VwGH vom 16.04.1997, 96/12/0192
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des G in K, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst vom , Zl. 191.263/29-I/C/10B/95, betreffend Versetzung in den Ruhestand, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1939 geborene Beschwerdeführer steht als Fachinspektor im Ruhestand in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Bund; seine letzte Dienststelle war die Wirtschaftsuniversität Wien.
Mit wurde dem Beschwerdeführer nach einem ununterbrochenen einjährigen "Krankenstand" ein amtsärztliches Gutachten der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung zur Kenntnis übermittelt, aus dem sich die Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt. Gleichzeitig wurde vom Beschwerdeführer eine Einverständniserklärung zu seiner Ruhestandsversetzung mit Ablauf des eingeholt. Zuvor hatte der Beschwerdeführer - noch während seines aktiven Dienstverhältnisses - am schriftlich seine Überleitung in das "neue Besoldungsrecht" (= Funktionszulagenschema) beantragt.
Bei den Akten des Verwaltungsverfahrens befindet sich dann ein Bescheid-Entwurf, unterfertigt mit , nach dem der Beschwerdeführer mit Wirksamkeit vom gemäß § 14 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 in den Ruhestand versetzt wird. Einen Nachweis über die Erlassung (Zustellung) dieses Bescheidentwurfes vom gibt es nicht.
Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe diesen "Bescheid" über seine Ruhestandsversetzung, und zwar trotz mehrmaliger Urgenz (er legt dazu die Kopie eines Schreibens an seine Dienststelle vom vor), vorerst nicht erhalten. Erst nachdem er auf ein Schreiben des Bundesrechenamts vom , betreffend seine Ruhegenußbemessung, mitgeteilt habe, daß er noch immer nicht den Ruhestandsversetzungsbescheid erhalten habe, sei ihm ein Duplikat des "Bescheides vom " mit Rückschein-Brief am zugestellt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der primär die "Bescheiderlassung" problematisiert wird und alternativ (wegen der Rückwirkung) die Aufhebung des Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie davon ausgeht, daß der Beschwerdeführer erst mit der NACHWEISLICHEN ZUSTELLUNG des Bescheides vom , also AM 29. APRIL 1996, in den Ruhestand versetzt worden ist. Trotzdem beantragt sie kostenpflichtige Zurückweisung oder kostenpflichtige Abweisung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht darauf, nicht entgegen den Bestimmungen des BDG 1979, insbesondere dessen § 14 rückwirkend in den Ruhestand versetzt zu werden, durch unrichtige Anwendung dieser Bestimmungen in Verbindung mit den zufolge § 1 DVG anwendbaren Vorschriften über die Bescheiderlassung nach § 56 AVG und über die Zustellung nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes verletzt.
Der Beschwerdeführer wendet sich demnach - abgesehen von der formalen Problematik der Bescheiderlassung - nicht gegen seine Ruhestandsversetzung an sich, sondern nur gegen die Rückwirkung dieser Ruhestandsversetzung.
Zur Bescheiderlassung bringt der Beschwerdeführer vor, das ihm am zugestellte Bescheid-Duplikat weise bei der Beglaubigung ("F.d.R.d.A.") keine Unterschrift auf. Es handle sich daher bei der ihm zugekommenen Erledigung um keinen Bescheid.
§ 18 Abs. 4 des im Beschwerdefall gemäß § 1 Abs. 1 DVG anwendbaren AVG lautet:
"Alle schriftlichen Ausfertigungen müssen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, daß die Ausfertigung mit der nach Abs. 2 genehmigten Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt. Das Nähere wird durch Verordnung geregelt. Bei Mitteilungen gemäß Abs. 3 zweiter und dritter Satz und bei Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, genügt die Beisetzung des Namens des Genehmigenden; eine Beglaubigung durch die Kanzlei ist nicht erforderlich. Bei vervielfältigten Ausfertigungen oder in Fällen, in denen der Inhalt einer Erledigung in einer solchen technischen Weise mitgeteilt wird, die eine genaue Wiedergabe des Originals ermöglicht, ist die Unterschrift oder deren Beglaubigung auf der zu vervielfältigenden Ausfertigung oder auf dem Original anzubringen."
