VwGH vom 22.11.1996, 93/17/0143
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-05/19/00039/93, betreffend Übertretung des Wiener Anzeigenabgabegesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe als zur Vertretung nach außen Berufener eines näher bezeichneten Vereins die Abrechnung über die von diesem Verein in den Monaten Juli bis September 1990 für die Vornahme oder Verbreitung von Anzeigen aller Art vereinnahmten Entgelte von S 273.700,-- dem Magistrat bis nicht vorgelegt und den sich danach ergebenden Abgabenbetrag bis nicht bezahlt und hiedurch die Anzeigenabgabe um den Betrag von S 27.370,-- fahrlässig verkürzt. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 7 des Wiener Anzeigenabgabegesetzes 1983 in der geltenden Fassung, im Zusammenhalt mit § 9 Abs. 1 VStG verletzt. Über ihn wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 14.000,-- (zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Nach der Begründung dieses Bescheides habe der Beschwerdeführer seine Verantwortlichkeit für die Verwaltungsübertretung bestritten und angegeben, daß M als verantwortlicher Beauftragter bestellt worden sei. Aus der zum Beweis vorgelegten Erklärung vom sei jedoch hervorgekommen, daß M die Verantwortung für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften ausschließlich auf dem Gebiet der Entrichtung der Dienstgeberabgabe übernehme. In einer Einvernahme vom habe M angegeben, daß lediglich die Berechnung der Anzeigenabgabe in seinen Arbeitsbereich falle. Zum verantwortlichen Beauftragten sei er nie bestellt worden.
Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung.
Mit Bescheid vom gab der Unabhängige Verwaltungssenat Wien dieser Berufung keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe, daß die Geldstrafe von S 14.000,-- auf S 7.000,-- sowie die Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen auf eine Woche herabgesetzt wurden. In der Begründung führt die belangte Behörde aus, die Verwirklichung des abgabenrechtlichen Tatbestandes sei unbestritten. Betreffend die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers für die Einhaltung der übertretenen Vorschrift nach § 9 Abs. 1 VStG habe die Aussagen der Zeugen M und H ergeben, daß durch den Vereinsvorstand eine informelle Nominierung des H für finanzielle Angelegenheiten erfolgt sei. Daß einem Vorstandsmitglied oder einer anderen Person die alleinige umfassende Verantwortlichkeit für abgabenrechtliche Belange übertragen worden sei und diese Person einer derartigen Übertragung auch zugestimmt hätte, habe sich nach Durchführung des Beweisverfahrens nicht ergeben. Auch hinsichtlich des M liege eine derartige Übertragung "evident" nicht vor, zumal dieser als Angestellter nur mit manipulativen Veranlassungen ohne eigenen verantwortlichen Wirkungsbereich betraut gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe nie in Abrede gestellt, eines der Vorstandsmitglieder des gegenständlichen Vereines zu sein. Laut Amtsbestätigung vom übe der Beschwerdeführer die Funktion eines geschäftsführenden Vizepräsidenten aus und sei somit in dieser Funktion zur Vertretung des Vereines nach außen berufen. Somit treffe den Beschwerdeführer die Verantwortlichkeit für die Einhaltung der übertretenen Vorschrift.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht verletzt, "daß ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen über ihn keine Verwaltungsstrafe wegen fahrlässiger Verkürzung der Anzeigenabgabe i.S.d. Wiener Anzeigenabgabengesetzes 1983 verhängt werden darf".
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu bezeichnen, wozu jene Tatmerkmale gehören, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens erforderlich sind. Dies gilt, soweit die Strafbarkeit das Vorliegen bestimmter in der Person des Täters gelegenen Merkmale voraussetzt, insbesondere auch hinsichtlich dieser Merkmale. Die spruchgemäße Bezeichnung des Beschwerdeführers mit den Worten "als zur Vertretung nach außen Berufener" eines näher bezeichneten Vereins trägt, worauf in der Beschwerde unter Berufung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 90/19/0002, zutreffend hingewiesen wird, dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z. 1 VStG nicht Rechnung. Wird ein Täter als verantwortliches Organ einer juristischen Person oder einer Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG bestraft, so erfordert es im Sinne des vorzitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom die Bestimmung des § 44a Z. 1 VStG, daß im Spruch des Straferkenntnisses die Art der Organfunktion, derzufolge der Täter "zur Vertretung nach außen berufen ist" eindeutig angeführt wird (vgl. etwa auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 90/10/0169).
Die belangte Behörde hat daher nicht anhand der Satzung des Vereines begründet, daß der Vizepräsident des Vereines in den hier gegenständlichen Angelegenheiten zur Vertretung des Vereines nach außen berufen war.
Dadurch, daß die belangte Behörde insofern die Fassung des Spruches des erstinstanzlichen Straferkenntnisses übernommen hat, belastete sie somit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Im Ergebnis im Recht ist der Beschwerdeführer aber auch, wenn er vorbringt, die belangte Behörde habe in ihrer Entscheidung rechtsirrtümlich die Subsumierbarkeit der Betrauung des M mit den Angelegenheiten der Anzeigenabgabenverwaltung unter dem Begriff der "Bestimmung eines verantwortlichen Beauftragten" verneint.
Gemäß § 9 Abs. 2 zweiter Satz VStG können für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens (einer juristischen Person oder Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit) auch andere (als die zur Vertretung nach außen berufenen) Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.
Gemäß § 9 Abs. 4 VStG kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtliche verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.
