VwGH vom 20.11.1990, 90/14/0180
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom , Zl. B 96/5-3/90, betreffend Einkommensteuer 1985, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Beamter, war im Streitjahr Personalvertreter und Gewerkschaftsfunktionär. Er hatte als Beamter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, als Vortragender bei der Kammer der gewerblichen Wirtschaft Einkünfte aus selbständiger Arbeit und erhielt Bezüge von der Gewerkschaft, die das Finanzamt als sonstige Einkünfte behandelte. Im Zusammenhang mit diesen beanspruchte er das Werbungskostenpauschale im Ausmaß von 50 v.H. der insgesamt empfangenen Vergütungen gemäß § 16 Abs. 5 EStG 1972. Erhöhte Werbungskosten für ausschließlich beruflich veranlaßte Reisen im Zusammenhang mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit machte er im Ausmaß der Differenz zwischen den Pauschbeträgen gemäß § 16 Abs. 1 Z. 9, § 26 Z. 7 EStG 1972 und den Ersätzen des Arbeitgebers unter Vorlage einer Liste geltend, in der der Grund der jeweiligen Reise angegeben war. Diesen Angaben war zu entnehmen, daß es sich dabei in einem Fall um eine Reise zu den Bundesfinanzschimeisterschaften handelte, im übrigen teils um Reisen im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Personalvertreter, teils im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Gewerkschaftsfunktionär.
In seinem nach dem ersten Rechtsgang des Abgabenverfahrens über die Beschwerde des Steuerpflichtigen ergangenen Erkenntnis vom , 89/14/0212, mit dem der Berufungsbescheid wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden war, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, daß die Reisekosten aus der Personalvertretertätigkeit keine Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sind, die von der Gewerkschaft vergüteten Reisekosten zu den sonstigen Einkünften zählten und die Reisekosten im Zusammenhang mit den Aufgaben als Gewerkschaftsfunktionär ebenfalls keine Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit seien. Zur Aufhebung des Berufungsbescheides führte der Umstand, daß die belangte Behörde im ersten Rechtsgang nicht erkannt hatte, daß die im Lohnsteuerfreibetragsverfahren geltend gemachten Reisekosten, soweit sie der Gewerkschaftstätigkeit zuzuordnen seien, bei den Einkünften aus den Gewerkschaftsbezügen berücksichtigt werden müßten. Von diesen hätte die belangte Behörde festzustellen gehabt, ob sie in dieser Höhe im Zusammenhang mit Gewerkschaftsfunktionen aufgelaufen sind; eine solche Feststellung habe sie in Verkennung der Rechtslage unterlassen.
Im zweiten Rechtsgang hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vor, sie beabsichtige die Angaben in der von ihm seinerzeit vorgelegten Liste über den Grund der Dienstreisen bei der Zuordnung als Indiz für einen überwiegenden Zusammenhang mit der betreffenden Einkunftsquelle zu berücksichtigen. Weiters hielt sie dem Beschwerdeführer vor, daß zur Ermittlung der Tages- und Nächtigungsgelder im Zusammenhang mit Gewerkschaftsreisen nicht die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern die durchschnittliche Höhe der Gewerkschaftseinkünfte in den letzten drei Jahren vor dem Streitjahr maßgeblich sein würden.
Der Beschwerdeführer antwortete hierauf, daß er erst jetzt seine ehemaligen Angaben einer genaueren Prüfung unterzogen habe und er sich auf Grund dieser zur Feststellung berechtigt glaube, daß bei den Reisen auf jeden Einzelfall bezogen, die gewerkschaftlichen Momente überwogen hätten. Abgesehen von der Reise zu den Bundesfinanzschimeisterschaften seien alle Reisen im überwiegend gewerkschaftlichen Einsatz erfolgt. Der Liste sei seinerzeit eine Durchschnittsbetrachtung "verteilt nach den Anfallkriterien eines Jahreszeitraumes" zugrunde gelegt worden, während der Beschwerdeführer auf Grund des Vorhaltes eine auf den Einzelfall bezogene Betrachtung angestellt habe. Dies gelte sowohl für die Zeitdauer der Dienstverrichtung während der Dienstreise als auch für die sachlichen Inhalte. Konkreter wurde die Vorhaltsbeantwortung nicht.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Ersatzbescheid wies die belangte Behörde die Berufung neuerdings als unbegründet ab. Sie glaubte dem Vorbringen in der Vorhaltsbeantwortung nicht. Selbst wenn der Beschwerdeführer, wie er behaupte, um einen gerechten Ausgleich zwischen den Zwecken der Personalvertretung und der Gewerkschaft bemüht gewesen sei, als er seinerzeit die Aufstellung verfaßt habe, könne daraus nicht abgeleitet werden, daß er in einer für steuerliche Zwecke angefertigten Aufstellung nicht den angeblich überwiegenden "Grund der Dienstreise" habe anführen dürfen. Erstangaben kämen aber erfahrungsgemäß der Wahrheit am nächsten. Deshalb sei die belangte Behörde in freier Beweiswürdigung zur Überzeugung gelangt, daß nur in den Fällen, in denen in der Aufstellung des Beschwerdeführers Gewerkschaftsveranstaltungen als "Grund der Dienstreise" angegebenen seien, ein solcher (zumindest überwiegender) Zusammenhang bestanden habe, sodaß nur aus diesen Reisen Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften resultierten. Unter Zugrundelegung der (vom Beschwerdeführer in der Vorhaltsbeantwortung unbekämpft gelassenen) Höhe der Tages- und Nächtigungsgelder errechnete die belangte Behörde solcherart einen Betrag, der niedriger war, als das von ihr anerkannte und vom Beschwerdeführer geltend gemachte Werbungskostenpauschale gemäß § 16 Abs. 5 EStG 1972.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht darauf verletzt, daß das Werbungskostenpauschale gemäß § 16 Abs. 5 EStG 1972 mit S 18.587,-- übersteigende Reisekosten als solche im Zusammenhang mit den sonstigen Einkünften stehend anerkannt werden. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt inhaltlicher Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde hätte nicht vom Überwiegensprinzip ausgehen dürfen, weil die Feststellung des Überwiegens sehr schwierig sei, müßten doch nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Komponenten herangezogen werden. Es hätte daher eine Aufteilung nach dem Verhältnis der tatsächlich erhaltenen Reisekostenvergütungen erfolgen müssen.
Diese Rechtsansicht des Beschwerdeführers ist unrichtig. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer ungeachtet des an ihn ergangenen Vorhaltes vor den Verwaltungsbehörden kein Tatsachenvorbringen gemacht hat, das Anlaß zu einer Auseinandersetzung mit der Möglichkeit einer Aliquotierung der Reiseaufwendungen geliefert hätte, weshalb das betreffende Beschwerdevorbringen, das sachverhaltsbezogene Prämissen hat, wegen des Neuerungsverbotes gemäß § 41 VwGG vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtlich ist, käme eine Aufteilung nur bei eindeutiger Trennbarkeit der Aufwendungszusammenhänge in Betracht. Daß dieser Fall hier vorgelegen sein könnte, hat der Beschwerdeführer im Abgabenverfahren nie behauptet. Sein Beschwerdevorbringen hinsichtlich der Schwierigkeit quantitativer und qualitativer Zuordnung spricht geradezu gegen eine derartige eindeutige Trennbarkeit. Die belangte Behörde hatte daher auch keine Veranlassung, einen Sachverhalt auch nur zu vermuten, der eine Trennung erlaubt hätte. Fehlt es an einwandfreier Trennbarkeit, entscheidet über die Zuordnung das Überwiegen, also der überwiegende Zusammenhang.
Unter dem Gesichtpunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer der belangten Behörde den Vorwurf, sie habe es unterlassen, die qualitativen und quantitativen Zuordnungskriterien für die einzelnen Dienstreisen festzustellen, sie hätte nicht eine unter einem gänzlich anderen Aspekt erstellte Beilage als Grundlage für die Sachverhaltsfeststellung heranziehen dürfen.
Mit diesem Vorbringen kann der Beschwerdeführer nicht durchdringen, weil es im Hinblick auf die bei ihm gelegene Sachverhaltskenntnis auch seine Aufgabe gewesen wäre, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht ihm bekannte quantitative und qualitative Zuordnungskriterien - die er im übrigen selbst in der Beschwerde auch noch nicht einmal annähernd aufzeigt - der Behörde vorzutragen. Einen solchen Vortrag hat er nicht erstattet. Mangels entsprechender Hinweise auf die Möglichkeit des Vorhandenseins derartiger Kriterien, die über die Angaben in der vorgelegten Aufstellung hinausgingen, traf die belangte Behörde auch keine Pflicht, nach solchen Momenten zu forschen. Erkundungsbeweise mußte sie nämlich nicht durchführen.
Wenn der Beschwerdeführer behauptet, daß ihm anläßlich der Verfassung und Vorlage der Aufstellung die abgabenrechtliche Problematik nicht bekannt gewesen sei, so war gerade dies ein Umstand, den die belangte Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung für die Unbedenklichkeit der Angaben in der Aufstellung ins Treffen führen durfte. Die vom Beschwerdeführer aufgezeigte rechtliche Unbefangenheit kann nämlich nach der Lebenserfahrung als eine gewisse Gewähr für die Übereinstimmung der Angaben mit den tatsächlichen Verhältnissen angesehen werden.
Der Beschwerdeführer bekämpft daher in Wahrheit die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Diese stößt jedoch auf keine der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugängliche Bedenken. Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, daß Erstangaben, vor allem wenn sie - wie dies hier der Beschwerdeführer behauptet - unbefangen gemacht werden, meist der Wahrheit am nächsten kommen. Die belangte Behörde hat daher für ihre Feststellungen kein unzutreffendes Argument in die Waagschale geworfen. Sie durfte deshalb zur Überzeugung gelangen, daß die in der Aufstellung seinerzeit gemachten Angaben über den Reisezweck den vom Beschwerdeführer selbst richtig eingeschätzten überwiegenden Zusammenhang mit seinen verschiedenen Aufgabenbereichen zum Ausdruck brachten.
Dem angefochtenen Bescheid haftet somit keine Rechtswidrigkeit an, die den Beschwerdeführer im Rahmen des Beschwerdepunktes in seinen Rechten verletzt.
Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom , BGBl. Nr. 206.