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VwGH vom 08.03.1994, 90/14/0192

VwGH vom 08.03.1994, 90/14/0192

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde des Dr. H in S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat I) vom , Zl. 327-3/88, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer 1984, 1985 und 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist praktischer Arzt. In dem der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1984 angeschlossenen Anlagenverzeichnis war unter der Position "III. Kraftfahrzeug" als Anlagenzugang ein "LKW Puch 300 GDN 3-2, Steyer" (richtig offenbar "Steyr") mit einem Anschaffungswert von S 343.000,-- ausgewiesen. Die Berechnung der AfA erfolgte auf Grundlage einer fünfjährigen Nutzungsdauer, wobei auch von der Investitionsbegünstigung der vorzeitigen Abschreibung Gebrauch gemacht wurde. In den Anlagenverzeichnissen für die Jahre 1985 und 1986 war das erwähnte Kraftfahrzeug mit derselben Bezeichnung wie 1984 ausgewiesen (AfA 20 %). Die Veranlagungen zur Umsatz- und zur Einkommensteuer erfolgten jeweils erklärungsgemäß.

Im Jahr 1988 fand eine abgabenbehördliche Prüfung statt, die sich hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer über den Zeitraum 1984 bis 1987 erstreckte. Laut Tz. 4 des Betriebsprüfungsberichtes vom lag aufgrund der in den Tz. 6 bis 36 dargestellten Prüfungsfeststellungen der Tatbestand der Wiederaufnahme des Verfahrens u.a. hinsichtlich der Umsatz- und der Einkommensteuer 1984 bis 1986 nach § 303 Abs. 4 in Verbindung mit § 303 Abs. 1 lit. b BAO vor. Die Wiederaufnahme sei vorzunehmen, weil unter Berücksichtigung der aus dem Prüfungsbericht hervorgehenden Feststellungen das öffentliche Interesse an der Rechtsrichtigkeit der zu erlassenden Abgabenbescheide über jenes an der Rechtsbeständigkeit der aufzuhebenden Bescheide zu stellen sei.

In der Tz. 14 des Betriebsprüfungsberichtes ist betreffend das Fahrzeug der Type Puch 300 GDN ausgeführt, daß dieses steuerlich beim Anlagenzugang als Kleinlastkraftwagen behandelt worden sei. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung handle es sich bei diesem Fahrzeug jedoch um keinen Kleinlastkraftwagen. Die Nutzungsdauer erhöhe sich demnach auf sieben Jahre und eine vorzeitige Abschreibung könne auch nicht in Anspruch genommen werden. Auch sei wegen "repräsentativer Mitveranlassung" der Anschaffung dieser erheblich teureren Fahrzeugvariante (Geländefahrzeug) eine aliquote Kürzung der Anschaffungskosten (inkl. USt) und damit der AfA-Berechnung vorzunehmen. Unter Tz. 8 lit. c kürzte der Prüfer die in den Jahren 1984 bis 1987 in Anspruch genommene Vorsteuer um die auf die Anschaffung und den Betrieb des Puch 300 GDN entfallenen Beträge. Neben den Feststellungen betreffend das erwähnte Kraftfahrzeug enthielt der Betriebsprüfungsbericht noch verschiedene Feststellungen u.a. für die Jahre 1985 und 1986, die für diese Jahre zu einer Entgelterhöhung (Nichterklärung von diversen Einnahmen) und Vorsteuerkürzung (für Privataufwendungen) sowie zu einer Gewinnerhöhung (Nichtanerkennung von als Betriebsausgaben geltend gemachten Privataufwendungen) führten (Tz. 6, 8 und 21 des Betriebsprüfungsberichtes).

Gegen die aufgrund der Betriebsprüfung ergangenen Bescheide (Verfahrenswiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 4 BAO betreffend die Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1984 bis 1986 sowie Sachbescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1984 bis 1987) erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Berufung. Die Berufung war substanziell im wesentlichen gegen die Wiederaufnahmebescheide, insbesondere im Zusammenhang mit den Feststellungen betreffend das Kraftfahrzeug der Type Puch 300 "GND" gerichtet. Der Beschwerdeführer habe im Anlagenverzeichnis dezidiert erklärt, daß es sich bei diesem KFZ um einen LKW, Type Puch 300 "GND", gehandelt habe. Die Abgabenbehörde hätte bei Erfüllung ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht erkennen müssen, daß es sich diesfalls ihrer nunmehrigen Meinung entsprechend um einen PKW gehandelt habe. Die refundierte Vorsteuer in Höhe von S 69.741,-- sei ebenfalls in der Anlage zu der Umsatzsteuererklärung 1984 im dort ausgewiesenen Vorsteuerbetrag enthalten gewesen. Es seien somit für die Abgabenbehörde im Zuge der abgabenrechtlichen Prüfung keine neuen Tatsachen hervorgekommen, sondern es sei nur eine rechtliche Würdigung vorgenommen worden, sodaß es an einem tauglichen Wiederaufnahmegrund fehle.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens für die Jahre 1984 bis 1986 verwies die belangte Behörde darauf, daß die näheren Umstände im Hinblick auf das im Anlagenverzeichniss als LKW bezeichnete Kraftfahrzeug der Abgabenbehörde erst im Zuge der Betriebsprüfung bekannt worden seien. Erst der Betriebsprüfer habe festgestellt, daß das Kraftfahrzeug laut Ausführung A mit rückwärtigen vergitterten Fenstern ausgestattet gewesen sei. Zu den für 1985 und 1986 festgestellten Wiederaufnahmegründen (Nichterklären von Einnahmen, Vorsteuerkürzung und Kürzung der Betriebsausgaben wegen Privataufwendungen) habe der Beschwerdeführer ohnedies keine weiteren Einwendungen erhoben. Auch hier berufe er sich (neben bestimmten Aktivierungen auf das Gebäude) im wesentlichen auf die im Zusammenhang mit der Anschaffung des Kraftfahrzeuges vorgenommene Wiederaufnahme. Die Wiederaufnahme habe sowohl absolut als auch relativ zu beträchtlichen Nachforderungen geführt, sodaß im Rahmen der Ermessungsübung dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorzug zu geben gewesen sei. Bezüglich der Berufung gegen die Sachbescheide führte die belangte Behörde aus, daß es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Abgrenzung der Fahrzeugarten Kombinations- bzw. Personenkraftwagen einerseits und Lastkraftwagen andererseits im Zweifelsfalle vor allem auf den optischen Eindruck und die nicht zuletzt darauf beruhende Verkehrsauffassung ankomme. Beim streitgegenständlichen Fahrzeug handle es sich um ein solches, das nach seinem Erscheinungsbild die charakteristischen Merkmale eines Kombinationskraftwagens (reduzierte, einem Personenkraftwagen angenäherte Größe, hintere seitliche Fenster, Ladegewicht unter 600 kg) aufweise. Wegen der für diesen Fahrzeugtyp geltenden einschränkenden steuerrechtlichen Vorschriften seien die Kürzung des Vorsteuerabzuges (gemäß § 12 Abs. 2 Z. 2 lit. c UStG 1972), der Ansatz einer Nutzungsdauer mit sieben Jahren für die Berechnung der AfA (gemäß § 7 Abs. 5 EStG 1972), die Versagung der vorzeitigen Abschreibung (gemäß § 8 Abs. 2 Z. 2 EStG 1972) und die "Berichtigung" der Anschaffungskosten des Kraftfahrzeuges zu Recht erfolgt.

Die mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen Aufhebung. Als Beschwerdepunkt wird angeführt: "Der angefochtene Bescheid stellt eine Durchbrechung der Rechtskraft dar und dadurch wurde ich in meinem Recht auf Rechtsbeständigkeit eines erlassenen und in Rechtskraft erwachsenen Bescheides verletzt." Die Begründung der Beschwerde beschäftigt sich lediglich mit der Zulässigkeit der vorgenommenen Verfahrenswiederaufnahmen.

Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zum Beschwerdegegenstand ist festzuhalten, daß der Beschwerdepunkt (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) den Prozeßgegenstand festlegt und den Rahmen absteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , VwSlg. NF 11525/A, und vom , 85/09/0049). Aufgrund des eindeutig auf die Berechtigung zur amtswegigen Wiederaufnahme eingeschränkten Beschwerdepunktes, sind daher auch nur die Wiederaufnahmebescheide 1984 bis 1986 Beschwerdegegenstand.