Im Beschwerdefall ist die Ausfertigung, von der dem Beschwerdeführer am eine Kopie zugestellt wurde, als Duplikat und mit "Form KP I/95" sowie "DVRNr."
gekennzeichnet und daher offenbar seinerzeit mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt und dann in einer solchen technischen Weise vervielfältigt worden, daß die Unterschrift des Genehmigenden am Originalakt (dessen Name scheint auf der dem Beschwerdeführer zugekommenen Ausfertigung maschinschriftlich auf) jedenfalls genügt. Dem behaupteten Mangel der Beglaubigung kommt daher im Hinblick auf § 18 Abs. 4 AVG 4. und 5. Satz keine rechtlich entscheidende Bedeutung zu. Das dem Beschwerdeführer am zugestellte Bescheidduplikat ist daher als Bescheid zu werten. Davon ausgehend kommt den in der Beschwerde weiters relevierten Zustellmängeln im Zusammenhang mit der nicht nachweisbaren Zustellung vom keine Bedeutung zu.
Zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit bringt die Beschwerde vor, ausgehend von einer Bescheidzustellung am sei der angefochtene Bescheid aber jedenfalls insoweit inhaltlich rechtswidrig, als mit ihm die Ruhestandsversetzung mit Wirksamkeit vom , also rund ein halbes Jahr rückwirkend, verfügt worden sei.
Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu.
Im Beschwerdefall liegen unbestritten die Voraussetzungen des § 236a Abs. 1 BDG 1979 idF der Nov. BGBl. Nr. 820/95 vor. Es ist daher § 14 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 idF vor der gen. Nov. anzuwenden. Auch § 14 Abs. 5 BDG 1979 ist schon deshalb in der Stammfassung anzuwenden.
Gemäß § 14 Abs. 5 BDG 1979, BGBl. Nr. 333, wird die Versetzung in den Ruhestand mit Rechtskraft des Bescheides oder dem darin festgesetzten späteren Tag wirksam.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Zl. 91/12/0167, zu § 14 BDG 1979 ausgesprochen, daß die Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand an einem vor der Rechtskraft des Bescheides liegenden Tag durch § 14 Abs. 5 BDG 1979 schon deshalb eindeutig ausgeschlossen wird, weil darin neben der Rechtskraft des Bescheides als einziger weiterer möglicher Termin ein im Bescheid selbst festgesetzter späterer Tag ausdrücklich genannt ist. Der damals angefochtene Bescheid wurde auf dieser Grundlage ohne Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen zur Gänze aufgehoben. Der Gerichtshof ging daher von der Untrennbarkeit der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung an sich mit dem verfügten Termin aus. Diese Betrachtung wird auch dadurch gestützt, daß die Dienstunfähigkeit des Beamten nach dem Gesetz grundsätzlich im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung gegeben sein muß, was aber bei einem deutlichen zeitlichen Auseinanderfallen des Zeitpunktes der Erlassung des Ruhestandsversetzungsbescheides mit dem verfügten Termin nicht ohne weiteres gewährleistet sein kann. Eine entgegenstehende Judikatur zu § 14 BDG 1979 besteht nicht.
In Ermangelung eines Zustellnachweises sowie in Übereinstimmung mit der Auffassung der belangten Behörde in der Gegenschrift und der den inhaltlichen Ausführungen in der Beschwerde zugrunde liegenden Auffassung des Beschwerdeführers geht auch der Verwaltungsgerichtshof davon aus, daß der am ausgefertigte Bescheid dem Beschwerdeführer damals nicht zugestellt worden ist und daher erst die Zustellung des "Duplikat-Bescheides" am die Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers bewirken konnte.
Aus welchem Grund die belangte Behörde vor dem Hintergrund dieser Überlegungen die Zurückweisung der Beschwerde begehrt, wenn sie selbst von einer verspäteten Zustellung des angefochtenen Bescheides und damit letztlich von einer Ruhestandsversetzung erst mit ausgeht, ist nicht einsichtig.
Der Spruch des angefochtenen Bescheides nennt als Wirksamkeitsbeginn der Ruhestandsversetzung den . Das ist aber nach den obigen Ausführungen rechtswidrig, weil danach die Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand an einem vor der Rechtskraft des Bescheides, das heißt also vorliegendenfalls vor der Zustellung, liegenden Tag ausgeschlossen ist. Ungeachtet dessen, daß der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer am zugekommen ist, kann dem - wie rechtlich bereits ausgeführt - im Hinblick auf den ausdrücklich genannten Wirksamkeitsbeginn mit nicht ein späterer Wirksamkeitsbeginn () der Ruhestandsversetzung beigemessen werden.
Der angefochtene Bescheid war daher zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Für das fortgesetzte Verfahren wird bemerkt, daß die Tatsache der Einleitung des Ruhestandsversetzungsverfahrens mit September 1995 rechtswirksam bleibt.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.