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VwGH 14.03.2000, 98/18/0126

VwGH 14.03.2000, 98/18/0126

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
MRK Art8 Abs2;
RS 1
Eine Ausweisung ist gemäß § 19 FrG 1993 nur dann nicht zulässig, wenn die persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet die maßgebenden öffentlichen Interessen an der Ausweisung überwiegen (Hinweis E , 96/18/0168).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der S, (geb. ), in Wien, vertreten durch MMag. Johann Pichler, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 646/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde die Beschwerdeführerin, eine mazedonische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei 1994 sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist. Am habe sie durch ihren Gatten bei der österreichischen Botschaft in Preßburg einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt, der in beiden Instanzen ebenso abgewiesen worden sei wie jener vom . Bezüglich ihres unrechtmäßigen Aufenthalts sei die Beschwerdeführerin von der Erstbehörde rechtskräftig bestraft worden. Da sie sich somit seit 1994 unrechtmäßig in Österreich aufhalte, bestehe kein Zweifel, dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG gegeben seien. Die Rechtfertigung der Beschwerdeführerin, sie hätte nicht gewusst, dass sie die Entscheidung der Aufenthaltsbehörde im Ausland hätte abwarten müssen, gehe ins Leere, da es in ihrer Verantwortung gelegen wäre, sich über die für sie maßgebende Rechtslage zu informieren.

Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG betreffe, so sei auf Grund der Tatsache, dass sich der Ehegatte und die drei Kinder der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet aufhielten, von einem relevanten Eingriff in ihr Familienleben auszugehen. Gemäß § 19 FrG sei diese Maßnahme - möge die Beeinträchtigung des Privat- und/oder Familienlebens durch die Ausweisung noch so intensiv sein - zulässig, wenn diese zum Schutz der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Diese Regelungen seien von der Beschwerdeführerin in gravierender Weise missachtet worden. Zu ihren Ungunsten falle - abgesehen von der langen Dauer ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes "(drei Jahre)" - weiters ins Gewicht, dass sie ihren illegalen Aufenthalt ungeachtet der zweimaligen rechtskräftigen Abweisung ihrer Anträge nach dem AufG und einer rechtskräftigen Bestrafung nach dem FrG fortgesetzt habe. Die dadurch bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausweisung der Beschwerdeführerin aus dem Bundesgebiet. Bekräftigt werde dieses Abwägungsergebnis durch den Umstand, dass die Beschwerdeführerin rechtens nicht in der Lage sei, ihren Aufenthalt in Österreich von hier aus zu legalisieren. Sie könne sich auch nicht mit Erfolg auf ihre Integration berufen, da für deren Beurteilung nur der legale Aufenthalt herangezogen werden könne. Auch die familiären Bindungen erführen insofern eine Relativierung, als sich auch die drei Kinder der Beschwerdeführerin unerlaubt im Bundesgebiet aufhielten. Der Beschwerdeführerin hätte bereits zum Zeitpunkt ihrer Einreise in das Bundesgebiet bewusst sein müssen, dass sie nach Ablauf der sichtvermerksfreien Zeit nicht mit einem weiteren Aufenthalt habe rechnen können. Es würde den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen grob zuwiderlaufen, wenn ein Fremder auf diese Weise den Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer erzwingen könnte. Somit sei die Ausweisung der Beschwerdeführerin im Grunde des § 19 FrG zu Recht verfügt worden. Mit ihrem auf § 37 FrG bezogenen Vorbringen in der Berufung verkenne die Beschwerdeführerin, dass von der Behörde im Rahmen des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung nicht auf eine allfällige Gefährdungs- und/oder Bedrohungssituation des Fremden im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG Bedacht zu nehmen sei. Zur Prüfung der Frage, ob eine derartige Situation vorliege, stehe vielmehr das Verfahren gemäß § 54 FrG zur Verfügung.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zunächst ist festzuhalten, dass dem angefochtenen Bescheid nach den wiedergegebenen - unbestrittenen - Sachverhaltsfeststellungen kein Bescheid zu Grunde liegt, mit dem die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt oder mit dem der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde; die Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, kommt daher vorliegend nicht zum Tragen.

2. Die Beschwerdeführerin wendet sich nicht gegen die Auffassung der Behörde, dass sie sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Auf dem Boden der unbestrittenen diesbezüglichen Sachverhaltsfeststellungen besteht gegen diese Auffassung kein Einwand.

