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VwGH vom 16.12.1994, 93/17/0110

VwGH vom 16.12.1994, 93/17/0110

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

93/17/0111 E

93/17/0112 E

93/17/0113 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde 1. des G in J, 2. des R in Wien, beide vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in J, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MD-VfR - Sch 27/92 u. B 22/92, betreffend Vergnügungssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom schrieb der Magistrat der Stadt Wien dem Erstbeschwerdeführer als Aufsteller und Eigentümer und dem Zweitbeschwerdeführer als Lokalinhaber "gemäß § 6 Abs. 4 des Vergnügungssteuergesetzes 1987 (VGSG) in der geltenden Fassung für das Halten eines Warengewinnautomates der Type "Talismat" mit der Möglichkeit mit der Erzielung eines Gewinnes in Geldeswert, bei dem das Spielergebnis ausschließlich vom Zufall abhängig ist", im Betrieb des Zweitbeschwerdeführers für die Zeit von März bis Mai 1991 eine Vergnügungssteuer im Betrag von S 42.000,-- zuzüglich Verspätungs- und Säumniszuschlag vor.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer in getrennten Schriftsätzen jeweils Berufung und brachten darin im wesentlichen übereinstimmend vor, daß der genannte Automat ein Warenverkaufs- und kein Warengewinnautomat sei. Der Zweitbeschwerdeführer brachte weiters vor, die Plastikkugeln mit den diversen Waren seien durchsichtig gewesen, sodaß von außen durch eine Glasscheibe erkennbar gewesen sei, welche Ware durch Betätigen des Automaten und Einwurf einer Zehn-Schilling-Münze erworben werde. Zum Beweis dieser Behauptungen beantragte der Zweitbeschwerdeführer die Vernehmung dreier Zeugen.

Mit getrennt ausgefertigten Berufungsvorentscheidungen je vom wurde der erstinstanzliche Bescheid dahingehend abgeändert, daß die Vorschreibung des Verspätungszuschlages entfalle; im übrigen wurden die Berufungen mit der Begründung abgewiesen, bei Überprüfungen sei festgestellt worden, daß in dem Apparat verschiedene Waren (Digitaluhr, Feuerzeuge, Stoppuhr, Taschenrechner, Schlüsselanhänger) enthalten gewesen seien. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Steuerpflicht für den Apparat Talismat bejaht.

Die Beschwerdeführer beantragten in getrennten Schriftsätzen jeweils, ihre Berufungen der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen.

Im Berufungsverfahren hielt die belangte Behörde den Beschwerdeführern die mit den beiden Erhebungsbeamten am bzw. am aufgenommenen Niederschriften vor. Danach sei nicht "einsehbar" gewesen, welche KONKRETEN Waren zum Auswurf gelangen würden. Zu den einzelnen Füllungen in den Automaten könnten die Erhebungsbeamten nur die anläßlich der Überprüfung getätigten Berichte bestätigen.

In der hiezu erstatteten Äußerung verwies der Zweitbeschwerdeführer in tatsächlicher Hinsicht auf sein Berufungsvorbringen, wonach er behauptet habe, daß man auch durch andere Kugeln auf die zum Auswurf bereitliegende Kugel habe sehen können.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid änderte die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien den erstinstanzlichen Bescheid dahin ab, daß die Vorschreibung des Verspätungszuschlages sowie die Wortfolge im Spruch "mit der Möglichkeit der Erzielung eines Gewinnes in Geldeswert" zu entfallen hätten. Im übrigen wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wird im wesentlichen ausgeführt, der Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz betreffe einen Apparat der Type "Talismat". Unbestritten stehe fest, daß dieser Apparat vom Erstbeschwerdeführer am angeführten Standort im Bemessungszeitraum gehalten worden und der Zweitbeschwerdeführer Inhaber der für das Halten des Apparates benützten Räumlichkeiten gewesen sei. Strittig sei hingegen, ob dieser Apparat der Vergnügungssteuer unterliege oder als Warenausgabeautomat nicht als steuerpflichtiges Gerät anzusehen sei.

Weiters zitierte die belangte Behörde wörtlich den wesentlichen Inhalt der Entscheidungsgründe des

hg. Erkenntnisses vom , Zl. 91/17/0073, und führte weiters aus, im Sinne dieser Ausführungen komme es für die Steuerpflicht darauf an, ob der Interessent durch einen Blick in den Automaten feststellen könne, welche Ware er durch den Einwurf der Geldmünze erhalte. Daher seien zu dieser Frage die Revisionsorgane, welche bei ihrer Kontrolle den angeführten Apparat festgestellt hätten, als Zeugen vernommen worden. Sie hätten angegeben, daß der Interessent bei Einwurf der Geldmünze mangels Einsehbarkeit nicht habe erkennen können, welche Waren er erhalten würde. Diese Aussage sei den Beschwerdeführern vorgehalten worden. Eine Widerlegung dieser Feststellungen sei den Beschwerdeführern nicht gelungen. Die Vorschreibung der Vergnügungssteuer gegenüber beiden Beschwerdeführern entspreche der Bestimmung des § 13 Abs. 1 VGSG.

Weiters begründete die belangte Behörde die Festsetzung eines Säumniszuschlages sowie das Absehen von der Auferlegung eines Verspätungszuschlages.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht verletzt, daß ihnen gegenüber Vergnügungssteuer nicht festgesetzt werde. Sie beantragen sinngemäß, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 des Vergnügungssteuergesetzes 1987, LGBl. für Wien Nr. 43 (VGSG), in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Novellen LGBl. Nr. 40/1988 und LGBl. Nr. 3/1990 unterliegen folgende im Gebiet der Stadt Wien veranstaltete Vergnügungen einer Steuer nach Maßgabe dieses Gesetzes:

"...

3. Halten von Schau-, Scherz-, Spiel-, Geschicklichkeits- oder ähnlichen Apparaten sowie von Musikautomaten (§ 6);

..."

Gemäß § 6 Abs. 1 erster Satz leg. cit. beträgt die Steuer für das Halten von Schau-, Scherz-, Spiel-, Geschicklichkeits- und ähnlichen Apparaten je Apparat und begonnenem Kalendermonat 1 500 S, sofern nicht die Voraussetzungen nach den Abs. 2 bis 4 zutreffen.

Nach Abs. 4 dieser Gesetzesstelle beträgt die Steuer unter anderem für das Halten von Apparaten, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert (so z.B. Jeton- oder Warengewinn) erzielt werden kann oder bei denen das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängig ist, je Apparat und begonnenem Kalendermonat 14 000 S.

Gemäß § 13 Abs. 1 leg. cit. ist steuerpflichtig der Unternehmer der Veranstaltung. Unternehmer der Veranstaltung im Sinne dieses Gesetzes ist jeder, in dessen Namen oder auf dessen Rechnung die Veranstaltung durchgeführt wird. Sind zwei oder mehrere Unternehmer (Mitunternehmer) vorhanden, so sind sie als Gesamtschuldner steuerpflichtig. In den Fällen des § 1 Abs. 1 Z. 3 gelten auch der Inhaber des für das Halten des Apparates benützten Raumes oder Grundstückes und der Eigentümer des Apparates als Mitunternehmer.

Die Beschwerdeführer bestreiten nicht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 leg. cit. Sie bringen jedoch in tatsächlicher Hinsicht im wesentlichen vor, es hätte festgestellt werden müssen, daß die "Talismat"-Automaten überwiegend mit völlig gleichartigen kleinen Stofftieren, ein geringerer Anteil mit durchsichtigen Glaskugeln gefüllt seien, die kleine Uhren, Schnappbänder sowie Schlüsselanhänger und ähnliche Gegenstände enthielten. Bei jenem Teil der Automaten, der ausschließlich mit gleichen Stofftieren gefüllt sei, liege jedenfalls ein reiner Warenautomat vor. Aber auch bei der geringeren Gruppe, bei denen Glaskugeln mit den genannten Gegenständen gekauft werden könnten, sei keineswegs nur der Unterhaltungszweck Motiv eines Benützers dieses Apparates. Das Motiv des Benützers liege vielmehr darin, ein Mitbringsel für seine Angehörigen oder für sich selbst zu erwerben. Es liege daher kein Spielapparat vor. Da die belangte Behörde keinerlei diesbezügliche Feststellungen getroffen habe, sei das Verfahren mangelhaft geblieben.

Hiezu ist zu sagen, daß keiner der Beschwerdeführer auf Verwaltungsebene konkret behauptet hat, im vorliegenden Fall seien gleichartige Stofftiere verkauft worden. Insofern handelt es sich beim Beschwerdevorbringen sohin um eine unzulässige Neuerung.

Im übrigen hat zwar die belangte Behörde keine Feststellungen darüber getroffen, welche Art von Waren im gegenständlichen Automaten enthalten war. Ein darin allenfalls gelegener Begründungsmangel ist jedoch nicht wesentlich, weil sich diese Feststellungen - wie oben dargelegt - in den Berufungsvorentscheidungen je vom finden. Dem sind die Beschwerdeführer in ihren Vorlageanträgen nicht entgegengetreten. Da die Feststellungen der Berufungsvorentscheidung als Vorhalt gelten, wäre es Sache der Beschwerdeführer gewesen, sich im Vorlageantrag mit dem Ergebnis dieser Ermittlungen auseinanderzusetzen und die daraus gewonnenen Feststellungen zu widerlegen (vgl. hiezu die bei Stoll, BAO Kommentar III, Seite 2713, wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 276 BAO). Die belangte Behörde hätte daher auch bei Vermeidung des allfälligen Verfahrens- (Feststellungs-)mangels diesbezüglich zu keinem anderen Bescheid kommen können.

Die Feststellung der belangten Behörde, daß der Benützer nicht erkennen konnte, welche Waren er beim Einwurf der Geldmünzen erhalten werde, wird von den Beschwerdeführern nicht mehr bekämpft. Nur für diesen Fall hat jedoch der Verwaltungsgerichtshof in seinem oben erwähnten Erkenntnis vom , Zl. 91/17/0073, ausgesprochen, daß dann die Situation keine andere wäre als bei einem echten Warenausgabeautomaten (und daher kein Spielapparat vorläge).

Enthält jedoch ein derartiges Gerät verschiedene Warengattungen, besteht die "Unterhaltung" für den Benützer in diesem Fall nach der Lebenserfahrung eben darin, nicht zu wissen, welche Warengattung der Apparat tatsächlich ausgeben werde, oder darin, solange den Einwurf der betreffenden Münzen vorzunehmen, bis er das Gewünschte erhält, und handelt es sich bei diesen Gegenständen um billige, offenbar unnütze Kleinigkeiten, dann stehen - wie der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 92/17/0179, ausgesprochen hat - die Elemente eines Spieles so sehr im Vordergrund, daß es sich eindeutig um einen Spielapparat handelt, zumal der Benützer diesfalls keine sonst übliche rationale Kaufentscheidung trifft.

Die Beschwerdeführer bringen weiters vor, daß mit dem gegenständlichen Automaten höchstens Monatsumsätze von ca. S 350,-- erzielbar seien; die gegenständliche Abgabenvorschreibung sei daher geeignet, die wirtschaftliche Existenz des Erstbeschwerdeführers zu ruinieren.

Auch zu diesem Vorbringen ist - abgesehen davon, daß es in tatsächlicher Hinsicht gleichfalls dem aus § 41 VwGG ableitbaren Neuerungsverbot widerspricht - auf das bereits zitierte Erkenntnis eines verstärkten Senates vom zu verweisen, wonach unter dem Gesichtspunkt des Mißverhältnisses von Einsatz und Warenwert einerseits, der Steuerbelastung von monatlich S 14.000,-- andererseits keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 4 VGSG bestehen. Des näheren wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen.

Dasselbe gilt für das weitere Beschwerdevorbringen, wonach § 6 Abs. 4 VGSG einen Tatbestand wiedergebe, der bereits im Glücksspielgesetz geregelt sei und unter die ausschließliche Monopolgewalt des Bundes falle. In dem zuletzt genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß § 3 des Glücksspielgesetzes 1989, BGBl. Nr. 620, das Recht zur Durchführung von Glücksspielen, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt wird, dem Bund vorbehält, jedoch nichts über die abgabenrechtliche Seite der Durchführung von Glücksspielen aussagt.

In dem bereits mehrfach zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates hat der Verwaltungsgerichtshof freilich auch unter Hinweis auf die Entwicklungsgeschichte der Vorgängerbestimmungen zu § 6 VGSG im Vergnügungssteuergesetz für Wien 1963, LGBl. Nr. 11, und der hiezu ergangenen Novellen sowie den die Absicht des historischen Gesetzgebers beleuchtenden Gesetzesmaterialien im wesentlichen dargetan, daß der Gesetzgeber unter dem Begriff "Spielergebnis" im nunmehrigen § 6 Abs. 4 VGSG dasselbe wie "Gewinn und Verlust" im Sinne des § 1 Abs. 1 Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 169/1962 idF. der Glücksspielgesetz-Novelle 1976, BGBl. Nr. 626 (ebenso auch § 1 Abs. 1 des Glücksspielgesetzes 1989, BGBl. Nr. 620) verstanden wissen wollte. Im Falle des "Talismaten" kann jedoch - von einer (hier nicht vorliegenden) Ausnahme abgesehen - offenkundig ein "Gewinn" nicht erzielt werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat im erwähnten Erkenntnis weiters ausgeführt, daß nur dieses Auslegungsergebnis sich als verfassungskonform erweise und bei den gegenständlichen Geräten der vom historischen Gesetzgeber betonte Aspekt des Jugendschutzes gleichfalls nicht zum Tragen komme. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher seine im oben erwähnten Erkenntnis vom , Zl. 91/17/0073, sowie auch im Erkenntnis vom , Zl. 91/17/0127, zum Ausdruck gekommene Rechtsmeinung, daß die gegenständlichen Apparate generell unter die Bestimmungen des § 6 Abs. 4 zweiter Fall VGSG zu subsumieren sind, nicht aufrecht erhalten. Auch diesbezüglich wird im übrigen gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die ausführlichen Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen.

Daher war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf die Verfahrensrüge der Beschwerdeführer eingegangen werden mußte.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Stempelgebühren konnten nur im erforderlichen Ausmaß zugesprochen werden.