VwGH vom 22.12.2004, 2002/15/0142
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des J in L, vertreten durch Dr. Jürgen Amann und Dr. Alexander Jehle, Rechtsanwälte in 6830 Rankweil, Brisera 12a, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom , GZ. RV 1034/1-V6/00, betreffend Einkommensteuer 1995 und 1996, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betrieb eine aus zwei Teilbetrieben bestehende gewerbliche Zimmervermietung, für welche er den Gewinn nach § 4 Abs 1 EStG ermittelte.
Im Zuge einer den Zeitraum 1994 bis 1996 umfassenden Buch- und Betriebsprüfung traf der Prüfer die Feststellung, der Beschwerdeführer habe zum seinen Teilbetrieb "B Appartement" seinem Sohn übertragen (überwiegend unentgeltliche Betriebsübergabe in Anrechung auf den Erb- und Pflichtteil). Im Übergabevertrag werde die Gegenleistung des Sohnes wie folgt festgehalten: Einerseits übernehme er die Pfandschuld gegenüber der R-Bank zum mit einem Schuldstand von
2.617.828 S, anderseits übernehme er eine weitere Pfandschuld gegenüber der R-Bank (in der Folge: zweites Darlehen) ab dem , und zwar mit dem zum aushaftenden Schuldsaldo. Bis zur Übernahme des zweiten Darlehens nehme weiterhin der Beschwerdeführer die Rückzahlung laut Tilgungsplan für dieses Darlehen vor. "Der aushaftende Betrag zum beträgt ca. 1.030.000 S. Diese Schuld stellt somit notwendiges Betriebsvermögen des Übernehmers ... dar. Die vom (Beschwerdeführer) für diese Schuld bezahlten Zinsen stellen somit keine Betriebsausgaben dar." Die vom Beschwerdeführer in den Jahren 1995 und 1996 als Betriebsausgaben abgesetzten Zinsen für das zweite Darlehen von jährlich 59.200 S seien sohin nicht gewinnmindernd anzuerkennen.
Das Finanzamt erließ - nach Wiederaufnahme der Verfahren - den Prüfungsfeststellungen entsprechende Einkommensteuerbescheide für 1995 und 1996.
In der Berufung gegen diese Bescheide wird ausgeführt, im Übergabevertrag sei festgelegt worden, dass der Sohn ein Darlehen, welches unmittelbar und ausschließlich der Anschaffung bzw Herstellung des Betriebsgebäudes des übergebenen Teilbetriebes (bzw der Betriebs- und Geschäftsausstattung dieses Teilbetriebes) gedient und zum mit 2.617.828 S ausgehaftet habe, zugleich mit dem Teilbetrieb übernehme. Weiters sei vereinbart worden, dass der Sohn das zweite Darlehen, das zum mit 1,849.917 S aushaftend gewesen sei, zum zur Tilgung und Verzinsung übernehme. Aufgrund dieser Vereinbarung sei das zweite Darlehen zunächst weiterhin beim Beschwerdeführer zu bilanzieren. Bei der Aufteilung eines Unternehmens in Teilbetriebe bilde das gesamte Betriebsvermögen die Teilungsmasse. Die Teilung habe vorrangig "nach direkt zuordenbaren Aktiva und Passiva" zu erfolgen. Soweit es sich jedoch um neutrale, von vornherein keinem Teilbetrieb zurechenbare Wirtschaftsgüter handle, sei die Zuordnung zum einen oder anderen Teilbetrieb unbedenklich. Das zweite Darlehen sei eine neutrale Verbindlichkeit.
Aus der Eingabe des Beschwerdeführers an das Finanzamt vom ergibt sich, dass die beiden Darlehen 1986 und 1987 aufgenommen worden seien. Im Betrieb des Beschwerdeführers seien von 1986 bis 1994 7,799.403,42 S investiert worden, davon entfielen auf den in der Folge dem Sohn übergebenen Teilbetrieb 5,631.032,02 S. 2,168.371,40 S entfielen auf den anderen Teilbetrieb. Es wäre wirtschaftlich nicht gerechtfertigt gewesen, dem Sohn die gesamten zum aushaftenden Darlehensschulden von 4,519.917 S anzulasten.
