VwGH vom 15.02.1994, 90/14/0243
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde des J, der M und der Mo, alle in F, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 907/7-2/Z-1990, betreffend Einleitung von Finanzstrafverfahren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom leitete die Finanzstrafbehörde erster Instanz das Finanzstrafverfahren gegen den Erstbeschwerdeführer gemäß § 83 Abs. 1 FinStrG ein, weil der Verdacht bestehe, daß er vorsätzlich unter Verletzung seiner Pflicht zur Abgabe von wahrheitsgemäßen Abgabenerklärungen für den Zeitraum 1985 bis 1987 eine Abgabenverkürzung in Höhe von insgesamt S 480.047,-- dadurch bewirkt habe, daß er Provisionen aus seiner Tätigkeit als Versicherungsvertreter nicht erklärt habe. Der Tatverdacht gründe sich auf die Erhebungen einer abgabenbehördlichen Prüfung über den Zeitraum 1985 bis 1987 (Prüfungsbericht vom ). Eine wissentliche Tatbegehung scheine gegeben, weil der Erstbeschwerdeführer auf Grund seiner steuerlichen Erfahrung mit der Verpflichtung zur Abgabe von wahrheitsgemäßen Abgabenerklärungen vertraut sei und auch die Art der Tatbegehung, nämlich die Aufteilung von Provisionen an die Gattin (Zweitbeschwerdeführerin) und Tochter (Drittbeschwerdeführerin), darauf hinweise.
Mit Bescheiden jeweils vom leitete die Finanzstrafbehörde gegen die Zweit- und gegen die Drittbeschwerdeführerin ebenfalls das Finanzstrafverfahren ein, wobei ihnen jeweils der vorsätzliche Tatbeitrag zur Abgabenverkürzung des Erstbeschwerdeführers vorgeworfen wurde (der der Zweitbeschwerdeführerin angelastete Verkürzungsbetrag belief sich auf insgesamt S 309.271,-- für die Jahre 1985 bis 1987, der der Drittbeschwerdeführerin angelastete Betrag auf insgesamt S 171.676,-- für die Jahre 1986 und 1987).
Im erwähnten Betriebsprüfungsbericht vom beschäftigte sich der Prüfer mit der Zurechnung der Einkünfte aus Vertretertätigkeiten (TZ. 12). Der Erstbeschwerdeführer sei bis April 1986 Bilanzbuchhalter gewesen, und ab diesem Zeitpunkt beziehe er eine Berufsunfähigkeitspension. Obwohl die Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Vertretergeschäft fast ausschließlich vom Erstbeschwerdeführer durchgeführt worden seien, seien die Provisionseinnahmen großteils als Einkünfte der Zweit- bzw. Drittbeschwerdeführerin erklärt worden. Die gewählte Gestaltung, wonach der Erstbeschwerdeführer seine Tätigkeit gegenüber der Zweit- und der Drittbeschwerdeführerin in nichtselbständiger Arbeit ausgeübt habe, sei steuerlich nicht anzuerkennen. Die Höhe der Gehaltszahlungen von monatlich S 2.000,-- bzw. S 1.000,-- bei Provisionseinnahmen in Höhe von ca. S 300.000,-- jährlich halte einem Fremdvergleich keinesfalls stand. Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes seien die Unternehmerstellungen sowohl der Zweitbeschwerdeführerin (ausgenommen hinsichtlich Kfz-Versicherungen) als auch der Drittbeschwerdeführerin eindeutig zu verneinen und die Zurechnung der Einkünfte an den Erstbeschwerdeführer vorzunehmen. Die in wirtschaftlicher Betrachtungsweise gemäß § 21 BAO vorzunehmende Beurteilung habe auch dann zu erfolgen, wenn ein bedeutender außersteuerlicher Grund - Verhinderung des Ruhens der Berufsunfähigkeitspension - für die gewählte Gestaltung ausschlaggebend gewesen sein sollte.