3.1. Nach Auffassung der Beschwerde ist indes die vorliegende Ausweisung im Grunde des § 19 FrG nicht dringend geboten. Die Beschwerdeführerin habe stark ausgeprägte private und familiäre Bindungen im Inland. Der Ehemann der Beschwerdeführerin, mit dem sie seit 1983 verheiratet sei, besitze seit 1995 eine Aufenthaltsbewilligung und verdiene als Facharbeiter S 25.000,-- pro Monat. Die drei Kinder aus der gemeinsamen Ehe im Alter zwischen acht und vierzehn Jahren besuchten seit 1994 die Schule in Wien, sie seien demgemäß in Österreich bereits seit längerem integriert und befänden sich "weiters in einem Integrationsprozess". Die Familie lebe zusammen und sei insbesondere durch Arbeit, Schule und eine gesicherte Unterkunft mit gesichertem und ausreichendem Einkommen integriert. Der mit einer Ausweisung verbundene Eingriff insbesondere in das Familienleben der Beschwerdeführerin würde eine Intensität erreichen, die es geboten erscheinen lasse, diese Ausweisung (unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/18/0180) gemäß § 19 FrG als unzulässig anzusehen. Entgegen der Behörde besteht das Wesen der Interessenabwägung nach § 19 FrG darin, dass den höherwertigen persönlichen Interessen zum Durchbruch zu verhelfen sei; wenn somit das öffentliche Interesse nicht höher zu bewerten sei als die Interessen des Privat- und Familienlebens, lägen demnach die Voraussetzungen des § 19 FrG, dass nämlich der mit der Ausweisung verbundene Eingriff zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei, nicht vor.

3.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Zwar vermag der Gerichtshof die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ihren Rechtsstandpunkt angegebene Begründung, gemäß § 19 FrG sei eine Ausweisung "- mag die Beeinträchtigung des Privat- und/oder Familienlebens durch die Ausweisung noch so intensiv sein -" zulässig, wenn sie zum Schutz der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen dringend geboten ist, nicht zu teilen, kommt es doch nach der zuletzt genannten im Verfassungsrang stehenden Bestimmung gerade darauf an, im Grunde des § 19 FrG eine Abwägung der persönlichen Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet mit den für die Ausweisung sprechenden maßgeblichen öffentlichen Interessen vorzunehmen. Von daher kann entgegen der Behörde auch nicht gesagt werden, dass bei dieser Abwägung die auf der Seite der persönlichen Interessen ins Gewicht fallende Integration des Fremden in Österreich von vornherein nicht zu berücksichtigen sei, wenn ihr ein unrechtmäßiger Aufenthalt zu Grunde liege. Ungeachtet dessen kann das Ergebnis der von der Behörde vorgenommenen Beurteilung, dass die vorliegende Ausweisung im Grunde des § 19 FrG zulässig sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die belangte Behörde hat zutreffend darauf hingewiesen, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs.2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom , Zl. 97/18/0373, mwH). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat die Beschwerdeführerin durch ihren - abgesehen von der kurzen sichtvermerksfreien Zeit zu Beginn - zur Gänze unrechtmäßigen Aufenthalt in der Dauer von etwa drei Jahren gravierend beeinträchtigt. Dazu kommt, dass die Beschwerdeführerin ihren unrechtmäßigen Aufenthalt auch nach der Abweisung ihrer Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und trotz der unbestrittenen rechtskräftigen Bestrafung wegen unerlaubten Aufenthaltes fortgesetzt hat. Ihre sicherlich beachtlichen persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet werden indes dadurch erheblich relativiert, dass deren Entfaltung auf den unberechtigten Aufenthalt der Beschwerdeführerin zurückzuführen ist, und weiters auch die drei Kinder der Beschwerdeführerin - unbestritten - über keine Aufenthaltsberechtigung in Österreich verfügen. Mit dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/18/0180, mit dem der Gerichtshof einen Ausweisungsbescheid aufhob, ist für die Beschwerde nichts gewonnen, konnte sich doch die beschwerdeführende Partei in dem diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall auf einen bereits zwanzigjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich berufen, weshalb sich dieser Fall vom Fall der Beschwerdeführerin in sachverhaltsmäßiger Hinsicht maßgeblich unterscheidet. Entgegen der Beschwerde ist schließlich eine Ausweisung gemäß § 19 FrG nur dann nicht zulässig, wenn die persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet die maßgebenden öffentlichen Interessen an der Ausweisung überwiegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/18/0168).

3.3. Auf dem Boden des Gesagten sind schließlich die Verfahrensrügen, die belangte Behörde habe in Bezug auf ihre Beurteilung nach § 19 FrG den Sachverhalt nicht hinreichend erhoben und festgestellt sowie den angefochtenen Bescheid nur mangelhaft begründet, nicht zielführend.

4. Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am

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Normen
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
MRK Art8 Abs2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2000:1998180126.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
XAAAE-51999