VwGH vom 29.04.1994, 93/17/0172

VwGH vom 29.04.1994, 93/17/0172

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des V in R, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom , Zl. II-135/2-1993, betreffend Vorschreibung einer Gebühr nach der Ruster Schmutzwasserentsorgungsgebührenverordnung vom (mitbeteiligte Partei: Freistadt Rust, 7071 Rust, Conradplatz 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Schreiben vom teilte der Magistrat der mitbeteiligten Freistadt Rust dem Beschwerdeführer folgendes mit:

"Da Sie auf den von uns im August 1990 zugesandten Erhebungsbogen nicht reagiert haben, mußten der Benützungszeitraum und der Schmutzwasseranfall Ihres Hauses geschätzt werden. Ihre Badehütte 92 wurde der nachstehenden Entsorgungskategorie zugeordnet:

Bauten und Anlagen mit einem Benützungszeitraum von Mai bis September, bei einer Behälterkapazität bis 2,5 m3 und einem durchschnittlichen Aufenthalt bis 3 Personen. ..."

Der Beschwerdeführer, dem eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme eingeräumt wurde, äußerte sich zu diesem Schreiben (dessen Zustellung allerdings nicht ausgewiesen ist) nicht.

1.2. Mit Bescheid des Magistrates der mitbeteiligten Freistadt vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 15 Abs. 3 Z. 5 FAG 1989 in Verbindung mit der Verordnung der Freistadt Rust vom (Beschluß des Gemeinderates vom ) über die Ausschreibung und Einhebung einer Gebühr für die Schmutzwasserentsorgung von Bauten oder sonstigen Anlagen in oder an Gewässern (im folgenden: Ruster SchmutzwasserentsorgungsGebV 1991) vorgeschrieben, für die Durchführung der Schmutzwasserentsorgung "Ihrer Badehütte 92" für den Zeitraum eines Jahres ab 1991 eine Schmutzwasserentsorgungsgebühr von S 2.680,-- zuzüglich 10 % Umsatzsteuer zu entrichten. Nach der Begründung dieses Bescheides hätten die Eigentümer von Bauten oder sonstigen Anlagen, die in oder an Gewässern lägen und ihre anfallenden Schmtzwässer in dichten und abflußlosen Behältern zu sammeln hätten, eine Schmutzwasserentsorgungsgebühr zu entrichten. Die zu entrichtende Gebühr betrage für Bauten und Anlagen, die unter die Bestimmungen des § 4 Abs. 2 lit. a der Schmutzwasserabfuhrordnung der Freistadt Rust vom (Gemeinderatsbeschluß vom ) fielen, jährlich S 2.680,--. Die Badehütte des Beschwerdeführers falle nach den "Feststellungen" des Magistrates der Freistadt Rust unter die Bestimmungen des § 4 Abs. 2 lit. a der genannten Schmutzwasserabfuhrordnung.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin heißt es (unter anderem): "Ich habe die Badehütte im Herbst 1989 von der Familie U gekauft. Im Jahr 1990 war ich 2 x, und dies nur nachmittags, baden. Im Jahr 1991 1 x arbeiten, sonst habe ich meine Hütte nicht bewohnt." Es werde beantragt, den Bescheid zu überprüfen und aufzuheben.

Nach Erlassung einer abweislichen Berufungsvorentscheidung stellte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag, zu dessen Begründung er auf die Berufung verwies.

1.3. Mit Bescheid vom gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Freistadt Rust der Berufung keine Folge. Nach der Begründung dieses Bescheides sei vom Magistrat der mitbeteiligten Freistadt Rust "im durchgeführten Ermittlungsverfahren festgestellt" worden, daß die Badehütte des Beschwerdeführers unter die Bestimmung des § 4 Abs. 2 lit. a der Schmutzwasserabfuhrordnung der Freistadt Rust - Bauten und Anlagen mit einem Benützungszeitraum von Mai bis September, einer Behälterkapazität bis 2,5 m3 und einem durchschnittlichen Aufenthalt bis zu drei Personen - falle. Die Richtigkeit dieser "Feststellungen" und der vorgenommenen Zuordnung in die Entsorgungskategorie seien vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden. Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a der SchmutzwasserentsorgungsGebV 1991 betrage die Gebühr S 2.680,-- jährlich.

Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung. Bereits in seiner Berufung habe er angeführt, daß er seine Badehütte im Jahr 1991 nur einmal für Reparatur- und Aufräumungsarbeiten benützt habe.

1.4. Mit Bescheid vom wies die Burgenländische Landesregierung die Vorstellung als unbegründet ab. Die Gebührenvorschreibung entspreche den anzuwendenden Bestimmungen.

1.5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

1.6. Die belangte Behörde hat ebenso wie die mitbeteiligte Freistadt eine Gegenschrift erstattet.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Die Verordnung der Freistadt Rust vom (Beschluß des Gemeinderates vom ) über die Schmutzwasserentsorgung von Bauten oder sonstigen Anlagen in oder an Gewässern (im folgenden: Ruster SchmutzwasserabfuhrO 1991) lautet auszugsweise:

"§ 1

Auf Grund des § 9 Abs. 5 Bgld. Kanalanschlußgesetz 1989, LGBl. Nr. 27/1990, wird die Art und Weise der Schmutzwasserentsorgung für die in dichten Tonnen gesammelten Schmutzwässer von Bauten oder sonstigen Anlagen, die in oder an Gewässern auf der Erdoberfläche (Tagwässer) in der Freistadt Rust liegen, festgesetzt.

...

§ 4

(1) Nachstehend wird die Zahl und der Zeitraum der Kontrollen bzw. Entleerungen von Schmutzwasserbehältern der in § 1 bezeichneten Bauten und Anlagen unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Schmutzwasseranfalles auf Grund von Vergleichswerten, des Benützungszeitraumes, der durchschnittlichen Benützerzahl und der Kapazität der Schmutzwasserbehälter festgelegt.

(2) Zu kontrollieren und erforderlichenfalls zu räumen ist,

a) bei Bauten und Anlagen mit einem Benützungszeitraum von Mai bis September, bei einer Behälterkapazität bis 2,5 m3 und den durchschnittlichen Aufenthalt bis zu 3 Personen, in den Monaten Mai bis September, jeweils zwischen dem 15. und 30. Tag eines jeden Monats,

b) bei Bauten und Anlagen mit einem Benützungszeitraum von Mai bis September, einer Behälterkapazität bis 2,5 m3 und den durchschnittlichen Aufenthalt von mehr als 3 Personen, zwischen dem 15. und 30. Mai, dem 5. und 19. Juni, dem 26. Juni und 10. Juli, dem 17. und 31. Juli, dem 7. und 21. August, dem 28. August und 11. September und dem 18. und 30. September,

c) bei Bauten und Anlagen mit einem Benützungszeitraum von Juni bis August, einer Behälterkapazität bis 2,5 m3 und dem durchschnittlichen Aufenthalt bis zu 3 Personen in den Monaten Juni, Juli und August jeweils zwischen dem 15. und 30. Tag eines jeden Monates,

d) bei Bauten und Anlagen mit einem Benützungszeitraum von Juni bis August, einer Behälterkapazität bis 2,5 m3 und dem durchschnittlichen Aufenthalt von mehr als 3 Personen, zwischen dem 15. und 30. Juni, dem 6. und 20. Juli, dem 27. Juli und dem 10. August und dem 17. und 31. August,

e) bei Bauten und Anlagen mit einer Behälterkapazität von 2,5 m3 - 5,0 m3 und den durchschnittlichen Aufenthalt bis zu 3 Personen im Benützungszeitraum zwischen dem 15. und 30. des ersten Benützungsmonates, danach im Abstand von jeweils 6 Wochen,

f) bei Bauten und Anlagen mit einer Behälterkapazität von 2,5 m3 - 5,0 m3 und einen durchschnittlichen Aufenthalt von mehr als 3 Personen im Benützungszeitraum zwischen dem 15. und 30. des ersten Benützungsmonates, danach im Abstand von 4 Wochen,

g) bei Bauten und Anlagen, die nicht unter Pkt. a - f fallen, mindestens einmal monatlich im Benützungszeitraum.

3) Die Räumung der Schmutzwasserbehälter ist jedenfalls erforderlich, wenn der Behälter mehr als 2/3 mit Schmutzwasser gefüllt ist.

4) Nach dem Benützungszeitraum eines jeden Jahres sind die Behälter vom Schmutzwasser zu entleeren.

..."

§ 2 der Ruster SchmutzwasserentsorgungsGebV 1991 hat

folgenden Wortlaut:

"Gebührensatz

(1) Die zu entrichtende Schmutzwasserentsorgungsgebühr beträgt

a) für Bauten und Anlagen, die unter die Bestimmungen des § 4 Abs. 2 lit. a) der Schmutzwasserabfuhrordnung des Gemeinderates der Freistadt Rust vom , Zl. 713/0-821/1991 fallen, S 2680,-- jährlich.

b) für Bauten und Anlagen, die unter die Bestimmungen des § 4 Abs. 2 lit. b) der Schmutzwasserabfuhrordnung des Gemeinderates der Freistadt Rust vom , Zl. 713/0-821/1991 fallen, S 3920,-- jährlich.

c) für Bauten und Anlagen, die unter die Bestimmungen des § 4 Abs. 2 lit. c) der Schmutzwasserabfuhrordnung des Gemeinderates der Freistadt Rust vom , Zl. 713/0-821/1991 fallen, S 1620,-- jährlich.

d) für Bauten und Anlagen, die unter die Bestimmungen des § 4 Abs. 2 lit. d) der Schmutzwasserabfuhrordnung des Gemeinderates der Freistadt Rust vom , Zl. 713/0-821/1991 fallen, S 2330,-- jährlich.

