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VwGH vom 29.09.1997, 93/17/0101

VwGH vom 29.09.1997, 93/17/0101

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. H in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MD-VfR - L 28/92, betreffend Müllabfuhrabgabe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/17/0110, verwiesen. Mit dem genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den damals angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, weil die Berufung des Beschwerdeführers gegen die erstinstanzliche Erledigung mangels eines tauglichen Berufungsgegenstandes hätte zurückgewiesen werden müssen. Dies deshalb, weil (noch) § 70 WAO in der Fassung vor der Novelle LGBl. für Wien Nr. 21/1988 anzuwenden gewesen sei. Die Berücksichtigung von Sachverhalts- oder Rechtsänderungen, die sich zwischen dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung und dem Zeitpunkt der Fällung des Erkenntnisses des Gerichtshofes ereigneten, durch den Verwaltungsgerichtshof sei in den Fällen einer gesetzlichen Rückwirkungsanordnung der vorliegenden Art (durch die zitierte Novelle) ausgeschlossen.

Im fortgesetzten Verfahren wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der bekämpfte (erstinstanzliche) Bescheid (neuerlich) mit der Abänderung bestätigt, daß die Abgabe erst ab vorgeschrieben wird. Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Zur Begründung heißt es im wesentlichen, im Hinblick darauf, daß in Anwendung des § 70 Abs. 2 in Verbindung mit Art. II der WAO-Novelle LGBl. für Wien Nr. 21/1988 der der erstinstanzlichen Erledigung anhaftende Mangel nunmehr von Gesetzes wegen saniert sei, erkenne die Berufungsbehörde erneut in der Sache selbst. Mit Verordnung des Magistrates vom "" (gemeint offenbar die Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom , kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 5 vom ) sei für die gegenständliche Siedlung "Augustinerwald" ein gemeinsamer Standplatz festgesetzt worden; dem Wortlaut dieser Verordnung sei eindeutig zu entnehmen, daß die Liegenschaft durch die Verordnung selbst in die öffentliche Müllabfuhr einbezogen worden sei. Da die Liegenschaft nun ungeachtet ihrer Lage, die aus technischen Gründen eine Entsorgung der Liegenschaft ohne gemeinsamen Standplatz ausschließen würde, in die öffentliche Müllabfuhr einbezogen sei, sei gemäß § 6 Abs. 4 des Müllabfuhrgesetzes in Verbindung mit § 12 Abs. 4 die Abgabe spruchgemäß festzusetzen gewesen. Da die Verordnung erst am kundgemacht worden sei, habe die Abgabepflicht erst mit begonnen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichtfestsetzung einer Müllabfuhrabgabe für seine Liegenschaft verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird zunächst dargelegt, die Ansicht der belangten Behörde, der Mangel der erstinstanzlichen Erledigung (keine Unterschrift des Genehmigenden auf der Urschrift) sei nunmehr durch die neue Rechtslage saniert, treffe eben auf der Grundlage der aus dem Vorerkenntnis hervorleuchtenden Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht.

Tragender Entscheidungsgrund des zitierten Vorerkenntnisses vom war, daß die erst nach Erlassung des (damals) angefochtenen Bescheides eingetretene Änderung der Rechtslage durch die WAO-Novelle LGBl. für Wien Nr. 21/1988 unberücksichtigt zu lassen war (ungeachtet deren gesetzlicher Rückwirkungsanordnung).

Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hat. Die belangte Behörde war daher verpflichtet, neuerlich in der Sache selbst zu entscheiden, wobei eine Bindung der Behörde durch ein vorausgegangenes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nur insofern besteht, als sich nicht Sachverhalt und Rechtslage geändert haben (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2586/54, Slg. Nr. 4084A/1956). Nach Erlassung des im zur Zl. 88/17/0110 angefochtenen (und aufgehobenen) Bescheides hat sich aber nunmehr die Rechtslage geändert und war die Behörde verpflichtet diese Änderung der Rechtslage, ungeachtet des vorhergegangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom unter Zugrundelegung der nunmehr für ihre Entscheidung maßgeblichen Normen zu entscheiden (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 91/17/0014). Die Fallkonstellation, daß sich nach Erlassung des angefochtenen Bescheides aber vor dem Zeitpunkt der Fällung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtslage (wenn auch rückwirkend) geändert hat, trifft (nunmehr) nicht zu.

Mit der am im Landesgesetzblatt für Wien ausgegebenen WAO-Novelle LGBl. Nr. 21/1988 erhielt aber der § 70 Abs. 2 WAO folgende neue Fassung:

"(2) Ausfertigungen, die mittels einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage hergestellt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung und gelten, wenn sie weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung aufweisen, als durch den Leiter jener Dienststelle der Abgabenbehörde, um deren Erledigung es sich handelt, genehmigt."

Zufolge Art. II dieser WAO-Novelle gilt die Neufassung des § 70 Abs. 2 WAO auch für vor dem Inkrafttreten hergestellte Ausfertigungen.

Diese Rechtslage hatte die belangte Behörde (nunmehr) zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides anzuwenden und hat sie auch angewendet. Auf dem Boden dieser Rechtslage hat der Verwaltungsgerichtshof (nunmehr) den angefochtenen Bescheid auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Der der erstinstanzlichen Erledigung (ursprünglich) anhaftende Mangel, daß sie die Unterschrift des Genehmigenden auf der Urschrift nicht aufweist, ist damit aber (nunmehr) durch die rückwirkende Änderung der Rechtslage saniert.

Die Beschwerde ist aber begründet, soweit geltend gemacht wird, die gegenständliche Liegenschaft sei am (dem Tag vor dem Inkrafttreten des Müllabfuhrgesetzes 1965) von der öffentlichen Müllabfuhr ausgeschlossen gewesen. Eine bescheidmäßige Einbeziehung sei bislang nicht erfolgt, sodaß die gegenständliche Liegenschaft nach wie vor von der öffentlichen Müllabfuhr ausgeschlossen sei.

Die maßgeblichen Bestimmungen des im Beschwerdefall noch anzuwendenden Müllabfuhrgesetzes 1965, LGBl. für Wien Nr. 19, hatten folgenden Wortlaut:

"§ 3

Einbeziehung und Ausschluß

(1) In die öffentliche Müllabfuhr sind alle im Gebiet der Stadt Wien gelegenen Liegenschaften einbezogen, sofern sie nicht von der öffentlichen Müllabfuhr gemäß Abs. 2 und 3 ausgeschlossen oder gemäß § 4 ausgenommen sind.

(2) Von der öffentlichen Müllabfuhr sind bis zu einer bescheidmäßigen Einbeziehung Liegenschaften ausgeschlossen, von denen die Abfuhr des Mülls wegen der Lage der Liegenschaften oder aus technischen oder betrieblichen Gründen im Bereiche der öffentlichen Müllabfuhr nicht möglich oder erheblich erschwert ist.

(3) Treten bei jenen Liegenschaften, die in die öffentlichen Müllabfuhr einbezogen sind, nachträglich Ausschlußgründe im Sinne des Abs. 2 ein und wären auch Maßnahmen gemäß § 6 Abs. 4 lit. a oder b mit erheblichen Schwierigkeiten für die Stadt Wien verbunden, dann sind diese Liegenschaften von der öffentlichen Müllabfuhr bescheidmäßig auszuschließen. Nach Wegfall der für den Ausschluß maßgeblichen Verhältnisse hat wieder die bescheidmäßige Einbeziehung in die öffentliche Müllabfuhr zu erfolgen.

§ 6

Einrichtungen der öffentlichen Müllabfuhr

...

(4) Wo nach Einbeziehung in die öffentliche Müllabfuhr wegen der Beschaffenheit des Geländes, der Durchführung von Bauarbeiten, behördlicher Verfügungen oder technischer oder betrieblicher Gründe im Bereiche der öffentlichen Müllabfuhr die Zufahrt zu einer Gruppe von Liegenschaften nicht oder zeitweise nicht möglich ist, kann der Magistrat durch Verordnung anordnen,


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a)
daß bloß Gefäße auf einem vom Magistrat festgesetzten gemeinsamen Standplatz zu benützen oder
b)
daß Kleingefäße zwecks Entleerung an einen vom Magistrat bestimmten Platz zu bringen sind.

Der gemeinsame Platz nach lit. a und b ist so festzusetzen, daß er zur Liegenschaftsgruppe so nahe wie möglich liegt.

...

§ 12

Abgabepflicht

(1) Die Abgabepflicht besteht für die in die öffentliche Müllabfuhr einbezogenen Liegenschaften, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die öffentliche Müllabfuhr tatsächlich benützt wird oder nicht.

...

§ 13

Beginn, Änderungen und Ende der Abgabepflicht

(1) Die Abgabepflicht beginnt bei Liegenschaften, die in die öffentliche Müllabfuhr einbezogen sind (§ 3 Abs. 1) oder in diese einbezogen werden (§ 3 Abs. 2 und 3, § 4 Abs. 4), mit dem ersten Tag des Monates, der auf die Bereitstellung der Einrichtungen der öffentlichen Müllabfuhr folgt.

...

§ 23

Wirksamkeitsbeginn und Übergangsbestimmungen

...

(4) Liegenschaften, die am Tag vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes von der öffentlichen Hauskehrichtabfuhr ausgeschlossen oder ausgenommen waren, bleiben bis zu einer bescheidmäßigen Einbeziehung von der öffentlichen Müllabfuhr ausgeschlossen oder ausgenommen. Die Einbeziehung hat zu erfolgen, wenn ein Ausschluß - oder ein Ausnahmegrund nach § 3 oder § 4 - nicht gegen ist.

..."

Im Beschwerdefall ist nicht strittig, daß die gegenständliche Liegenschaft am Tag vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes von der öffentlichen Hauskehrichtabfuhr ausgeschlossen war und daß eine bescheidmäßige Einbeziehung in die öffentliche Müllabfuhr nicht erfolgt ist. Strittig ist vielmehr, ob eine Einbeziehung in die öffentliche Müllabfuhr durch die Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom erfolgt ist (und damit die Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 1 Müllabfuhrgesetz 1965 erfüllt sind).

Die genannte Verordnung (kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 5 vom , S. 41) hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Gemäß § 6 Abs. 4 des Wiener Landesgetzes 1965, 14. Stück vom (Müllabfuhr im Gebiet der Stadt Wien und die Einhebung einer Abgabe hiefür - Müllabfuhrgesetz 1965), in der Novellierung 1985, wird für sämtliche Liegenschaften der Siedlung "Augustinerwald" im 14. Wiener Gemeindebezirk verordnet, daß der zur Abfuhr bestimmte Müll ausschließlich in die dafür bereitgestellten Großgefäße auf dem gemeinsamen Standplatz (Standort gemäß Orientierungsplan) einzubringen ist und gemäß § 6 Abs. 1 eigenmächtige Veränderungen der (des) Aufstellungsorte(s) untersagt sind.

Im Sinne dieser Verordnung haben die nachstehenden Liegenschaften die gemeinsamen Standplätze für Großgefäße zu benützen:

EZ/Bl Nr: ..."

Wie der Beschwerdeführer zutreffend geltend macht, steht der von der Behörde vertretenen Rechtsmeinung, wonach dem Wortlaut dieser Verordnung "eindeutig" zu entnehmen sei, daß (u.a.) die Liegenschaft des Beschwerdeführers durch die Verordnung selbst in die öffentliche Müllabfuhr einbezogen worden sei, der Gesetzestext des § 6 Abs. 4 Müllabfuhrgesetz 1965 entgegen (arg.: "Wo nach Einbeziehung ..."). Daß die Verordnungsermächtigung des § 6 Abs. 4 Müllabfuhrgesetz 1965 auf Maßnahmen für bereits in die öffentliche Müllabfuhr einbezogene Grundstücke abstellt, wird dabei auch aus § 3 Abs. 3 Müllabfuhrgesetz 1965 ersichtlich, der einen bescheidmäßigen Ausschluß aus der öffentlichen Müllabfuhr nur dann als zulässig bestimmt, wenn sogar die im § 6 Abs. 4 vorgesehenen Möglichkeiten mit erheblichen Schwierigkeiten für die Stadt Wien verbunden wären. Gerade aus der Regelung des § 3 Abs. 3 Müllabfuhrgesetz 1965 leuchtet der Zweck der Verordnungsermächtigung des § 6 Abs. 4 Müllabfuhrgesetz 1965 hervor, eine Handhabe dafür zu bieten, daß nachträgliche (nach - auch bescheidförmiger - Einbeziehung von Grundstücken in die öffentliche Müllabfuhr) Änderungen der Verhältnisse nicht wiederum zu einem (bescheidmäßigen) Ausschluß von der öffentlichen Müllabfuhr führen müssen.

Diese Rechtsauffassung, daß die Verordnungsermächtigung des § 6 Abs. 4 leg. cit. auf Maßnahmen für bereits in die öffentliche Müllabfuhr einbezogenen Grundstücke abstellt, findet ihre Stütze auch darin, daß, worauf der Beschwerdeführer zutreffend hinweist, § 13 Abs. 1 Müllabfuhrgesetz 1965 als Voraussetzung für den Beginn der Abgabepflicht - hinsichtlich der Einbeziehung von Grundstücken in die öffentliche Müllabfuhr - lediglich auf § 3 Abs. 2 und 3 sowie § 4 Abs. 4 abstellt, nicht jedoch auf § 6 Abs. 4.

Vor dem Hintergrund dieses normativen Inhaltes der Verordnungsermächtigung des § 6 Abs. 4 leg. cit. sowie der gebotenen gesetzeskonformen Auslegung der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom - die Verordnung nennt als gesetzliche Grundlage die Verordnungsermächtigung des § 6 Abs. 4 Müllabfuhrgesetz 1965 - ist der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, daß mit der genannten Verordnung nicht auch eine entgegen § 23 Abs. 4 leg. cit. nicht bescheidmäßige Einbeziehung der dort genannten Grundstücke in die öffentliche Müllabfuhr vorgenommen werden sollte. Auch der Wortlaut dieser Verordnung zwingt nicht zu einer gegenteiligen Auffassung, weil darin (nur) normativ bestimmt wird, in welche Großgefäße der zur Abfuhr bestimmte Müll ausschließlich einzubringen ist, und daß eigenmächtige Veränderungen der (des) Aufstellungsorte(s) untersagt sind.

Die belangte Behörde verkannte somit die Rechtslage, wenn sie von der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 1 Müllabfuhrgesetz 1965 ausging, wonach die Abgabepflicht (nur) für die in die öffentliche Müllabfuhr einbezogenen Liegenschaften besteht.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenmehraufwand.