VwGH vom 24.03.1995, 93/17/0108
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Gruber, Dr. Höfinger und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des Dr. N, Rechtsanwalt in Graz, als Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der Firma SDBV-GmbH in G, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-02/32/00016/92-4, betreffend Zurückweisung einer Maßnahmenbeschwerde gegen die Absonderung und Versiegelung von Edelmetallgegenständen durch Organe des Punzierungsamtes Wien I, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 13.340,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Laut Amtlichem Befund des Punzierungsamtes Wien I wurden von Organen dieser Behörde am in der Verkaufsstätte der gemeinschuldnerischen Gesellschaft in Wien im einzelnen bezeichnete Edelmetallgegenstände beanstandet. Der namens der Partei Unterfertigende (Unterschrift unleserlich) verpflichtete sich unter anderem, mit der amtlich versiegelten Ware bis im Amte zu erscheinen. Auf der Rückseite des Formblattes ist der Wortlaut des Straftatbestandes nach § 272 Abs. 1 StGB (Siegelbruch) wiedergegeben.
Die beschwerdeführende Partei erhob Beschwerde gemäß § 67c AVG gegen diese Maßnahme wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Geltend gemacht wurde die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes nach Art. 5 StGG und die Verletzung von Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung. Durch die amtliche Versiegelung der verpackten Ware unter Hinweis auf die strafrechtlichen Folgen des Siegelbruches werde die Ware der Verfügungsgewalt der beschwerdeführenden Partei gegen ihren Willen durch eine behördliche Maßnahme entzogen. Diese Maßnahme greife in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums ohne gesetzliche Grundlage ein. Die Ermächtigung des § 44 dritter Satz der Durchführungsverordnung zum Punzierungsgesetz, BGBl. Nr. 385/1967 (im folgenden: Durchführungsverordnung), an Organe des Punzierungsamtes, Absonderung, Versiegelung und Übergabe der beanstandeten Waren an das Punzierungsamt vorzunehmen, sei auf keine gesetzliche Grundlage, insbesondere auch nicht auf die §§ 18 bis 22 des Punzierungsgesetzes, BGBl. Nr. 68/1954 (im folgenden: PunzierungsG), zurückzuführen.
1.2. Mit Bescheid vom wies der Unabhängige Verwaltungssenat Wien diese Beschwerde gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 67c Abs. 3 AVG als unzulässig zurück.
Nach der Begründung dieses Bescheides erfülle ein Sachverhalt die Merkmale der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nur dann, wenn es keines dazwischen geschalteten weiteren Handels mehr bedürfe, um den behördlich gewollten Zustand herzustellen (Hinweis auf den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 89/12/0036 = ZfVB 1991/2/709).
Der "behördlich gewollte Zustand" sei aber hier offensichtlich auf die Behebung des Mangels der einzelnen Edelmetallgegenstände, also auf ihre Zuführung zur vorgesehenen gesetzlichen Kennzeichnung (Punzierung) gerichtet gewesen. Durch die Versiegelung allein werde dieser Zustand aber nicht herbeigeführt. Vielmehr bedürfe es hiezu mindestens eines weiteren behördlichen Handelns, nämlich des Aufschlagens der Feingehaltspunze. Der "behördlich gewollte Zustand" habe somit keineswegs in der Eigentumsentziehung oder einer Eigentumsbeschränkung bestanden. Dies gehe auch aus der im Amtlichen Befund angeführten Verpflichtung des Beschwerdeführers hervor, mit der amtlich versiegelten Ware am (bis) im Amte zu erscheinen.
Der behördliche Befehl sei demnach auf die Vorlage der Waren an die Behörde zwecks Punzierung gerichtet gewesen. Die Versiegelung der Gegenstände habe der Bezeichnung der beanstandeten Gegenstände und somit nur mittelbar diesem Befehl gedient. Die Versiegelung stelle daher nur eine mittelbare Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar, da es noch weiteren behördlichen Handelns bedurft habe, um den amtlichen Befehl (Vorlage der Gegenstände zur Nachholung der fehlenden Punzierung) durchzusetzen.
Daß die Versiegelung kurzfristig auch zu einer "Entziehung der Feilbietung" geführt habe, stelle allenfalls eine sekundäre Begleiterscheinung des auf Vorlage zur Punzierung gerichteten behördlichen Befehls dar und ändere nichts an der bloßen Mittelbarkeit der behördlichen Maßnahme. Es liege sohin kein tauglicher Beschwerdegegenstand vor. Die Beschwerde sei als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Doch selbst dann, wenn die Versiegelung als selbständige Maßnahme (und nicht als Teilaspekt des Befehls zur Vorlage der Gegenstände zwecks Punzierung) angesehen würde, wäre für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Eine Enteignung liege nicht vor, da es zu keiner Vermögensverschiebung komme. Aber auch eine Eigentumsbeschränkung in Form eines auf behördliches Handeln zurückzuführenden "Ruhens" der Veräußerungsbefugnis liege gleichfalls nicht vor, da die Veräußerungsbeschränkung nicht auf der Versiegelung, sondern auf § 29 Abs. 1 lit. b PunzierungsG beruhe, wonach es verboten sei, einen der Punzierungspflicht unterliegenden Gegenstand unpunziert feilzuhalten oder zu veräußern. Auch ohne Versiegelung habe gar keine rechtlich zulässige Möglichkeit bestanden, die Edelmetallgegenstände zu verkaufen. Durch die Versiegelung habe daher keine in der "Unmöglichkeit des Verkaufs" gelegene Eigentumsbeschränkung BEWIRKT werden können. Die Versiegelung habe daher begriffsnotwendig auch keine Zwangsmaßnahme darstellen können. Die Versiegelung habe bloß der Bezeichnung jener Gegenstände gedient, die die beschwerdeführende Partei ohnehin nicht hätte veräußern dürfen. Auch aus dieser Sicht liege sohin kein tauglicher Beschwerdegegenstand vor.
Da ein Eingriff in das Eigentumsrecht nicht vorliege und eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die bekämpfte Maßnahme nicht erfolgt sei, sei seitens der belangten Behörde nicht zu prüfen gewesen, auf welcher rechtlichen Grundlage die Versiegelung basiert habe. Auf die Behauptung der Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung sei somit nicht einzugehen. Die Prüfung der Gültigkeit kundgemachter Verordnungen stehe der belangten Behörde nicht zu (Art. 89 in Verbindung mit Art. 129a Abs. 3 B-VG).
Aus diesen zuletzt genannten Gründen sei § 44 der Durchführungsverordnung nicht anzuwenden, sodaß die Voraussetzungen für einen Verordnungsprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof nicht gegeben seien. Der diesbezügliche Antrag des Beschwerdeführers sei sohin zurückzuweisen - abgesehen davon, daß ein solches Verordnungsprüfungsverfahren bereits anhängig sei.
1.3. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom , B 1663/92, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab. Antragsgemäß wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
1.4. In ihrer Beschwerdeergänzung vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten verletzt, weil die Begründung mangelhaft, unzureichend und unschlüssig sei und weil die beschwerdeführende Partei in ihrem Recht auf freie und ungehinderte Verfügung über die der Konkursmasse gehörenden Silber- und Goldgegenstände verletzt worden sei, "insbesondere im Hinblick einer grob unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes, insbesondere von § 67a Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 67c Abs. 3 AVG durch Beanstandung nicht punzierungspflichtiger Waren, indem durch die faktische Amtshandlung der Organe des Punzierungsamtes Wien die gegenständlichen Gold- und Silberwaren auf Verdacht mitgenommen wurden, wobei die Edelmetallgegenstände von den Organen des Punzierungsamtes Wien ohne rechtlich gedeckte Befugnis zu einer administrativen Sicherstellung zwecks Prüfung und/oder Punzierung eines beanstandeten punzierungspflichtigen oder nicht punzierungspflichtigen Gegenstandes versiegelt wurden, um diese dann erst zu prüfen, ob überhaupt eine Punzierungspflicht vorliegt".
1.5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Die belangte Behörde hat das bei ihr bekämpfte Verwaltungshandeln nicht als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt qualifiziert und die Beschwerde aus diesem Grund zurückgewiesen. Bei diesem Spruchinhalt stellt sich die Frage nicht, ob die Einschränkung der Maßnahmenbeschwerde vor der belangten Behörde auf die behauptete Verletzung des Eigentumsrechtes und der Verletzung von Rechten durch Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung eine Bedeutung für eine materiell-rechtliche Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates gehabt hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/10/0118, mit kritischer Anmerkung von Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht, Kurzkommentar, 302). Der angefochtene Bescheid ist jedenfalls ein tauglicher Beschwerdegegenstand vor dem Verwaltungsgerichtshof. Es könnte auch keinesfalls gesagt werden, daß sich der Beschwerdeführer durch die eingeschränkte Fassung seiner Rechtsverletzungsbehauptung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat der Möglichkeit begeben hätte, den Zurückweisungsbescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung in einfach gesetzlich gewährleisteten Rechten anzufechten. Rechtsverletzungen dieser Art werden vom Beschwerdeführer in der Beschwerdeergänzung vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend gemacht.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, erweist sich die Beschwerde als zulässig.
2.2.1. § 44 der Durchführungsverordnung zum PunzierungsG lautete bis zum Inkrafttreten der Aufhebung des dritten und vierten Satzes dieser Verordnungsstelle durch den Verfassungsgerichtshof mit Ablauf des (Erkenntnis vom , V 4/92, Slg. Nr. 13.181
= ZfVB 1994/1/353):
"Ergibt sich bei der amtlichen Nachschau eine Beanstandung, so ist ein amtlicher Befund in doppelter Ausfertigung aufzunehmen, der von der Partei mit zu unterfertigen ist. Eine Ausfertigung hievon ist der Partei auszufolgen. Die beanstandeten Waren und sonstigen Gegenstände sind vom Warenlager abzusondern, von der Partei zu verpacken, mit dem Siegel des Amtsorgans zu versehen und mit dem aufgenommenen Befund dem Punzierungsamt zu übergeben. Doch kann auch die Partei die Vorlage des versiegelten Paketes innerhalb einer vom Organ der Punzierungsbehörde zu bestimmenden Frist im Punzierungsamt selbst vornehmen."
2.2.2. Die beschwerdeführende Partei geht in ihrer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof selbst davon aus, daß sich die Versiegelung der Waren als eine administrative Sicherstellungsmaßnahme erweise, die sich auf § 44 der Durchführungsverordnung stütze. Der dritte und vierte Satz dieser Verordnungsstelle sei präjudiziell.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Auffassung. Die Absonderung beanstandeter Waren vom Warenlager, die Anordnung der Verpackung durch die Partei und die Versiegelung durch das Amtsorgan finden in der genannten Verordnungsstelle ihre Deckung.
Wenn die beschwerdeführende Partei in den weiteren Ausführungen der Beschwerde - aus dem Verordnungsprüfungsantrag des Verwaltungsgerichtshofes aus Anlaß einer anderen Beschwerdesache zu Zl. A 1/92 (86/17/0099) vom zitierend - die Gesetzmäßigkeit der in dieser Verordnungsstelle den Behördenorganen eingeräumten Befugnissen in Frage stellt und offenbar damit die Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen will, ist sie darauf hinzuweisen, daß § 44 dritter und vierter Satz der Durchführungsverordnung, betreffend die Absonderung und Versiegelung der "beanstandeten Waren und sonstigen Gegenstände", sowohl im Zeitpunkt der Amtshandlung vom als auch in jenem der Erlassung des angefochtenen Bescheides dem Rechtsbestand angehört hat. Die Aufhebung dieser Verordnungsstelle trat nämlich nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 13.181 = ZfVB 1994/1/353, erst mit Ablauf des in Kraft.
Da der Verfassungsgerichtshof keine Rückwirkung der Verordnungsaufhebung ausgesprochen und der vorliegende Beschwerdefall auch keinen Anlaßfall des Verordnungsprüfungsverfahrens gebildet hat, war die getroffene, auf § 44 der Durchführungsverordnung gestützte Maßnahme nicht mit Rechtswidrigkeit wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung belastet. Die belangte Behörde hatte ebenso wie der Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall vom verfassungsrechtlich unangreifbaren Bestand des § 44 dritter und vierter Satz der Durchführungsverordnung auszugehen.
2.2.3. Wenn die belangte Behörde die Präjudizialität des § 44 dritter und vierter Satz der Durchführungsverordnung im Maßnahmenbeschwerdeverfahren mit dem Argument verneint hat, daß die Versiegelung keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dargestellt habe, so ist ihr entgegenzuhalten, daß sie bei Prüfung der Aktqualität die genannten Bestimmungen anzuwenden hatte und auch angewendet hat (Art. 129a Abs. 3 in Verbindung mit Art. 89 und 139 Abs. 1 B-VG). Die Beurteilung, ob die Maßnahme eines Verwaltungsorgans die Merkmale der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG aufweist und als solche bekämpft werden kann, setzt die Anwendung der das Organhandeln regelnden Normen, hier unter anderem des § 44 Abs. 3 und 4 der Durchführungsverordnung, voraus. Die Begründung dafür, warum die belangte Behörde von einer Antragstellung vor dem Verfassungsgerichtshof Abstand genommen hat, erweist sich daher als unzutreffend. Die belangte Behörde hätte sich vielmehr in die Frage der Stichhaltigkeit der vom Beschwerdeführer aufgezeigten Bedenken einlassen (diese allenfalls verneinen) müssen. Daß "ein derartiges Verordnungsprüfungsverfahren ohnehin bereits beim Verfassungsgerichtshof anhängig war" (Gegenschrift Seite 3, angefochtener Bescheid Seite 10), hätte eine Antragstellung - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - im Hinblick auf die Anlaßfallwirkung einer allfälligen Verordnungsaufhebung nicht entbehrlich gemacht.
2.3.1. Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes. Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate in den eben genannten Beschwerdesachen. Gemäß § 67c Abs. 3 AVG ist der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen ist.
2.3.2. Die belangte Behörde beurteilte die Versiegelung der beanstandeten Waren nicht als selbständige Maßnahme, sondern als bloßen "Teilaspekt des Befehls zur Vorlage der Gegenstände zwecks Punzierung". Sie verneinte damit die Qualifikation dieser Maßnahme als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des Art. 129 Abs. 1 Z. 2 B-VG (§ 67a Abs. 1 Z. 2 AVG).
Diese Rechtsauffassung steht im Widerspruch zu jener des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes. So führte der Verfassungsgerichtshof in seinem bereits zitierten Erkenntnis vom , Slg. Nr. 13.182
= ZfVB 1994/1/353, aus, dem antragstellenden Verwaltungsgerichtshof sei beizupflichten, daß die bei diesem bekämpfte Maßnahme nicht im Zusammenhang mit einer verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung der damals beschwerdeführenden Partei bzw. ihrer Organe gestanden sei, sondern eine auf § 44 der Durchführungsverordnung gestützte administrative Sicherstellungsmaßnahme darstelle. Als Grundlage der beim Verwaltungsgerichtshof bekämpften Amtshandlung komme nur die zitierte Verordnungsstelle in Betracht. An anderer Stelle des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes heißt es, § 44 dritter und vierter Satz der Durchführungsverordnung beschränkten sich offenkundig nicht darauf, die in den §§ 18 bis 22 des PunzierungsG geregelte punzierungsamtliche Überwachung zu präzisieren, sondern enthielten der Sache nach eine (darüber hinausgehende) Ermächtigung zur vorläufigen Beschlagnahme (so insbesondere zur Versiegelung).
Der Verwaltungsgerichtshof führte in seinem Erkenntnis vom , Zl. 92/17/0251 = ZfVB 1994/1/174, aus, die angefochtene Maßnahme (Absonderung und Versiegelung) sei nicht im Zusammenhang mit einer verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung gestanden, sondern erweise sich als eine administrative Sicherstellungsmaßnahme, die sich auf § 44 der Durchführungsverordnung stütze. Er qualifizierte die damals angefochtene Maßnahme als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.
2.3.3. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch vor dem Hintergrund des vorliegenden Beschwerdefalles nicht veranlaßt, von dieser Rechtsauffassung abzugehen.
Zutreffend werden im angefochtenen Bescheid die allgemeinen Ausführungen im hg. Beschluß vom , Zl. 89/12/0036 = ZfVB 1991/2/709, zitiert. Dort heißt es, daß ein Akt der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ein behördliches Handeln erfordert, das sich bereits als solches im Bereich des Faktischen auswirkt (arg "unmittelbar"), ohne daß es hiezu weiterer Handlungen bedürfte. Diese Voraussetzung erfüllt ein Sachverhalt aber nur dann, wenn es keines dazwischen geschalteten weiteren Handelns mehr bedarf, um den behördlich gewollten Zustand herzustellen. Der Sachverhalt des eben zitierten Falles selbst ist allerdings mit dem vorliegenden in keiner Weise vergleichbar. Damals ging es um die bloße Aufforderung seitens einer Beamtin der belangten Behörde an den damaligen Beschwerdeführer, ihr einen bestimmten Ausweis auszuhändigen. Der Verwaltungsgerichtshof qualifizierte dies nicht als einen Verwaltungsakt im Sinne des damaligen Art. 130 Abs. 1 lit. b B-VG; damit sei weder unmittelbarer Zwang ausgeübt noch eine Situation geschaffen worden, in der der Beamte eine derartige Zwangsausübung zu gewärtigen gehabt hätte, habe doch die Konsequenz der Nichtaushändigung des Ausweises in der bloßen Befürchtung der Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen ihn bestanden; es sei höchstens ein mittelbarer Zwang zur Befolgung der Aufforderung vorgelegen (Hinweis auf VwSlg. 9439 A/1977 = ZfVB 1978/2/630). Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um einen Befehl mit oder ohne unmittelbaren Gehorsamsanspruch, sondern um ein faktisches Organhandeln, nämlich die Versiegelung von Warenbeständen. Die in ihr verkörperte Norm (die Waren abgesondert zu belassen) ist im Hinblick auf die strafrechtlichen Folgen des Siegelbruches (auf den überdies im Amtlichen Befund hingewiesen wurde) als Akt der Ausübung verwaltungsbehördlicher Zwangsgewalt zu qualifizieren.