Diese Gesetzesstelle umschreibt die Voraussetzungen, die eine Person erfüllen muß, um als verantwortlicher Beauftragter bestellt werden zu können. Dazu zählt u.a. die Einräumung einer entsprechenden Anordnungsbefugnis für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich. Die einem verantwortlichen Beauftragten eingeräumte Anordnungsbefugnis ist nur dann entsprechend im Sinne des § 9 Abs. 4 VStG, wenn sie ihm ermöglicht, die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften sicherzustellen. Der verantwortliche Beauftragte muß durch die ihm eingeräumte Gestaltungsmöglichkeit in der Lage sein, die Verwaltungsvorschriften einzuhalten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 90/19/0464).
An sich zutreffend hat die belangte Behörde erkannt, daß eine solche Gestaltungsmöglichkeit in der Betrauung eines Angestellten mit nur manipulativen Veranlassungen ohne eigenen verantwortlichen Wirkungsbereich nicht erblickt werden könne. Wird doch mit einer derart nur vorbereitenden Tätigkeit der betreffenden Person noch nicht die Möglichkeit eingeräumt, die Einhaltung der Abgabenvorschriften (hier: hinsichtlich der Anzeigen- und Ankündigungsabgabe) sicherzustellen.
Der Beschwerdeführer führt dagegen unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 90/19/0084, ins Treffen, eine Verpflichtung des verantwortlichen Beauftragten, betriebsinterne Anweisungen zu befolgen, sei für die Wirksamkeit der Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten ohne Bedeutung. Er beruft sich dabei auf die Aussage des Zeugen M, dieser habe, bei Überschreiten bestimmter Beträge eine Weisung des Beschwerdeführers einholen müssen. Bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung hat der Zeuge M (u.a.) angegeben:
"... Steuererklärungen werden von mir unterschrieben. Ich bin für einen Teil der finanziellen Gebarung des Vereines zuständig, wobei Entscheidungen von wesentlicher Bedeutung von der Geschäftsführung getroffen werden, das ist das Direktorium (Seite 27 des erstinstanzlichen Aktes). Eine Grenze zwischen wesentlichen Angelegenheiten und solchen, die ich in eigener Verantwortung treffe, gibt es nicht. Wenn es Zweifel gibt, wende ich mich an (den Beschuldigten). Dieser ist mein Ansprechpartner, weil er erstens geschäftsführender Vizepräsident und zweitens am ehesten erreichbar ist. Es kam allerdings auch schon vor, daß er mich an den Finanzreferenten, Herrn Direktor H, verwies. Mein Verantwortungsbereich wird bei etwa S 10.000,-- bis S 15.000,-- enden, wobei es allerdings auch auf die Sache selbst ankommt. Wenn es klar ist, daß z.B. eine Zahlungsverpflichtung besteht, entscheide ich über die Zahlung selbständig, auch wenn es sich um einen höheren Betrag handelt, doch auch in diesen Bereichen wende ich mich an (den Beschuldigten), wenn es sich um mehr als S 100.000,-- handelt. Bei diesem Betrag sicher. Ich darf Gelder einnehmen und ausgeben was den Bargeldfluß betrifft, was also in die Handkassa hineinkommt oder herausgenommen wird. Eine Zeichnungsberechtigung für die Vereinskonten habe ich nicht. Der Begriff Anordnungsbefugnis im Sinne des § 9 Abs. 4 VStG ist mir nicht geläufig. Zur Zeichnungsberechtigung: Eine solche haben nur Direktoriumsmitglieder jeweils zu zweit. Ich habe einen Dienstvertrag mit dem Verein. Auch in diesem sind meine Kompetenzen nicht umschrieben. ..."
Der Zeuge M geht danach selbst von einer Grenze seines "Verantwortungsbereiches" aus, was durchaus zutreffend ist. Wenn, wie es der Beschwerdeführer formuliert, bei Überschreiten bestimmter Beträge eine Weisung einzuholen ist, so liegt diesbezüglich keine Gestaltungsmöglichkeit des Betreffenden vor. Die Verpflichtung, in jedem Fall eine Weisung einzuholen, ist von der Verpflichtung, eine betriebsinterne Anweisung - als eine BESONDERE Weisung im Sinne des § 9 Abs. 5 VStG - zu befolgen, zu unterscheiden.
In diesem Zusammenhang ist aber auch anzumerken, daß sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht ableiten läßt, aus welchen Erwägungen - insbesondere auch vor dem Hintergrund der wiedergegebenen Zeugenaussage - die belangte Behörde zur Auffassung gelangte, der Zeuge M sei als Angestellter (ganz allgemein) nur mit manipulativen Veranlassungen ohne eigenen verantwortlichen Wirkungsbereich betraut gewesen.
Dem darin gelegenen Begründungsmangel kann die Wesentlichkeit auch nicht abgesprochen werden, weil die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf hinweist, das abgeführte Ermittlungsverfahren habe eine klar abgegrenzte Anordnungsbefugnis nicht ergeben. Es trifft zwar zu, daß die Anordnungsbefugnis für einen KLAR abzugrenzenden Bereich zu erteilen ist (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz. 777). Das ändert aber nichts daran, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf den Mangel einer klar abgegrenzten Anordnungsbefugnis nicht abgestellt hat, sondern vielmehr darauf, daß der Zeuge M als Angestellter überhaupt nur mit manipulativen Veranlassungen ohne eigenen verantwortlichen Wirkungsbereich betraut gewesen sei.
Ausgehend vom Grundsatz, daß eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, war der angefochtene Bescheid aus dem oben dargestellten Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurft hätte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.