VwGH vom 22.12.2005, 2002/15/0077

VwGH vom 22.12.2005, 2002/15/0077

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde des O in N, vertreten durch Dr. Ulrike Grünling-Schopf, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 14, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. RV/282-17/02/2001, betreffend Mietzinsbeihilfe gemäß § 107 EStG 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Der Beschwerdeführer beantragte am unter Verwendung des amtlichen Formulars (Mzb 1) die Gewährung der Mietzinsbeihilfe ab . Er sei Hauptmieter einer Wohnung im Ausmaß von 35 Quadratmeter. Die Frage nach dem Grund der Erhöhung des Hauptmietzinses ließ er unbeantwortet. Entsprechend der angeschlossenen Mietzinsbestätigung bewohnt er als Hauptmieter zwei Wohnräume in einem näher bezeichneten Haus; der monatliche Mietzins inklusive Betriebskosten betrage S 3.500,-- . Nach dem in Fotokopie angeschlossenen Überweisungsschein erhielt er im Februar 2001 eine Nettopension von S 7.457,50.

2. Das Finanzamt wies mit Bescheid vom diesen Antrag ab. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, nach den vorgelegten Unterlagen werde für die Wohnung des Beschwerdeführers nur ein Hauptmietzins eingehoben. Die Gewährung der Mietzinsbeihilfe setze jedoch voraus, dass ein erhöhter Mietzins oder ein Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag eingehoben werde.

In der Berufung vom gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, aus seiner vorgelegten Pensionsbestätigung (S 7.457,50) und dem Zahlungsbeleg über den Mietzins (S 3.500,--) ergebe sich eine außergewöhnliche Belastung, deren Abgeltung er begehre. Mit dem Vorhalt von bürokratischen Hürden sei ihm nicht geholfen, er verlange die Zuerkennung der Mietzinsbeihilfe aus Billigkeitsgründen.

Das Finanzamt wies mit Berufungsvorentscheidung vom die Berufung als unbegründet ab, weil für die Wohnung des Beschwerdeführers nur der monatliche Mietzins inklusive Betriebskosten eingehoben werde.

Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Er führte aus, ungeachtet der von ihm vorgelegten Beweise, dass er einen Rechtsanspruch auf Gewährung der Mietzinsbeihilfe habe, werde ihm die schon vor Jahren gewährte Mietzinsbeihilfe verweigert.

Das Finanzamt übermittelte ihm daraufhin ein Formblatt mit dem Ersuchen, dies nach Ausführung durch den Hauseigentümer zu retournieren.

Der Beschwerdeführer antwortete mit Schreiben vom . Darin führte er aus, in Ergänzung seines Schreibens vom (Vorlageantrag) lege er diesem Schreiben die Ablichtung einiger Mietzinsbestätigungen Juni - September 1993, die Ablichtung einer Einkommens- und Mietzinsbestätigung für August 2001 sowie eine Ablichtung des Bescheides des Finanzamtes vom bei.

Das Finanzamt legte die Berufung der belangten Behörde vor und führte im Vorlagebericht vom u.a. aus, dem Beschwerdeführer sei in den Jahren 1993 und 1994 auf Grund einer Bestätigung seiner Hauseigentümerin über die Einbehaltung eines Erhaltungskostenbeitrages im Zeitraum bis Mietzinsbeihilfe gewährt worden.

3.1. Die belangte Behörde übermittelte der Hauseigentümerin mit Schreiben vom ein Formular mit dem Ersuchen, dies innerhalb einer bestimmten Frist ausgefüllt zu retournieren. Nach Urgenzschreiben der belangten Behörde übermittelte die Hauseigentümerin mit Schreiben vom das ihr übermittelte Formblatt "Einhebung eines Erhaltungsbeitrages".