Diese Versiegelung darf auch nicht als bloßer "Teilaspekt" des Befehls, die Waren dem Punzierungsamt zur Punzierung vorzulegen, aufgefaßt werden. Ihre rechtlich SELBSTÄNDIGE Bedeutung (Unmittelbarkeit) liegt vielmehr darin, daß der durch sie hergestellte Zustand selbst ein Ziel der Verwaltungsvorschrift darstellt. Durch diese administrative Sicherstellungsmaßnahme der Versiegelung soll der Verkauf der beanstandeten Ware (vorläufig) unterbunden werden. Da es sich bei der Beanstandung nur um eine grobe Prüfung an Ort und Stelle handelt (schlechtes Licht, verschmutzte Punzen, Zweifel über das Zutreffen behaupteter Befreiungstatbestände), erfaßt der Begriff der Beanstandung die nach den Umständen möglichst sorgfältige und sachgemäße Vorprüfung, schließt aber nicht aus, daß Ware, die sich letztlich nach eingehender Prüfung als nicht punzierungspflichtig erweist ebenso von der Versiegelung betroffen sein kann wie punzierungspflichtige Ware. - Auf diesen Umstand hat der Beschwerdeführer überdies sachverhaltsbezogen schon in der Beschwerde vor der belangten Behörde hingewiesen. - Auf diese Art wird die gesamte Ware bis zum behördlich angeordneten Termin der Verfügung durch die Partei entzogen; diese könnte sich z.B. auch nicht kurzfristig entschließen, die Ware zu exportieren und zu diesem Zweck das Amtssiegel zu entfernen. Solcherart erweist sich die getroffene Maßnahme aber nicht nur als eine unselbständige Begleitmaßnahme des Befehls zur Vorlage zwecks Punzierung in Form der Bezeichnung und Erfassung der zu punzierenden Gegenstände, wie dies die belangte Behörde vertreten hat. Sie greift darüber hinaus, indem sie im Dienste des Konsumentenschutzes während des Schwebezustandes bis zur Klärung der Punzierungspflicht und der allfälligen Punzierung in den Räumlichkeiten der Behörde jegliche Verfügung durch den Verfügungsberechtigten unterbindet (vgl. in diesem Sinne schon das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , der die Regelung der Sache nach als eine Maßnahme der vorläufigen Beschlagnahme bezeichnet, also als einen behördlichen Eingriff in Form der zwangsweisen Entziehung eines Gegenstandes zum Zwecke seiner Verwahrung). Auch das Vorliegen des Begriffsmerkmals der Unmittelbarkeit der Maßnahme ist somit zu bejahen.
2.3.4. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien bekämpfte punzierungsamtliche Versiegelung von Edelmetallgegenständen aus dem gemeinschuldnerischen Vermögen zu Unrecht nicht als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt beurteilt wurde. Die durch den angefochtenen Bescheid ausgesprochene Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
2.4. Da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt, konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.
2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Mit dem Schriftsatzaufwandpauschale ist der gesamte Schriftsatzaufwand des Verfahrens abgegolten. Ersatz der auf der Verfassungsgerichtshofbeschwerde entrichteten Stempelmarken kann im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zugesprochen werden. In dem Verfahren betreffend eine sogenannte Sukzessivbeschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof genügt einmal die Vorlage des angefochtenen Bescheides in einfacher Ausfertigung. Stempelgebührenersatz war vor dem Verwaltungsgerichtshof für den Mängelverbesserungsschriftsatz in dreifacher Ausfertigung, für eine weitere Ausfertigung der Verfassungsgerichtshofbeschwerde und für eine Replik zuzusprechen. Das Mehrbegehren war abzuweisen.
2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.