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Die Wiederaufnahme führt zur gänzlichen Beseitigung jenes Bescheides, der das nunmehr wiederaufgenommene Verfahren seinerzeit zum Abschluß gebracht hat. Dies hat zur Folge, daß, wenn die Wiederaufnahme auf Grund einer neu hervorgekommenen Tatsache zulässig war, im wiederaufgenommenen Verfahren auch eine Änderung jener Bemessungsgrundlagen erfolgen darf, hinsichtlich derer keine neuen Tatsachen und Beweismittel gegeben sind (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 87/13/0039). Eine Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist unter anderem nur dann ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, daß sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können (siehe z.B. das hg. Erkenntnis vom , 88/14/0028, 0029). Ein behördliches Verschulden an der Nichtfeststellung der maßgeblichen Tatsachen bzw. Beweismittel im Erstverfahren schließt die Wiederaufnahme von Amts wegen nicht aus (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , 91/16/0019).

Gerade für die Abgrenzung LKW zu PKW und Kombinationskraftwagen kommt es entscheidend auf das äußere Erscheinungsbild des Kraftfahrzeuges an, wobei beispielsweise der kraftfahrrechtlichen Einstufung keine maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 91/15/0045 und vom , 92/14/0139). Aus der Typenbezeichnung "LKW Puch 300 GDN 3-2, Steyer" und dem - ohnedies nur pauschal - ausgewiesenen Vorsteuerabzug, war der Abgabenbehörde in dem Erstverfahren der relevante Sachverhalt (insbesondere hinsichtlich Ausführungsvariante) damit keineswegs so vollständig bekannt, daß sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zweifelsfrei zu der im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Daß die Abgabenbehörde erster Instanz bei der Erlassung der Steuerbescheide keine weiteren Ermittlungen bezüglich tatsächlichen Zutreffens der Angaben des Beschwerdeführers in den Beilagen zur Steuererklärung gemacht hat, kann der Behörde im Rahmen des amtswegigen Wiederaufnahmeverfahrens nicht zum Vorwurf gemacht werden.

In der Beschwerde wird weiters vorgebracht, die "Behörde als Gesamtorganisation" habe von dem angegebenen Fahrzeugtyp und dessen Beschaffenheit in ausreichendem Maße Kenntnis haben müssen. Der LKW Puch 300 GDN 3-2 sei nämlich bekannterweise nur dem Normalsteuersatz und nicht dem Luxussteuersatz von 32 % auf Grund einer "Sonderregelung" des Bundesministeriums für Finanzen mit der Herstellerfirma unterlegen. Bei dieser "Vereinbarung über die umsatzsteuerliche Sonderbehandlung" habe sich die "Abgabenbehörde" mit den konstruktiven Merkmalen auseinanderzusetzen gehabt. Diese Ausführungen können der Beschwerde aber ebenfalls zu keinem Erfolg verhelfen. Das Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO ist nur aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 89/13/0245, und vom , Zlen. 89/14/0123, 90/14/0018). Außerdem ist die zolltarifarische Einstufung von Kraftfahrzeugen und damit die Höhe des Umsatzsteuersatzes (Anlage B zu § 10 Abs. 4 UStG 1972 in der bis einschließlich 1991 geltenden Fassung) für die gegenständliche an der Verkehrsauffassung orientierte Beurteilung ohnedies nicht ausschlaggebend (siehe z.B. Schögl-Wiesner-Nolz-Kohler, Einkommensteuergesetz 1972, Wien 1988, Seite 106).

Die Beschwerde läßt im übrigen unbestritten, daß für die Jahre 1985 und 1986 auch weitere Wiederaufnahmegründe vorhanden waren (nicht erklärte Einnahmen bzw. zu Unrecht abgesetzte Privataufwendungen). Auch ansonsten wird kein relevantes Vorbringen erstattet, das die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatz- und Einkommenssteuer für die Jahre 1984 bis 1986 als unzulässig erscheinen ließe. Der Gerichtshof kann schließlich auch nicht erkennen, daß bei der Ermessensentscheidung über die amtswegige Wiederaufnahme eine gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG relevante Rechtswidrigkeit unterlaufen wäre.

Da sich der angefochtene Bescheid demnach nicht als mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet erweist, war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.