VwGH vom 11.12.1990, 90/14/0183
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom , Zl. 493-2/86, betreffend Einkommensteuer 1982 bis 1984, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betätigte sich im Streitzeitraum als selbständiger Handelsvertreter und hielt sich viel auf Reisen im Ausland auf. Aufzeichnungen über seine Tätigkeit fehlen, Steuererklärungen wurde von ihm nicht abgegeben. Eine Betriebsstätte im Inland wurde von der belangten Behörde nicht angenommen. Der Beschwerdeführer bestritt, im Streitzeitraum einen inländischen Wohnsitz gehabt zu haben. Er behauptete, nach der Scheidung seiner Ehe im Jahre 1983 im Inland jeweils nur zum Besuch seines Sohnes in seiner und seiner geschiedenen Frau gemeinsamen Wohnung gewesen zu sein und in der Schweiz gewohnt zu haben; seinen Schweizer Wohnsitz könnte er jedoch nicht beweisen, weil er dort keine Aufenthaltsbewilligung erhalte und den Namen seiner Freundin nicht preisgeben wolle, weil diese verheiratet sei.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Einkommensteuer für die Streitjahre auf Grund einer Schätzung der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Die belangte Behörde glaubte der Behauptung des Beschwerdeführers in der Wohnsitzfrage nicht. Auf Grund zahlreicher Indizien (Aussagen des Beschwerdeführers vor der Gendarmerie und vor dem Strafrichter über seinen Wohnort, bewirkte Zustellungen, Anwesenheit des Beschwerdeführers im Morgenrock anläßlich eines Vollstreckerbesuches, Besitz eines Schlüssels zur erwähnten Eigentumswohnung, Widerlegung einzelner Angaben des Beschwerdeführers über Auslandsaufenthalte) nahm die belangte Behörde als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer auch im Streitzeitraum in der Eigentumswohnung im Inland, die nach wie vor ihm und seiner geschiedenen Gattin gehört, seinen Wohnsitz gehabt habe, weil er diese Wohnung unter Umständen innegehabt habe, die darauf schließen haben lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benützen werde. Die belangte Behörde glaubte auch der Behauptung des Beschwerdeführers über eine ausländische Wohnstätte nicht, weil der Beschwerdeführer hiefür keine Beweise erbracht habe. Sie behandelte ihn als in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig, ohne daß sich die Frage von Besteuerungsrechten eines anderen Staates ergeben habe. Die Einkünfte aus dem Handelsgewerbe schätzte die belangte Behörde im Hinblick auf die Lebenshaltungskosten des Beschwerdeführers mit monatlich S 22.500,-- und jährlich daher S 270.000,--
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Einkommensteuerfreiheit verletzt. Er behauptet Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Da der Gerichtshof den angefochtenen Bescheid und nicht den Bescheid des Finanzamtes zu überprüfen hat, gehen die Ausführungen des Beschwerdeführers über eine angebliche Befangenheit des Referenten des Finanzamtes ins Leere, zumal sich Anhaltspunkte dafür, die belangte Behörde habe Ermittlungen dieses Beamten ihrer Feststellung zugrunde gelegt, die nicht durch unbedenkliche Urkunden, wie gerichtliche Strafakten, Akten der Gendarmerie, Rechnungen oder Akten der Kfz-Zulassungsbehörde belegt seien, nicht bestehen. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides läßt sich daher aus dem gegen den Referenten der Behörde erster Instanz erhobenen Vorwurf nicht ableiten, weil es für die Aussagekraft der erwähnten Urkundenbeweise ohne Bedeutung ist, ob sie von einem befangenen Organwalter beschafft wurden.
Ob auch die Berufungsbehörde Bedenken gegen die Unbefangenheit des Sachbearbeiters des Finanzamtes hatte, ist deshalb ohne Bedeutung. Nach dem Wortlaut des angefochtenen Bescheides ließ die belangte Behörde die Frage der Befangenheit dahingestellt, weil sie von ihrer Befugnis gemäß § 289 Abs. 2 BAO Gebrauch gemacht hatte, ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen.
Eine Aufhebung und Zurückverweisung der Sache durch die belangte Behörde, wie sie der Beschwerdeführer für richtig hält, kam schon mit Rücksicht auf § 289 Abs. 1 BAO und die sich daraus ergebende Pflicht der Berufungsbehörde, in der Sache selbst zu entscheiden, nicht in Betracht.
Vor der belangten Behörde wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der auch der Beschwerdeführer selbst anwesend war und das Wort ergriff. Die belangte Behörde konnte sich daher auch unmittelbar ein Bild von der Glaubwürdigkeit seines Vorbringens machen.
Die Beweiswürdigung der belangten Behörde stößt auf keine vom Verwaltungsgerichtshof wahrnehmbaren Bedenken. Berufliche Tätigkeit im Ausland und häufige Auslandsreisen schließen einen einzigen und zwar inländischen Wohnsitz nicht aus.
Unter dem Gesichtspunkt inhaltlicher Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer geltend, er habe im Streitzeitraum den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen nicht im Inland gehabt, er habe ausführlich und unwiderlegt dargelegt, daß er sich nur fallweise und kurzfristig in Österreich aufgehalten habe. Seine geschäftliche Tätigkeit habe er nicht im Inland ausgeübt.
Wo sich die geschäftliche Tätigkeit des Beschwerdeführers abspielte und ob er im Inland eine gewerbliche Betriebsstätte hatte, ist für die Wohnsitzfrage, die nach § 26 BAO zu beurteilen ist und nach der sich die unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1972 richtet, bedeutungslos.
Mit seinem übrigen Vorbringen verfehlt der Beschwerdeführer den geltend gemachten Beschwerdegrund. Bei Prüfung des Beschwerdegrundes der inhaltlichen Rechtswidrigkeit hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG von dem von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt auszugehen und nicht davon, was der Beschwerdeführer vor der Behörde dargelegt hat. Ausgehend von dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt erweist sich deren rechtliche Beurteilung der Wohnsitzfrage als frei von Rechtsirrtum.
Da die belangte Behörde auf Grund der vorliegenden Beweisergebnisse, insbesondere der wiederholten zeitnahen Wohnortangaben des Beschwerdeführers laut Niederschriften vor der Gendarmerie und Protokollen vor dem Strafrichter, den Behauptungen des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde nicht glauben mußte, ist die Behauptung in der Beschwerde, das Vorbringen des Beschwerdeführers sei nicht widerlegt worden, unrichtig.
Die belangte Behörde durfte daher unbeschränkte Steuerpflicht des Beschwerdeführers annehmen. Da ein ausländischer Wohnsitz nicht nachgewiesen wurde, stellte sich auch die Frage nach dem Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht, weil eine Aufteilung von Einkommenbesteuerungsrechten zwischen Österreich und einem anderen Staat für diesen Fall von vornherein nicht in Betracht kam.
Die Schätzung selbst stellte der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht weiter in Frage.
Da der Beschwerdeführer somit durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des Beschwerdepunktes nicht in seinen Rechten verletzt wird, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom , BGBl. Nr. 206.