In der mündlichen Berufungsverhandlung brachte der Beschwerdeführer vor, sein Sohn hätte, wenn er zugleich mit der Teilbetriebsübergabe beide Darlehen übernommen hätte, einen zu geringen Erbteil erhalten. Daher sei vereinbart worden, dass das zweite Darlehen noch bis Ende 1999 beim Beschwerdeführer verbleibe. Das zweite Darlehen lasse sich weder dem einen noch dem anderen Teilbetrieb direkt zuordnen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Sohn des Beschwerdeführers habe den Teilbetrieb im Wege der unentgeltlichen Betriebsübergabe nach § 6 Z 9 lit a EStG übertragen erhalten. Für die Frage der Abzugsfähigkeit der strittigen Finanzierungskosten sei das Veranlassungsprinzip maßgeblich. Werde ein fremdfinanziertes Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen entnommen, so verliere auch die zu seiner Anschaffung aufgenommene Verbindlichkeit den Charakter einer Betriebsschuld, sodass die Zinsen nicht mehr abzugsfähig seien.
Die belangte Behörde gehe davon aus, dass das zweite Darlehen der Anschaffung von Wirtschaftsgütern in jenem Teilbetrieb gedient habe, der dem Sohn des Beschwerdeführers übergeben worden sei, zumal der Beschwerdeführer auch im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung keinen geeigneten Nachweis dafür habe erbringen können, dass das zweite Darlehen auch für Investitionen im nicht übergebenen Teilbetrieb verwendet worden sei. Für die Verwendung der Mittel des zweiten Darlehens im übergebenen Teilbetrieb spreche die Übernahme der Schuld zum (mit dem aushaftenden Saldo von 1,030.000 S). Dabei sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Übernahme der Schuld einzig aus privaten Gründen nicht schon zum Zeitpunkt der Teilbetriebsübergabe () erfolgt sei. Für einen wirtschaftlichen Zusammenhang des zweiten Darlehens mit dem übergebenen Teilbetrieb spreche nach Ansicht der belangten Behörde zudem, dass es in den Jahren 1986 und 1987 aufgenommen worden sei und in diesen Jahren Investitionen im nunmehr an den Sohn übergebenen Teilbetrieb getätigt worden seien.
Da im gegenständlichen Fall der enge wirtschaftliche Zusammenhang des zweiten Darlehens mit dem übergebenen Teilbetrieb mit der Teilbetriebsübergabe verloren gehe und das Zurückbehalten des zweiten Darlehens und das Bezahlen der darauf entfallenden Schuldzinsen durch den Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Regelung der Erbansprüche (Privatsphäre) stünden, seien die für das zweite Darlehen (für Zeiträume ab der Teilbetriebsübertragung) gezahlten Zinsen mangels betrieblicher Veranlassung nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Die belangte Behörde hat die auf das zweite Darlehen ab dem Jahr 1995 entfallenden Zinsen deshalb nicht als Betriebsausgaben des Beschwerdeführers anerkannt, weil dieses Darlehen unmittelbar dem zum dem Sohn übergebenen Teilbetrieb zuzuordnen sei. Ab der unentgeltlichen Übertragung des Teilbetriebes fehle es bei den Zinsen an der Veranlassung durch den Betrieb des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer tritt in der Beschwerde der Zuordnung des zweiten Darlehens zum übergebenen Teilbetrieb entgegen. Die belangte Behörde habe es unterlassen festzustellen, welche Investitionen bzw Aufwendungen mit diesem Darlehen finanziert worden seien.
Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Beschwerdeführer, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun:
Die Feststellung eines abgabenrechtlich bedeutsamen Sachverhaltes ist in erster Linie Aufgabe der Abgabenbehörde. Der im § 119 BAO verankerten Offenlegungs- und Wahrheitspflicht und der daraus abgeleiteten Mitwirkungspflicht (§ 138 BAO) entspricht der Abgabepflichtige, wenn er die ihm auferlegten Buchführungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten erfüllt und die ihm danach zumutbaren Auskünfte erteilt. Lässt sich trotz Erfüllung all dieser Pflichten ein von der Abgabenbehörde vermuteter abgabenrechtlich relevanter Sachverhalt nicht erweisen, so kann bei der Abgabenfestsetzung auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein solcher Sachverhalt als erwiesen anzunehmen ist (vgl das hg Erkenntnis vom , 94/13/0027). Als erwiesen kann allerdings auch ein Sachverhalt gelten, der zwar nicht durch Beweismittel untermauert wird, wohl aber aus der Sicht menschlichen Erfahrungsgutes, insbesondere auch im Bereich kaufmännischer Gepflogenheiten, gegenüber allen anderen Möglichkeiten eines abgabenrechtlich relevanten Geschehnisablaufes die weitaus größere Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl nochmals das hg Erkenntnis 94/13/0027).
Dass für den von der belangten Behörde hinsichtlich der Verwendung der Geldmittel des zweiten Darlehens angenommenen Geschehensablauf eine überwiegende Wahrscheinlichkeit spreche, trifft nicht zu. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass Fremdmittel nicht nur der Bezahlung der Anschaffungs- bzw Herstellungskosten der Wirtschaftsgüter eines von mehreren Teilbetrieben dienen, sondern zum Teil auch den Wirtschaftsgütern anderer Teilbetriebe zuzuordnen sind bzw für die Finanzierung des laufenden Aufwandes Verwendung gefunden haben. Einen Sachverhalt, der solches ausschließen würde, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Es mag zutreffen, dass in den Jahren 1986/1987, als das zweite Darlehen aufgenommen worden ist, Investitionen im nunmehr dem Sohn übertragenen Teilbetrieb getätigt worden sind; dem von der belangten Behörde nicht widerlegten Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Eingabe vom zufolge ist in diesem Zeitraum aber auch in den anderen Teilbetrieb unter Heranziehung der beiden im Beschwerdefall betroffenen Darlehen investiert worden. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass bei Übertragung eines Teilbetriebes der Betriebserwerber u.a. Schulden übernimmt, die bisher nicht (ausschließlich) diesem Teilbetrieb zuzuordnen waren. Durch die Festlegung der zu übernehmenden Schulden kann nämlich der Wert des zu übertragenden Vermögens den Vorstellungen der beteiligten Parteien angepasst werden, wobei eine zeitlich der Teilbetriebsübertragung nachhinkende (aber von vornherein vereinbarte) Schuldübernahme der Feinabstimmung der Wertverhältnisse dienen kann, weil sie bewirkt, dass eine bestimmte Schuld nicht zur Gänze übernommen wird. Es trifft auch nicht zu, dass der Beschwerdeführer zur negativen Beweisführung (keine Mittelverwendung für Wirtschaftsgüter des übergebenen Teilbetriebes) verpflichtet gewesen wäre. Dies schon deshalb, weil es nicht galt, ein behauptetes, aber eher ungewöhnliches Verhalten zu beweisen.
Die Auffassung der belangten Behörde, das zweite Darlehen sei unmittelbar (ausschließlich) dem übertragenen Teilbetrieb zuzuordnen und scheide mit dem - auf eine vorweggenommene Erbfolge zurückzuführenden - Ausscheiden des Teilbetriebes aus dem Betrieb des Beschwerdeführers ebenfalls aus seinem betrieblichen Bereich aus, vermag sohin schon deshalb den angefochtenen Bescheid nicht zu tragen, weil die Sachverhaltsfeststellung, das zweite Darlehen sei dem übertragenen Teilbetrieb zuzuordnen, der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht standhält.
Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II 333/2003.
Wien, am