Die §§ 10 und 11 dieses Gesetzes - in der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 37/1990, das nach dessen Art. II Abs. 1 am in Kraft getreten ist - lauten wie folgt:

"§ 10

Allgemeines

(1) Soferne Gemeinden auf Grund bundesgesetzlicher Ermächtigung durch Verordnung des Gemeinderates Gebühren für die Benützung der Kanalisationsanlagen vorschreiben, gelten hiefür die Bestimmungen dieses Abschnittes.

(2) Dem Gemeinderat steht es frei, innerhalb der bundesgesetzlichen Ermächtigung hinsichtlich des Abgabengegenstandes, der Entstehung der Abgabenschuld, des Abgabenschuldners und der Fälligkeit von diesem Gesetz abweichende Bestimmungen zu treffen.

§ 11

Höhe der Gebühr

(1) Die Kanalbenützungsgebühren dürfen das jährliche Erfordernis für


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a)
den Betrieb und die Instandhaltung der Kanalisationsanlage,
b)
die Zinsen für Darlehen, die für die Errichtung oder die Änderung der Kanalisationsanlage aufgenommen worden sind,
c)
die Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Kanalisationsanlage entsprechenden Lebensdauer und
d)
die Bildung einer Erneuerungsrücklage von höchstens 3 vH der Errichtungskosten (§ 2 Abs. 1 und 2)
nicht übersteigen.

(2) Zu den Errichtungskosten im Sinne des Abs. 1 lit. c zählen nicht


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a)
die der Gemeinde für die Errichtung oder Änderung der Kanalisationsanlage gewährten Zuschüsse, die nicht zurückzuzahlen sind, und
b)
der durch Kanalisationsbeiträge (§ 2 Abs. 1) gedeckte Teil der Errichtungskosten.

(3) Der Abgabenanspruch entsteht mit Beginn des Monats, in dem erstmalig die Benützung der Kanalisationsanlage möglich ist.

(4) Die Kanalbenützungsgebühr ist mit ihrem Jahresbetrag festzusetzen.

(5) Die Festsetzung gemäß Abs. 4 gilt auch für die folgenden Jahre, soweit nicht infolge einer Änderung der Voraussetzungen für die Festsetzung des Jahresbetrages ein neuer Abgabenbescheid zu erlassen ist. Entsteht der Abgabenanspruch während des Jahres, ist die Kanalbenützungsgebühr für dieses Jahr nur in dem verhältnismäßigen Anteil der Jahresgebühr festzusetzen. Dasselbe gilt sinngemäß im Falle einer Veränderung der bisherigen Gebühr. Die Kanalbenützungsgebühr wird am 15. Feber, 15. Mai, 15. August und 15 November zu je einem Viertel ihres Jahresbetrages fällig."

Im Beschwerdefall stellt sich zunächst die Frage, für welches Jahr die Kanalbenützungsgebühr vorgeschrieben worden ist.

Gemäß § 11 Abs. 4 KAbG ist die Kanalbenützungsgebühr mit ihrem Jahresbetrag festzusetzen. Unter "Jahr" ist - wie sich aus § 11 Abs. 5 letzter Satz ergibt - das Kalenderjahr zu verstehen. Da gemäß § 11 Abs. 3 KAbG der Abgabenanspruch mit Beginn des Monats, in dem erstmalig die Benützung der Kanalisationsanlage möglich ist - somit regelmäßig mit Beginn des Monats Jänner -, entsteht, ist § 6 der Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom so zu verstehen, daß der Verordnungsgeber die Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 1991 festlegen wollte. Dafür spricht auch die Formulierung des § 5 der Verordnung, wonach die Kanalbenützungsgebühren zu je einem Drittel am , am und am fällig werden.

Zieht man weiters in Betracht, daß die Bescheide der Gemeindeabgabenbehörden spruchgemäß ausdrücklich auf die Verordnung vom Bezug nehmen, so ist der Verwaltungsgerichtshof - ebenso wie der Verfassungsgerichtshof im zitierten Beschluß vom - der Auffassung, daß im vorliegenden Fall - ungeachtet des Umstandes, daß die Bescheide (im Betreff) von der Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 1990 sprechen - in Wahrheit die Kanalbenützungsgebühr für 1991 (teilweise auf der Basis von 1990 entstandenen Kosten) vorgeschrieben worden ist und daher diese Vorschreibung auf die Verordnung vom gegründet werden kann.