Gegen die Einleitungsbescheide ergriffen die Beschwerdeführer jeweils das Rechtsmittel der Beschwerde. Sie machten geltend, daß ein strafrechtliches Verhalten denkunmöglich sei. Es sei im gegenständlichen Fall kein Umgehungsmotiv im Sinne des § 22 BAO nachweisbar. Soweit die Tatbestände des § 22 BAO nicht ausreichten, ein rechtliches Verhalten beiseite zu schieben, könne der durch diese Bestimmung erwartete Erfolg auch nicht über den Umweg der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des § 21 BAO erreicht werden. Das geschäftliche Verhalten zwischen dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin sei seit 15 Jahren unverändert und seitens des Finanzamtes auch bei drei bisher durchgeführten Betriebsprüfungen bestätigt worden. Jetzt, anläßlich der letzten Betriebsprüfung, ein strafbares Verhalten in Form einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung vorzuwerfen, gehe eindeutig zu weit und stelle reine Willkür der Behörde dar. Ähnliches gelte für die Geschäftsbeziehung des Erstbeschwerdeführers zur Drittbeschwerdeführerin, bei deren Veranlagung für 1987 das Finanzamt ein umfangreiches Vorhalteverfahren durchgeführt und nach dessen Abschluß die Einkünfte trotzdem der Drittbeschwerdeführerin zugerechnet habe. Im übrigen habe der Erstbeschwerdeführer gegen die Steuerbescheide das Rechtsmittel der Berufung ergriffen, sodaß die diesbezüglichen Bescheide noch nicht rechtskräftig seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerden als unbegründet ab. Für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens genüge es, wenn ein hinreichender Verdacht bestehe. Auf Grund des von der Betriebsprüfung festgestellten Sachverhaltes sei davon auszugehen, daß die Dienstverhältnisse des Erstbeschwerdeführers zur Zweit- bzw. Drittbeschwerdeführerin nicht ernst gemeint gewesen seien, sondern der Erstbeschwerdeführer selbst unternehmerisch tätig gewesen sei. Da der Beschwerdeführer diese Einkünfte nicht erklärt habe, bestehe der Verdacht auf Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungspflicht und Erfüllung der objektiven Tatseite des Tatbestandes der Abgabenhinterziehung zu Recht. In gleicher Weise sei auch der Verdacht begründet, daß die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin durch das Erklären der dem Erstbeschwerdeführer zuzurechnenden Provisionen einen Beitrag zu der von letzterem bewirkten Abgabenverkürzung geleistet hätten. Auf Grund der langjährigen Berufspraxis des Erstbeschwerdeführers als Bilanzbuchhalter liege auch der Verdacht nahe, daß dieser die Vertragsverhältnisse mit der Zweitbeschwerdeführerin bzw. der Drittbeschwerdeführerin bewußt so gestaltet habe, daß er den größten Nutzen in bezug auf steuerliche und pensionsrechtliche Auswirkungen habe realisieren können. Diese Annahme werde auch dadurch gestützt, daß bei gleichbleibenden Gesamtprovisionen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im Ausmaß von rund S 400.000,-- pro Jahr, der Anteil den der Erstbeschwerdeführer erklärt habe, in den Jahren 1983 bis 1985 zwischen einem Drittel bis rund die Hälfte betragen habe, während er ab 1986 (im April sei die Pensionierung des Erstbeschwerdeführers erfolgt) auf 20 bzw. 14 und 15 % gesunken und im selben Verhältnis bei der Zweitbeschwerdeführerin angestiegen sei. Eine zumindest bedingt vorsätzliche Handlungsweise könne daher angenommen werden. Das gleiche gelte für die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin, da die Erklärungen der drei Beschwerdeführer untereinander abgestimmt worden seien. Die Rechtskraft der Abgabenbescheide sei nicht erforderlich, um den Verdacht der Behörde zu begründen. Ob der Verdacht zur Überzeugung führen werde, die zur Last gelegten Finanzvergehen seien tatsächlich begangen worden, sei dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens und dem Straferkenntnis vorbehalten, wobei sicherlich das Ergebnis des Abgabenverfahrens maßgeblichen Einfluß haben werde. Dem Vorbringen, daß dem Finanzamt die geschäftlichen Verhältnisse bereits jahrelang bekannt gewesen seien, müsse entgegengehalten werden, daß eben doch ab der Pensionierung des Erstbeschwerdeführers eine Änderung eingetreten sei und zudem die Zurechnung der Provisionen noch nie Gegenstand eines näheren Untersuchungsverfahrens durch die Finanzbehörde gewesen sei. Außerdem schließe die Tatsache, daß das Finanzamt bislang einen rechtswidrigen Umstand nicht aufgegriffen habe, nicht aus, daß sich der Beschwerdeführer seiner wahrheitswidrigen Erklärungen bewußt gewesen sei.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Für die Einleitung eines Strafverfahrens genügt es, wenn gegen den Verdächtigen genügend Verdachtsmomente vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß er als Täter eines Finanzvergehens in Frage kommt. Ein Verdacht - der mehr ist als eine bloße Vermutung - besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. Es genügt die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann. Es geht bei der Prüfung, ob tatsächlich genügend Verdachtsgründe im Sinne des § 82 Abs. 1 FinStrG für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind, nicht darum, schon jetzt die Ergebnisse des förmlichen Finanzstrafverfahrens gleichsam vorwegzunehmen, sondern lediglich darum, ob die bisher der Finanzstrafbehörde bekannt gewordenen Umstände für einen Verdacht ausreichen oder nicht. Ob der Verdächtige die ihm zur Last gelegten Finanzvergehen tatsächlich begangen hat, ist jedenfalls dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens nach den §§ 114 ff FinStrG vorbehalten (siehe aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes z.B. die Erkenntnisse vom , 90/14/0207, und vom , 91/16/0099). Es kommt auch nicht darauf an, ob im Zeitpunkt des Einleitungsbeschlusses die ergangenen Abgabenbescheide bereits rechtskräftig sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 92/13/0275).
Die belangte Behörde ging bei ihrer Beurteilung davon aus, daß die strittigen Einkünfte aus Vertretertätigkeit steuerrechtlich zur Gänze dem Erstbeschwerdeführer zuzurechnen seien. Durch die Abgabe dieser Einkünftezurechnung widersprechender Steuererklärungen bestehe der Verdacht, daß der Erstbeschwerdeführer das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung als unmittelbarer Täter, die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin als Beteiligungstäter nach § 11 FinStrG begangen hätten. Diese Annahmen erweisen sich auf Grund des festgestellten Sachverhaltes von vornherein nicht als unschlüssig. Vor allem spricht dafür das Ausüben der Vertretertätigkeit im wesentlichen durch den Erstbeschwerdeführer, nur geringfügige, einem Fremdvergleich offenbar nicht standhaltende Entlohnungen seitens der Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen, das Absinken der durch den Erstbeschwerdeführer erklärten Provisionseinnahmen nach seiner Pensionierung und die übereinstimmenden Steuererklärungen der Beschwerdeführer.
In der Beschwerde wird vorgebracht, daß die Einkünftezurechnung schon grundsätzlich auf Grund der steuerrechtlichen Bestimmungen nicht an den Erstbeschwerdeführer hätte erfolgen dürfen, weil die gewählte Gestaltung keine Umgehungshandlung im Sinne des § 22 BAO darstelle. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Frage der Einkünftezurechnung in erster Linie nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden ist (vgl. Quantschnigg-Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, Tz. 46 zu § 2 EStG) und Mißbrauchsüberlegungen im Sinne des § 22 BAO dabei keine Bedeutung zukommt. Die Beschwerdeausführungen, die offenbar darauf hinauslaufen, daß bei Vorliegen außersteuerrechtlicher (pensionsrechtlicher) Beweggründe für die erklärte Einkünfteaufteilung eine Änderung der Zurechnung seitens der Finanzbehörde nicht zulässig sei, gehen somit ins Leere; ebenso die in diesem Zusammenhang vorgebrachte Verfahrensrüge, es seien keine Feststellungen in Richtung "Umgehungsmotiv" nach § 22 BAO getroffen worden.
Inwieweit der vorgebrachten Meinung der Beschwerdeführer, ein außersteuerrechtliches Motiv rechtfertige ihre Einkünfteerklärungen, allenfalls im Rahmen der Verschuldensfrage Bedeutung zukommt, wird im Rahmen des Untersuchungsverfahrens zu klären sein. Dasselbe gilt für das weitere Beschwerdevorbringen in bezug auf Treu und Glauben (bereits in früheren Jahren stattgefundene Betriebsprüfungen, Vorhalteverfahren), wobei die belangte Behörde in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hinweist, daß das bisherige Nichtaufgreifen eines rechtswidrigen Umstandes nicht ausschließt, daß sich die Beschwerdeführer ihrer wahrheitswidrigen - ab 1986 zumindest teilweise geänderten - Erklärungen bewußt waren.
Im Rahmen jenes Prüfungsmaßstabes, der im Verfahren über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens maßgeblich ist, vermochte der Verwaltungsgerichtshof somit keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Einleitungsbeschlüsse zu erkennen und es war daher die Beschwerde insgesamt als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 104/1991.