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VwGH vom 15.09.1995, 93/17/0250

VwGH vom 15.09.1995, 93/17/0250

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-05/25/00064/93, betreffend Übertretung nach dem Wiener Getränkesteuergesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Nach einer im Betrieb des Beschwerdeführers durchgeführten Getränkesteuerprüfung (Niederschrift vom ) und der schriftlichen Aufforderung zur Rechtfertigung vom , mit der ihm die näher bezeichnete Verwaltungsübertretung nach § 10 Abs. 1 Getränkesteuergesetz für Wien 1971 (Wr GetrStG) zur Last gelegt wurde, erkannte der Magistrat der Bundeshauptstadt Wien den Beschwerdeführer für schuldig, er habe es bis zum unterlassen, die Getränkesteuer für die Zeit vom bis für den näher bezeichneten Betrieb in der Höhe von S 50.055,-- einzubekennen und zu entrichten. Er habe dadurch die Getränkesteuer in der Zeit vom bis mit dem Betrag von S 50.055,-- verkürzt und die Verwaltungsübertretung des § 10 Abs. 1 Wr GetrStG begangen. Über ihn werde eine Geldstrafe von S 45.100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 42 Tage) verhängt. Ferner habe er als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens S 4.510,-- zu zahlen.

Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung bestätigte die nunmehr belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung das Straferkenntnis in der Schuldfrage mit der Maßgabe, daß der Hinterziehungsbetrag statt S 50.055,-- nunmehr S 48.411,-- und die Zitierung der verletzten Verwaltungsvorschrift wie folgt zu lauten habe:

"§ 7 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. für Wien Nr. 2, in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. für Wien Nr. 73/1990".

Die Ersatzfreiheitsstrafe wurde von 42 Tagen auf 16 Tage herabgesetzt. In der Begründung heißt es zur Frage der Verjährung, die einjährige Verfolgungsverjährungsfrist und die dreijährige Strafbarkeitsverjährungsfrist des § 31 VStG würden erst ab dem Ende der angelasteten Deliktszeit, das sei der zu laufen beginnen. Diesbezüglich verkenne der Beschwerdeführer, daß der im Straferkenntnis erstgenannte Zeitraum ( bis ) nicht Deliktszeitraum, sondern Steuerzeitraum, also der Zeitraum sei, für den die Steuer geschuldet werde. Die erst nach drei Jahren eintretende Strafbarkeitsverjährung liege daher ebensowenig vor wie die Verfolgungsverjährung; letztere sei deshalb nicht eingetreten, weil die Frist durch eine rechtzeitige Verfolgungshandlung, nämlich die Aufforderung zur Rechtfertigung vom unterbrochen worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die belangte Behörde erachtet sich dem gesamten Beschwerdevorbringen nach erkennbar in ihrem Recht, nicht bestraft zu werden, verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, mit der sie beantragt, die vorliegende Beschwerde als verspätet zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen. Dabei vertritt sie die Ansicht, für die Frage der Rechtszeitigkeit der Erhebung der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof komme es bei mündlicher Verkündung des bekämpften Bescheides nicht darauf an, wann die schriftliche Ausfertigung zugestellt worden sei, sondern darauf, wann die mündliche Verkündung stattgefunden habe. Dies sei im Beschwerdefall am geschehen, weshalb die sechswöchige Beschwerdefrist am geendet habe. Die am zur Post gegebene Beschwerde erweise sich daher als verspätet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß dem nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 67g AVG ist im Verfahren vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten der Bescheid stets öffentlich zu verkünden. Überdies ist allen Parteien eine schriftliche Ausfertigung zuzustellen. Wenn keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, dann kann von der öffentlichen Verkündung des Bescheides Abstand genommen werden, wenn die Einsichtnahme in den Bescheid jedermann gewährleistet ist.

Gemäß § 26 Abs. Z. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß Art. 131 B-VG sechs Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer BLOß mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung.

Die Beschwerdefrist nach § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG beginnt somit in den Fällen, in denen der Bescheid bloß verkündet wird und die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung in der Folge nicht vorgesehen ist, schon mit dem Tag der Verkündung der Entscheidung. In den Fällen, in denen den Parteien von Gesetzes wegen nach mündlicher Verkündung auch eine schriftliche Ausfertigung zuzustellen ist, wird der Bescheid nicht BLOß verkündet, sodaß die Beschwerdefrist nach § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG erst mit der Zustellung des Bescheides zu laufen beginnt und nicht schon mit der Verkündung (vgl. auch hg. Beschluß vom , Zl. 95/17/0007).

Demnach war die am zur Post gegebene Beschwerde gegen den am zugestellten Bescheid innerhalb der Beschwerdefrist eingebracht. Sie ist daher entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht als verspätet zurückzuweisen.

In der Sache selbst ist zunächst festzuhalten, daß der Beschwerdeführer gemäß § 7 Abs. 1 erster Satz Wr GetrStG, LGBl. Nr. 2 in der Fassung LGBl. Nr. 13/1981, die Verpflichtung hat, bis zum zehnten Tag eines jeden Monats die Steuer für die im Vormonat abgegebenen Getränke zu entrichten und bis zum 10. Feber jedes Jahres für die im Vorjahr entstandene Steuerschuld beim Magistrat eine Steuererklärung einzureichen.

Gemäß § 10 Abs. 1 Wr GetrStG, LGBl. für Wien Nr. 2 in der Fassung LGBl. Nr. 73/1990, sind Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Steuer mit einem Betrag von höchstens 300.000,-- S verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafe bis 600.000,-- S zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen. Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Steuer mit einem Betrag von mehr als 300.000,-- S fahrlässig oder vorsätzlich verkürzt wird, sind vom Gericht als Finanzvergehen mit Freiheitsstrafen bis zu neun Monaten oder mit Geldstrafen bis zum Zweifachen des Verkürzungsbetrages zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis sechs Monaten festzusetzen.