Wenn die Beschwerdeführer vorbringen, es sei eine rechtswidrige Verordnung angewendet worden, weil die Berechnung der Kanalbenützungsgebühr gemäß § 11 Abs. 1 KAbG nicht durchführbar sei und auf Grund der Abhängigkeit vom Hundertsatz der Anschlußbeiträge eine derartige Berechnung so lange nicht möglich sei, als die Anschlußbeiträge nicht rechtskräftig festgesetzt seien, so verkennen sie die Rechtslage. Diese Beschwerdeausführungen beziehen sich nämlich offenkundig auf das KAbG in der Fassung vor der hier anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 37/1990 - § 11 Abs. 1 KAbG in der Stammfassung bestimmte, daß die Kanalbenützungsgebühr in einem Hundertsatz des Anschlußbeitrages (§ 5) unter Berücksichtigung allfälliger Ergänzungsbeiträge (§ 7) festzusetzen ist. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich deshalb auch nicht zu einer Antragstellung im Grunde des Art. 139 B-VG veranlaßt.

Die Beschwerdeführer wenden sich dagegen, daß dem angefochtenen Bescheid jede Begründung fehle, warum ihr Betrieb als "Sonderbetrieb" eingestuft worden sei. Auch sei der Hinweis im angefochtenen Bescheid auf das Nichtvorlegen von entsprechenden Gutachten aktenwidrig, weil die Beschwerdeführer sehr wohl die Beischaffung der übrigen Akten der mitbeteiligten Gemeinde betreffend das Verfahren über die Festsetzung der Anschlußbeiträge sowie die Einstufung des Betriebes der Beschwerdeführer als Sonderbetrieb, in welchem auch "diverse" Gutachten vorgelegt gewesen seien, beantragt hätten. Schließlich wäre § 38 AVG irrig interpretiert worden, weil im gegenständlichen Fall die präjudizielle Vorfrage von derselben Verwaltungsbehörde als Hauptfrage zu beantworten sei.

Was zunächst das letztgenannte Beschwerdeargument betrifft, so verkennen die Beschwerdeführer, daß die Abgabenbehörde (auch) die Frage, die von derselben Behörde, aber in einem anderen Verfahren als Hauptfrage zu entscheiden ist, als Vorfrage zu beurteilen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0028). Im Hinblick darauf, daß § 94 Abs. 1 Bgld. LAO diesbezüglich inhaltsgleich mit § 38 AVG ist, kann es dabei dahingestellt bleiben, ob sich die belangte Behörde zutreffend auf § 38 AVG berufen hat. Das Vorstellungsverfahren ist nämlich ein eigenständiges Verwaltungsverfahren vor der Aufsichtsbehörde, das keine instanzenmäßige Fortführung des Verfahrens vor den Gemeindeorganen darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/04/0196). Nur für dieses (Vorstellungs-)Verfahren gilt aber - nach der Rechtslage im Bundesland Burgenland - das AVG, weil § 87 Abs. 1 der Bgld. Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 37/1965, in der Fassung LGBl. Nr. 55/1992, lege non distinguente auch die Angelegenheiten der Abgaben miteinschließt und somit im Sinne des Art. II Abs. 5 EGVG "ausdrücklich etwas anderes" (nämlich etwas anderes als die Anwendung der Abgabenvorschriften) "bestimmt ist" (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 95/17/0248, 0249-0267, 0363-0379). Die Kanalbenützungsgebühren gemäß §§ 10 ff KAbG sind aber Gemeindeabgaben im Sinne des § 15 Abs. 3 Z. 5 FAG 1993, BGBl. Nr. 30/1993, weshalb gemäß § 1 lit. a Bgld. LAO in Angelegenheiten der Kanalbenützungsgebühren (von den Gemeindeabgabenbehörden) die Bgld. Landesabgabenordnung anzuwenden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/17/0403). Das KAbG bietet auch keine Grundlage dafür, daß die Abgabenbehörde nicht berechtigt wäre, nach § 94 Abs. 1 Bgld. LAO die Vorfrage selbst zu beurteilen.

Daß aber die Gemeindeabgabenbehörde zweiter Instanz etwa ihren Bescheid mit einem Begründungsmangel und insoweit die belangte Gemeindeaufsichtsbehörde ihrerseits den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet habe, weil sie diese dem Bescheid der Gemeindeabgabenbehörde zweiter Instanz anhaftende Rechtswidrigkeit - bei der vorfragenweisen Beurteilung des Betriebes der Beschwerdeführer als "Sonderbetrieb" - nicht aufgegriffen habe, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen. So kann aus der Begründung des zweitinstanzlichen Abgabenbescheides hinlänglich genau entnommen werden, daß sich die Behörde bei ihrer Beurteilung auf das Gutachten des Amtes der Bgld. Landesregierung vom gestützt hat. Bedenken etwa gegen die Schlüssigkeit dieses Gutachtens werden von den Beschwerdeführern gar nicht vorgebracht.

Aber auch die behauptete Aktenwidrigkeit vermag die Beschwerde nicht zum Erfolg zu führen; dies schon deshalb, weil die Beschwerdeführer es unterlassen haben, die Relevanz einer allfälligen Aktenwidrigkeit darzutun. So wird nicht einmal behauptet, daß die "diversen Gutachten" zum Schluß gekommen wären, daß es sich beim gegenständlichen Betrieb nicht um einen "Sonderbetrieb" handle.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist.