VwGH vom 26.01.2006, 2002/15/0069
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde der G. GmbH & Co KEG in K, vertreten durch Dr. Eduard Tschofen, Wirtschaftsprüfer in 6800 Feldkirch, Gallmiststraße 17, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat), vom , GZ. RV 1435/1-V6/01, betreffend Umsatzsteuer 2000, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Kommanditerwerbsgesellschaft (im Folgenden: Beschwerdeführerin) betreibt ein Unternehmen mit Sitz in Vorarlberg. Sie führt Fahrten mit Heißluftballons durch, an denen Personen vom Startpunkt in Vorarlberg aus etwa eineinhalb bis zwei Stunden teilnehmen und vom Landepunkt des Ballons mit Landfahrzeugen der Beschwerdeführerin zum Ausgangspunkt zurückgebracht werden.
Die Geschäftsabwicklung erfolgt nach Schilderung der Beschwerdeführerin derart, dass sie auf Grund von Werbemaßnahmen "Tickets" zum Kauf anbietet. Im Zeitpunkt des Erwerbs des verkauften Gutscheins wird eine Dauer der Ballonfahrt von etwa eineinhalb bis zwei Stunden zugesagt. In diesem Zeitpunkt kann das voraussichtliche Landegebiet nicht angegeben werden. In der Folge stellt die Beschwerdeführerin gegen Vorlage eines Gutscheins ein "Ticket" für eine Ballonfahrt aus. Vor jeder Ballonfahrt erkundigt sich die Beschwerdeführerin über die Wetter- und Windverhältnisse, insbesondere in den jeweiligen Flughöhen. Auf Grund dieser Informationen teilt die Beschwerdeführerin den Passagieren vor dem Start das voraussichtliche Landegebiet (in der Regel durch Bezeichnung einer Gemeinde) mit und trägt das Landegebiet im Ticket ein. Das angegebene Landegebiet wird in der Regel auch tatsächlich erreicht. Die Richtung der Ballonfahrt wird zwar vom Wind bestimmt, der Pilot der Beschwerdeführerin kann aber auf Grund seiner Erfahrungen und seines Informationsstandes den Ballon durch Ausnützen verschiedener Flughöhen zum Landegebiet hinsteuern. Abhängig von der Flugrichtung liegt das Landegebiet manchmal im Inland (Österreich), manchmal in einem anderen Mitgliedstaat (Deutschland), manchmal im Drittland (u.a. in der Schweiz). Die Rückfahrt der an der Ballonfahrt teilnehmenden Personen nach der Landung erfolgt entweder in Fahrzeugen von Angehörigen dieser Personen, die dem Heißluftballon folgen, oder wahlweise, sofern Plätze verfügbar sind, durch ein Begleitfahrzeug der Beschwerdeführerin.
Die von der Beschwerdeführerin ausgegebenen "Tickets" weisen den Namen des Passagiers, eine "Fahrschein-Nummer", das Ausstellungsdatum mit dem Vermerk "gültig ein Jahr ab Ausstellungsdatum", das Luftfahrzeugkennzeichen des Ballons (OE- ....), den Namen des Piloten, und leere Felder zur Eintragung des Startortes, eines Datums und des vereinbarten Landegebietes auf.
Der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Bundesministeriums für Wissenschaft, Verkehr und Kunst (nunmehr: Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie) als Oberster Zivilluftfahrtbehörde eine Bewilligung "zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen im Bedarfsverkehr (Bedarfsflugunternehmen) mit insgesamt drei Heißluftballonen bis zu einem maximalen Hüllenvolumen von 9.000 m3" mit der Betriebsstätte in K. erteilt. Die Bewilligung erstreckt sich auf die Beförderung von Personen und Sachen in Form von Bedarfsflügen.
Die allgemeinen "Beförderungsbedingungen" der Beschwerdeführerin sehen vor, dass die Startplätze in Vorarlberg, überwiegend im Rheintal, bei Nebel im vorderen Bregenzerwald liegen. Die Reiseroute und Geschwindigkeit bestimme der Wind. Die Fahrthöhe liege zwischen 150 m und 3.000 m, abhängig von den Windverhältnissen. Da die Ballonfahrt nur bei bestimmten Witterungsverhältnissen (kein Niederschlag, keine tiefen Wolkenuntergrenzen, Bodenwind bis maximal 15 km/h) durchgeführt werden könne, habe der Passagier frühestens eine Stunde vor der vereinbarten Zeit am Treffpunkt unter einer angeführten Telefonnummer anzurufen. Der Treffpunkt sei meist nicht der Startplatz. Vom Treffpunkt würden die Teilnehmer an der Ballonfahrt mit Fahrzeugen der Beschwerdeführerin zum Startplatz fahren. Die (reine) Ballonfahrt dauere etwa eineinhalb bis zwei Stunden, die "Gesamtdauer der Ballonfahrt (gemeinsames Aufstellen, Fahrt, Zusammenlegen, Ballonfahrertaufe und Rückfahrt zum Treffpunkt)" betrage etwa vier bis fünf Stunden. Der voraussichtliche Landeort könne wegen der Abhängigkeit von der Windrichtung und Windstärke nicht angegeben werden, das voraussichtliche Landegebiet lege der Pilot bei Fahrtbeginn auf Grund der Windprognosen fest, die Fahrgäste nähmen dies zur Kenntnis und würden sich mit dem Landegebiet einverstanden erklären. Nach der Landung erfolge die Rückfahrt zum Treffpunkt mit dem Begleitfahrzeug der Beschwerdeführerin. Jedoch würden die Passagiere, wenn von deren Begleitern mit eigenen Fahrzeugen nachgefahren werde, damit zurückfahren können.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde Umsatzsteuer für das Jahr 2000 im Instanzenzug festgesetzt. Dabei ging die belangte Behörde davon aus, dass sämtliche von der Beschwerdeführerin für diese Ballonfahrten vereinnahmten Entgelte der Umsatzsteuer unterliegen. Es handle sich nicht um Beförderungsleistungen, sondern um unter keinen besonderen Tatbestand einzureihende (allgemeine) sonstige Leistungen, welche von dem Ort aus ausgeführt würden, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibe. Diese Leistungen unterlägen dem Normalsteuersatz.
Die Beschwerdeführerin dagegen vertritt die Ansicht, dass es sich bei den Ballonfahrten um Beförderungsleistungen handle, welche nur in dem Umfang in Österreich steuerpflichtig seien, in dem sie ausschließlich im Inland, sohin nicht grenzüberschreitend, ausgeführt würden. Soweit die Ballonfahrten steuerpflichtig seien, unterlägen sie dem ermäßigten Steuersatz für die "Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln aller Art".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom (Sechste Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage; im Folgenden: Sechste Mehrwertsteuer-Richtlinie) unterliegen der Mehrwertsteuer Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt.
Nach § 1 Abs. 1 Z 1 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663/1994, (UStG 1994) unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer.
Nach Art. 9 Abs. 1 der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie gilt als Ort einer Dienstleistung der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort.
Es gilt nach Art. 9 Abs. 2 Buchstabe b der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie jedoch als Ort einer Beförderungsleistung der Ort, an dem die Beförderung nach Maßgabe der zurückgelegten Beförderungsstrecke jeweils stattfindet.
Nach § 3a Abs. 5 UStG 1994 bestimmt sich der Ort der sonstigen Leistung nach Maßgabe und in der Reihenfolge der folgenden Absätze.
Nach § 3a Abs. 7 UStG 1994 wird eine Beförderungsleistung dort ausgeführt, wo die Beförderung bewirkt wird. Erstreckt sich eine Beförderungsleistung sowohl auf das Inland als auch auf das Ausland, so fällt der inländische Teil der Leistung unter dieses Bundesgesetz.
Nach § 3a Abs. 12 UStG 1994 wird in den übrigen (nicht in den von den vorherigen Absätzen erfassten) Fällen eine sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, so gilt die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung.
Streitpunkt bildet zunächst die Frage, ob es sich bei den von der Beschwerdeführerin durchgeführten Ballonfahrten um Beförderungsleistungen im Sinne des Art. 9 Abs. 2 Buchstabe b der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie und des § 3a Abs. 7 UStG 1994 handelt. Die belangte Behörde hat diese Frage verneint und den Ort der von der Beschwerdeführerin erbrachten Leistungen nach § 3a Abs. 12 UStG 1994 als im Inland gelegen angesehen.
Die Beschwerdeführerin hebt zutreffend hervor, dass das Hauptmerkmal der von ihr erbrachten Leistungen darin bestehe, die Passagiere raumüberwindend von einem Ort zu einem anderen zu befördern, wobei es auf das Motiv und den Zweck der Beförderung wie bei anderen Vergnügungsfahrten nicht ankomme. Sie erbringt diese Leistungen auf der Grundlage einer verkehrsrechtlichen Bewilligung zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen mit Heißluftballonen.
Die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass mit den in Rede stehenden Ballonfahrten Beförderungsleistungen erbracht wurden, trifft zu (vgl. das Urteil des EuGH in der Rs. C-331/94 vom , Slg. I-2675, betreffend Schiffsrundfahrten). An der Beurteilung als Beförderungsleistung ändert sich dadurch nichts, dass ihnen ein Vergnügungselement innewohnt, wie "das stille und sanfte Schweben über dem Erdboden, getrieben allein vom Wind, und der Genuss des Panoramas", "der grandiose Panoramablick", "ein überwältigendes Erlebnis". Das von der belangten Behörde herangezogene "Riverrafting" (Wildwasserfahrten mit aufblasbaren Ruderfahrzeugen auf alpinen Flussläufen), welches dem hg. Erkenntnis vom , 90/15/0158, VwSlg 6.664/F, zu Grunde lag, unterscheidet sich vom Beschwerdefall wesentlich, denn die im erwähnten Erkenntnis als Hauptleistung gesehene Ermöglichung der (Abenteuer vermittelnden) Sportausübung unter Beistellung von Sportgeräten wird im Beschwerdefall den Passagieren der Ballonfahrten nicht geboten.
Da somit nach § 3a Abs. 7 VStG 1994 nur der inländische Teil der Beförderungsleistungen der Umsatzsteuerpflicht unterliegt, war der angefochtene Bescheid schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Eine bei den grenzüberschreitenden Beförderungsleistungen sohin vorzunehmende Aufteilung des jeweiligen Entgeltes wird nach der zurückgelegten Strecke in einen steuerpflichtigen inländischen und in einen nicht zu versteuernden ausländischen Anteil zu erfolgen haben (vgl. das (Reisebüro Binder GmbH)).
Für das fortzusetzende Verfahren sei bemerkt, dass der von der Beschwerdeführerin in Anspruch genommene ermäßigte Steuersatz für die "Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln aller Art" nicht zusteht. Aus den im hg. Erkenntnis vom , 99/15/0086, VwSlg 7.741/F, ausgeführten Gründen, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, sind Heißluftballons nicht dem in § 10 Abs. 2 Z 12 UStG 1994 verwendeten Begriff "Verkehrsmittel aller Art" zu unterstellen.
Auch die von der Beschwerdeführerin begehrte Steuerfreiheit für die Beförderung von Personen mit Schiffen und Luftfahrzeugen im grenzüberschreitenden Beförderungsverkehr nach § 6 Abs. 1 Z 3 lit. d UStG 1994 ist im Beschwerdefall nicht gegeben.
Nach Art. 28 Abs. 3 Buchstabe b der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie können die Mitgliedstaaten während der in Abs. 4 genannten Übergangszeit die in Anhang F aufgeführten Umsätze unter den in den Mitgliedstaaten bestehenden Bedingungen weiterhin befreien.
Anhang XV Kapitel IX. Steuern Nr. 2 Buchstabe i dritter Gedankenstrich der Beitrittsakte bestimmt, dass Österreich bei der Anwendung von Art. 28 Abs. 3 Buchstabe b der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie sämtliche Teile der grenzüberschreitenden Personenbeförderung im Luft-, See- oder Binnenwasserstraßenverkehr von Österreich nach einem Mitgliedstaat oder nach einem Drittland sowie in umgekehrter Richtung - mit Ausnahme der Personenbeförderung auf dem Bodensee - mit Erstattung der auf der vorausgehenden Stufe entrichteten Steuer befreien kann, solange dieselben Befreiungen für einen der derzeitigen Mitgliedstaaten gelten.
Diese Ermächtigung hat Österreich ausgeschöpft, als es die bis zum EU-Beitritt nach § 6 Z 5 UStG 1972 gewährte Steuerfreiheit insoweit beibehalten hat und nach § 6 Abs. 1 Z 3 lit. d UStG 1994 die Beförderungen von Personen mit Schiffen und Luftfahrzeugen im grenzüberschreitenden Beförderungsverkehr, ausgenommen die Personenbeförderung auf dem Bodensee, steuerfrei sind.
Zwar ist der Beschwerdeführerin einzuräumen, dass die von ihr verwendeten Heißluftballons Beförderungsmittel (Kapitel 88 des Zolltarifs (Anhang I Teil II der Verordnung Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, in der Fassung der Verordnung Nr. 1719/2005 der Kommission vom , ABlEG L Nr. 286() darstellen und vom Begriff des Luftfahrzeuges erfasst sein mögen, doch ist dies nicht ausschlaggebend. Bei der Auslegung des Begriffes des Beförderungsverkehrs in § 6 Abs. 1 Z 3 lit. d UStG 1994 sind die für die Auslegung des Begriffes der Verkehrsmittel aller Art in § 10 Abs. 2 Z 12 leg.cit. angestellten Überlegungen zu berücksichtigen, welche im erwähnten Erkenntnis vom ausgeführt sind, auf welches abermals gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird. Bei funktioneller Betrachtung läge in der Verwendung der Heißluftballons zu den von der Beschwerdeführerin veranstalteten Ballonfahrten (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , 2001/13/0248 und 0249) kein "Verkehr" und damit auch kein Beförderungsverkehr im Sinne des § 6 Z 5 UStG 1972 vor. Eine darüber hinaus gehende und damit vor dem EU-Beitritt nicht steuerfreie Leistungen in die Steuerfreiheit einbeziehende Auslegung des § 6 Abs. 1 Z 3 lit. d UStG 1994 wäre außerdem von Art. 28 Abs. 3 Buchstabe b der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie iVm Anhang XV Kapitel IX. Steuern Nr. 2 Buchstabe i dritter Gedankenstrich der Beitrittsakte nicht gedeckt, denn nach dieser gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigung dürfen bestimmte Beförderungen nur weiterhin befreit werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am