Dieser Straftatbestand ist dem Tatbild nach ein Erfolgsdelikt. Das Tatbild ist dabei auf die Herbeiführung eines Erfolges, der Verkürzung der Abgabe entweder durch ein aktives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen (unechtes Unterlassungsdelikt) abgestellt. Eine Verkürzung liegt in solchen Fällen bereits dann vor, wenn die Abgabe nicht zu den vorgesehenen Terminen - dies ist nach § 7 Abs. 1

erster Satz Wr GetrStG der zehnte Tag eines jeden Monats für den Vormonat - entrichtet wird (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/69). Mit der Verkürzung ist auch der Erfolg eingetreten, das Delikt nicht nur vollendet sondern auch beendet. Spätere nach Ablauf des vorgesehenen Termins vorgenommene Handlungen oder weiter andauernde Unterlassungen vermögen an der bereits eingetretenen Verkürzung nichts zu ändern. Ein solches Verhalten nach diesem Zeitpunkt ist auch nicht vom Tatbild erfaßt. Vielmehr sind nur die Handlungen und Unterlassungen vom Tatbild erfaßt, die in einem Kausalzusammenhang mit der Verkürzung stehen (arg.: Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Steuer .. verkürzt wird). Dies kann bei einem Verhalten nach bereits eingetretenem Erfolg nicht mehr der Fall sein. In diesem Zusammenhang wird klarstellend darauf hingewiesen, daß ein Dauerdelikt nur dann vorliegt, wenn das gesetzliche Tatbild sich nicht darin erschöpft, die Herbeiführung eines rechtswidrigen Zustandes zu pönalisieren, sondern auch die Aufrechterhaltung dieses Zustandes in das Tatbild einbezogen ist. Dies ist bei § 10 Abs. 1 Wr GetrStG nicht gegeben, sodaß ein Dauerdelikt nicht vorliegt.

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist.

Gemäß § 31 Abs. 2 VStG beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

Sind seit dem im Abs. 2 bezeichneten Zeitpunkt drei Jahre vergangen, so darf gemäß § 31 Abs. 3 erster Satz VStG ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden.

Die strafbare Tätigkeit bzw. Untätigkeit ist nach dem Tatbild spätestens mit der Verkürzung der Abgabe abgeschlossen, der Erfolg ist damit eingetreten. Die Verjährungsfrist nach § 31 Abs. 2 VStG berechnet sich daher ab diesem Zeitpunkt, nämlich der Verkürzung der Abgabe. Ein tatbildmäßiges strafbares Verhalten danach enthält der Tatbestand nicht.

Auch für den Fall der Annahme einer Scheinkonkurrenz in Form eines fortgesetzten Deliktes ändert sich nichts daran, daß bereits mit - durch die letzte vorgeworfene Verkürzung - das Delikt geendet hätte. Nachfolgende im Fortsetzungszusammenhang stehende Einzelhandlungen wurden auch nicht festgestellt. Der Zeitpunkt der Abgabenfestsetzung ist aber für die Beendigung des Deliktes ohne Aussagekraft.

Die einjährige Verfolgungsverjährung nach § 31 Abs. 2 VStG begann daher nicht erst mit der Niederschrift über das Ergebnis der abgabenrechtlichen Prüfung oder - wie die erste Instanz vermeint - dem fruchtlosen Verstreichen der Erklärungsfälligkeit für das Jahr 1990 am . Dabei wird nämlich übersehen, daß den Beschwerdeführer zwar die Pflicht trifft, bis 10. Februar jedes Jahres FÜR DIE IM VORJAHR ENTSTANDENE STEUERSCHULD eine Steuererklärung einzureichen, eine bescheidmäßige Abgabenfestsetzung für dieses Jahr ist danach jedoch gesetzlich nicht vorgesehen - sie erfolgt allenfalls im Rahmen des § 149 WAO -, sodaß die Einreichung bzw. Nichteinreichung der Jahreserklärung keine Handlung bzw. Unterlassung ist, wodurch die (bereits verkürzten) Abgaben (neuerlich) verkürzt werden könnten.

Demnach ist festzuhalten, daß für den zeitlich letzten Entrichtungszeitraum Dezember 1990 die Abgaben bereits mit verkürzt waren. Die zum Vorwurf gemachte strafbare Tätigkeit war damit bereits abgeschlossen, das strafbare Verhalten hatte damit aufgehört. Da die erste strafrechtliche Verfolgungshandlung erst mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom und somit nicht innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist nach § 31 Abs. 2 VStG erfolgte, war bereits Verfolgungsverjährung eingetreten. Durch die Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses in der Schuldfrage hat die belangte Behörde diesen Strafausschließungsgrund übersehen und den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

Die obigen Ausführungen stehen zum Teil im Widerspruch zu bisher ergangenen Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes betreffend Wiener Getränkesteuer (vgl. insbesondere Erkenntnisse vom , Zl. 86/17/0258, vom , Zl. 82/17/0114 und , Zl. 81/17/0199), die aber zum Getränkesteuergesetz in der vor der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. für Wien Nr. 73/1990 - somit zu einem anderen Gesetz - ergangen sind, sodaß die Entscheidung nicht in einem nach § 13 VwGG gebildeten Senat zu treffen war (vgl. Dolp, die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 162).

Aus den angeführten Erwägungen war der angefochtene Bescheid, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft Stempelgebührenaufwand für zur Rechtsdurchsetzung nicht erforderliche Beilagen.