e) für Bauten und Anlagen, die unter die Bestimmungen des § 4 Abs. 2 lit. e) der Schmutzwasserabfuhrordnung des Gemeinderates der Freistadt Rust vom , Zl. 713/0-821/1991 fallen, S 480,-- je begonnenem Benützungsmonat.

f) für Bauten und Anlagen, die unter die Bestimmungen des § 4 Abs. 2 lit. f) der Schmutzwasserabfuhrordnung des Gemeinderates der Freistadt Rust vom , Zl. 713/0-821/1991 fallen, S 720,-- je begonnenem Benützungsmonat.

g) für Bauten und Anlagen, die unter die Bestimmungen des § 4 Abs. 2 lit. g) der Schmutzwasserabfuhrordnung des Gemeinderates der Freistadt Rust vom , Zl. 713/0-821/1991 fallen, S 710,-- je begonnenem Benützungsmonat.

(2) Die gesetzliche Umsatzsteuer ist gesondert hinzuzurechnen."

2.2.1. In der Beschwerde wird geltend gemacht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liege jedenfalls darin, daß die vorgeschriebene Schmutzwasserentsorgungsgebühr unrichtig bemessen worden sei. Bei der Bemessung der Schmutzwasserentsorgungsgebühr für das Kalenderjahr 1991 sei die im Eigentum des Beschwerdeführers stehende Badehütte 92 in die Entsorgungskategorie der Bauten und Anlagen mit einem Benützungszeitraum von Mai bis September bei einer Behälterkapazität bis 2,5 m3 und einem durchschnittlichen Aufenthalt bis zu drei Personen eingeordnet worden. Diese Einordnung sei jedoch angesichts der tatsächlichen Verhältnisse unrichtig; aus dem mit 19. Feber 1992 datierten Schmutzwasserabfuhrnachweis für das Kalenderjahr 1991 ergebe sich, daß im Kalenderjahr 1991 bei der Badehütte des Beschwerdeführers tatsächlich Schmutzwasser nur im äußerst minimalen Ausmaß von 0,1 m3 angefallen sei. Die Abgabenbehörden auf Gemeindeebene hätten auf Grund unrichtiger Auslegung der Bemessungsvorschriften die in Rede stehende Badehütte einer für diese tatsächlich nicht anwendbaren Entsorgungskategorie bzw. Gebührenvorschrift unterzogen, weshalb im Rahmen der Gebührenbemessung ein viel zu hoher, den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht werdender Betrag vorgeschrieben worden sei. Da die belangte Behörde dies übersehen habe, sei ihr Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Das auf Gemeindeebene durchgeführte Verfahren sei mangelhaft gewesen. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde bei Durchführung eines mängelfreien Verfahrens zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Verfahrensergebnis gelangt wäre.

2.2.2. Die Berufungsbehörde ging trotz des in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegebenen Berufungsvorbringens wie die Abgabenbehörde erster Instanz davon aus, daß die in Rede stehende Badehütte des Beschwerdeführers in die Entsorgungskategorie des § 4 Abs. 2 lit. a der Ruster SchmutzwasserabfuhrO 1991 einzureihen sei. Dabei stützte sich sowohl der erstinstanzliche Abgabenbescheid als auch der Berufungsbescheid auf "Ermittlungen" des Magistrates, ohne allerdings die konkreten Ermittlungsergebnisse festzuhalten. Die Gemeindeabgabenbehörden übersahen dabei, daß mangels eines Zustellnachweises nicht davon hätte ausgegangen werden dürfen, das Schreiben des Magistrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom , betreffend die Einordnung der Badehütte Nr. 92 des Beschwerdeführers in die Entsorgungskategorie "Bauten und Anlagen mit einem Benützungszeitraum von Mai bis September, bei einer Behälterkapazität bis 2,5 m3 und einem durchschnittlichen Aufenthalt bis zu 3 Personen", wäre dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gelangt. Das Verfahren vor den Abgabenbehörden der mitbeteiligten Statutarstadt ist somit mangelhaft geblieben.

Wenn der Beschwerdeführer sodann auch in der Vorstellung - unter Hinweis auf seine Berufung - vorbrachte, er habe seine Badehütte im Jahr 1991 nur EINMAL für Reparatur- und Aufräumungsarbeiten benützt, so muß dieses Vorbringen als Bestreitung der Richtigkeit der Einordnung unter die Entsorgungskategorie des § 4 Abs. 2 lit. a der Ruster SchmutzwasserabfuhrO 1991 (Mai bis September) gewertet werden. Darin konnte nämlich die Behauptung gelegen sein, der Beschwerdeführer hätte in die Kategorie nach § 4 Abs. 2 lit. g der Ruster SchmutzwasserabfuhrO 1991 eingeordnet werden müssen.

2.3. Da die belangte Behörde als Vorstellungsbehörde auf Grund des Vorgesagten den auf einem mangelhaften Ermittlungsverfahren beruhenden Berufungsbescheid nicht behob, belastete sie den angefochtenen Bescheid selbst mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Vorstellungsbescheid mußte daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.