3.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung stellte sie zunächst das Verwaltungsgeschehen dar. Im Erwägungsteil führte sie nach Gesetzeszitaten aus, den dem Antrag beigelegten Unterlagen sei zu entnehmen gewesen, dass von der Vermieterin nur ein Hauptmietzins in Höhe von S 3.500,-- eingehoben werde. Dieser Sachverhalt sei durch das von der Vermieterin an die belangte Behörde übermittelte Formblatt "Einhebung eines Erhaltungsbeitrages" insofern bestätigt worden, als die Vermieterin auf dem Formblatt mitgeteilt habe, dass der Hauptmietzins inklusive Betriebskosten S 3.500,-- betrage. Aus dem ausgefüllten Formblatt habe nicht entnommen werden können, dass von der Vermieterin zusätzlich zum Hauptmietzins ein Erhaltungsbeitrag eingehoben werde.

Eine rechtskräftige Entscheidung eines Gerichtes oder einer Gemeinde nach § 7 MG bzw. nach § 2 Zinsstoppgesetz, wonach eine Erhöhung von mehr als dem Vierfachen des Hauptmietzinses festgesetzt worden sei, sei ebenfalls nicht vorgelegt worden. Die Gewährung einer Mietzinsbeihilfe habe zur Voraussetzung, dass ein erhöhter Hauptmietzins oder ein Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag nach § 45 MRG oder § 14d Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz eingehoben werde.

Billigkeitsgründe für die Zuerkennung der Mietzinsbeihilfe seien im § 107 EStG 1988 nicht vorgesehen. Der Umstand, dass dem Beschwerdeführer vom bis Mietzinsbeihilfe gewährt worden sei, führe nicht dazu, dass allein auf Grund seines niedrigen Einkommens automatisch eine Mietzinsbeihilfe gewährt werde, wenn der Vermieter zusätzlich zum Hauptmietzins keinen Erhaltungsbeitrag einhebe.

4. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Gewährung der Mietzinsbeihilfe verletzt. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht er geltend, es sei ihm vom bis auf der Grundlage einer Bestätigung der Vermieterin über die Einhebung eines Erhaltungsbeitrages die Mietzinsbeihilfe gewährt worden. Dieser Erhaltungsbeitrag sei in dem von ihm monatlich zu bezahlenden Betrag von S 3.500,-- enthalten. Die Vermieterin habe auf dem Formblatt des Finanzamtes anlässlich seiner erstmaligen Antragstellung den von ihm zu bezahlenden Betrag aufgeschlüsselt. Eine Änderung dieser Beträge habe sich seither nicht ergeben. Das von der Vermieterin nunmehr vorgelegte Formblatt sei offensichtlich unrichtig ausgefüllt worden. Die belangte Behörde habe es unterlassen, die beiden Formblätter miteinander zu vergleichen und bei ihm - dem Beschwerdeführer - eine Berichtigung des offensichtlichen Versehens der Vermieterin zu erwirken.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 107 Abs. 1 EStG 1988 (in der für das Streitjahr 2001 geltenden Fassung nach BGBl. Nr. 818/1993) werden auf Antrag des unbeschränkt steuerpflichtigen Hauptmieters Erhöhungen des Hauptmietzinses als außergewöhnliche Belastung (§ 34) berücksichtigt, wenn sie seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Die Mietzinsbeihilfe wird nur rechtstechnisch als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 fingiert. Ob die Voraussetzungen für eine entsprechende Abgeltung vorliegen, ist ausschließlich in § 107 EStG 1988 und nicht nach den Grundsätzen des § 34 leg. cit. zu beurteilen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , VwSlg. 6974 F, und Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, § 107, Tz 2).

Im Beschwerdefall ist strittig, ob eine Erhöhung des Hauptmietzinses vorliegt.

Nach § 107 Abs. 3 lit. b EStG 1988 in der angeführten Fassung waren Erhöhungen des Hauptmietzinses Erhöhungen auf mehr als

S 4,50 je Quadratmeter der Nutzfläche


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auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichtes (einer Gemeinde) nach §§ 18, 18a, 18b, 19 Mietrechtsgesetz, BGBl. Nr. 520/1981,
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auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichtes nach § 14 Abs. 2 Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, BGBl. Nr. 139/1979,
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auf Grund eines vom Vermieter eingehobenen Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages nach § 45 Mietrechtsgesetz oder § 14d Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz.
Nach § 107 Abs. 9 Z. 1 leg. cit. ist bei Einhebung eines Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages die schriftlich ergangene Aufforderung des Vermieters vorzulegen.
Es ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer eine solche schriftliche Aufforderung des Vermieters nicht vorgelegt hat. Die belangte Behörde hat von Amts wegen die Vermieterin zur Ausfüllung eines von ihr vorgegebenen Formulares veranlasst. Dieses Formular sieht - soweit für den Beschwerdefall von Bedeutung - Folgendes vor:
"...
Zur Finanzierung der notwendig gewordenen Erhaltungsarbeiten im oben genannten Haus, ist von Ihnen als Mieter der Wohnung ... ein Erhaltungsbeitrag gemäß § 45 Mietrechtsgesetz zu entrichten, der sich wie folgt errechnet:
Nutzfläche des Mietobjektes ... m2.
Ausstattungskategorie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ...
Der § 16 Abs. 2 Mietrechtsgesetz errechnete Hauptmietzins
betrüge daher
2/3 davon vereinbart
Der bisher von Ihnen bezahlte Hauptmietzins beträgt
Dies ergibt eine Differenz von
welche nunmehr ab ... für die Zeit von ... bis ... monatlich neben dem Hauptmietzins als Erhaltungsbeitrag eingehoben wird."
Die Vermieterin des Beschwerdeführers hat in diesem Formular die Bezeichnung der Wohnung, das Ausmaß der Nutzfläche (bis 75 m2) und die Ausstattungskategorie (mit "C") vorgenommen. Dem vorgegebenen Text "der § 16 Abs. 2 Mietrechtsgesetz errechnete Hauptmietzins" hat sie handschriftlich Folgendes angefügt:
"beträgt EUR 254,35 (ATS 3.500,--) incl. BK u. Sonst.".
Die belangte Behörde hat daraus geschlossen, dass von der Vermieterin zusätzlich zum Hauptmietzins ein Erhaltungsbeitrag nicht eingehoben wird. Diese Schlussfolgerung ist nicht nachvollziehbar:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Angabe der Vermieterin über die Nutzfläche des Mietobjektes von der des Beschwerdeführers in seinem Antrag erheblich abweicht. Die Vermieterin hat darüber hinaus das ihr übermittelte Formblatt "Einhebung eines Erhaltungsbeitrages" nicht entsprechend dem Vordruck ausgefüllt, sodass die Frage, ob ein Erhaltungsbeitrag gemäß § 45 MRG eingehoben wird, nicht beantwortet wurde. Dem Vermerk der Vermieterin ("beträgt EUR 254,35 (ATS 3.500,--) incl. BK u. Sonst.") kann nicht entnommen werden, dass kein Erhaltungsbeitrag eingehoben wird. Der Vermerk enthält die Höhe des vom Beschwerdeführer zu leistenden Gesamtbetrages, eine Aufschlüsselung ist jedoch nur insofern ersichtlich, als die Betriebskosten darin enthalten sind. Was unter "Sonst." zu verstehen ist, ist unaufgeklärt geblieben. In dem der belangten Behörde vorliegenden Akt aus dem Jahre 1993 wurde davon ausgegangen, dass der vom Beschwerdeführer zu entrichtende Gesamtbetrag monatlich S 3.500,-- betrage und darin ein Erhaltungsbeitrag enthalten ist. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer in seinen Schriftsätzen nicht nur auf das dem Bescheid vom zu Grunde liegende Verfahren hingewiesen hat, sondern auch ausgeführt hat, dass sein Einkommen und die Mietzinszahlungen unverändert geblieben seien (vgl. insb. das Schreiben vom an die belangte Behörde).
Die belangte Behörde hat die Angaben der Vermieterin dem Beschwerdeführer nicht zur Stellungnahme vorgelegt. Die Gewährung des Parteiengehörs war indessen unerlässlich, weil die Angaben der Vermieterin zu denen des Beschwerdeführers im eklatanten Widerspruch stehen (Nutzfläche) und andererseits eine Beantwortung der an sie gestellten Fragen nicht erfolgte und die tatsächliche Antwort an sich unklar und vor allem im Zusammenhang mit den übrigen Beweisergebnissen (Schriftsätze des Beschwerdeführers und Akt aus dem Jahre 1993) in Widerspruch steht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die belangte Behörde bei Gewährung des Parteiengehörs zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Sie hat dadurch ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am