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VwGH vom 14.05.1991, 90/14/0149

VwGH vom 14.05.1991, 90/14/0149

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der N OHG gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom , Zl. 30.546-3/89, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften 1977 bis 1980, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende OHG, deren Gesellschafter R. und H. sind, hat mit Vertrag vom ein bis dahin von ihr selbst betriebenes Restaurant an die X. GmbH & Co KG (kurz: KG) verpachtet, an welcher R. und H. als Kommanditisten beteiligt sind. Die Pachtzahlungen erklärte die Beschwerdeführerin in den Streitjahren als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, bei der KG wurden sie als Betriebsausgaben abgezogen (vgl. auch die Sachverhaltsangaben im die KG und spätere Streitjahre betreffenden hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/14/0019).

Die Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften der beiden Gesellschaften für 1977 bis 1980 ergingen zunächst erklärungsgemäß. Im Anschluß an 1984 durchgeführte Betriebsprüfungen vertrat das Finanzamt sodann jedoch die Auffassung, die Pachtzahlungen seien den Kommanditisten R. und H. als besondere Vergütungen gemäß § 23 Z. 2 EStG 1972 im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften der KG zuzurechnen. Bei der Beschwerdeführerin sei ein Feststellungsverfahren gemäß § 188 BAO nicht durchzuführen. Das Finanzamt verfügte für die Prüfungsjahre bei beiden Gesellschaften die Wiederaufnahme der Gewinnfeststellungsverfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO und erließ der Rechtsansicht des Prüfers entsprechende neue Sachbescheide; bei der Beschwerdeführerin wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb jeweils mit Null festgestellt.

Im Berufungsverfahren hob die belangte Behörde die an die KG ergangenen Bescheide über die Wiederaufnahme der Gewinnfeststellungsverfahren 1977 bis 1980 auf. Damit schieden gemäß § 307 Abs. 3 BAO die nach der Betriebsprüfung erlassenen neuen Sachbescheide betreffend Feststellung von Einkünften 1977 bis 1980 aus dem Rechtsbestand aus; die Erstbescheide, in denen die Pachtzahlungen für das Restaurant als Betriebsausgaben abgezogen worden waren, lebten wieder auf.

Hinsichtlich der Beschwerdeführerin erließ das Finanzamt gemäß § 295 BAO geänderte Bescheide, mit denen für 1977 bis 1980 Einkünfte aus Gewerbebetrieb entsprechend den Erstbescheiden einheitlich und gesondert festgestellt wurden.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung und wendete ein, es fehle an verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine Änderung der rechtskräftigen "Nullbescheide".

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Trotz der teilweisen Identität der Gesellschafter der Beschwerdeführerin und jener der KG sei der Gewinnfeststellungsbescheid der Beschwerdeführerin vom Gewinnfeststellungsbescheid der KG, an der die Beschwerdeführerin selbst nicht beteiligt sei, nicht abgeleitet im Sinne des § 295 Abs. 1 BAO. Es bestehe jedoch eine Bindungswirkung nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle. Eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO hätte nämlich bei der Beschwerdeführerin nur dann zu erfolgen, wenn das Restaurant nicht steuerlich Betriebsvermögen bei der KG (Sonderbetriebsvermögen der Kommanditisten R. und H.) darstellen würde und die Pachtzahlungen daher nicht schon im Gewinnfeststellungsverfahren der KG als Sondervergütungen der Kommanditisten zu erfassen wären. Diese Frage sei aber im Verfahren über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften der KG zu entscheiden. Der Feststellungsbescheid der KG habe daher gegenüber jenem der Beschwerdeführerin grundlagenähnliche Wirkung im Sinne des § 295 Abs. 3 BAO. In den nach der Betriebsprüfung an die Beschwerdeführerin erlassenen "Nullbescheiden" sei das Finanzamt den Feststellungen in den gleichzeitig an die KG ergangenen Gewinnfeststellungsbescheiden, in denen die Pachtzahlungen für das Restaurant den Kommanditisten R. und H. nach § 23 Z. 2 EStG zugerechnet worden seien, gefolgt. Durch die Beseitigung dieser Bescheide und das Wiederaufleben der Erstbescheide auf Grund der Berufungsentscheidung sei diese für das Gewinnfeststellungsverfahren der Beschwerdeführerin maßgebliche Rechtsfrage bei der KG für die Streitjahre aber nun anders entschieden worden. Die an die Beschwerdeführerin gerichteten "Nullbescheide" hätten nicht ergehen dürfen, wären bei ihrer Erlassung die an die KG ergangenen Gewinnfeststellungsbescheide, in denen die Pachtzahlungen für das Restaurant nicht § 23 Z. 2 EStG unterstellt worden seien, bereits (wieder) in Geltung gestanden. Das Wiederaufleben der an die KG erlassenen Erstbescheide, in denen die Pachtzahlungen als Betriebsausgaben abgezogen worden seien, komme einer Neuerlassung dieser Bescheide im Sinne des § 295 BAO gleich. Bei der Beschwerdeführerin hätten daraufhin die rechtskräftigen "Nullbescheide" auf Grund des § 295 Abs. 3 BAO geändert werden können.

Durch diesen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht verletzt, im Hinblick auf die "rechtskräftigen und unabänderlichen Wiederaufnahmebescheide" (gemeint offenbar: die im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen "Nullbescheide") für 1977 bis 1980 "keine Steuer von Einkünften aus Gewerbebetrieb bezahlen zu müssen" (gemeint offenbar: keiner Feststellung von - positiven - Einkünften aus Gewerbebetrieb zu unterliegen). Sie fühlt sich durch unrichtige Anwendung der §§ 295 und 302 Abs. 1 BAO beschwert und beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 295 Abs. 1 BAO ist ein Bescheid, der von einem Feststellungsbescheid abzuleiten ist, ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Gemäß § 295 Abs. 3 BAO sind Abgaben-, Feststellungs-, Meß-, Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheide ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, auch ansonsten zu ändern oder aufzuheben, wenn der Spruch dieser Bescheide anders hätte lauten müssen oder diese Bescheide nicht hätten ergehen dürfen, wäre bei Erlassung eines der vorgenannten Bescheide ein anderer Bescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder erlassen gewesen.

Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die erwähnten "Nullbescheide" hätten nicht als abgeleitete Bescheide angesehen werden dürfen, ist zu bemerken, daß die belangte Behörde nicht annahm, die die Beschwerdeführerin betreffenden Feststellungsbescheide wären von den die KG betreffenden Feststellungsbescheiden im Sinne des § 295 Abs. 1 BAO abgeleitet. Abs. 3 der zitierten Bestimmung geht aber vom Erfordernis der gesetzlich vorgesehenen Abhängigkeit von - mit Folgewirkung ausdrücklich ausgestatteten - Grundlagenbescheiden ab und ordnet eine Änderung oder Aufhebung auch dann an, wenn der Spruch von später ergehenden Bescheiden "anders hätte lauten müssen oder diese Bescheide nicht hätten ergehen dürfen", wäre bei Erlassung eines späteren Bescheides ein vorangehender "anderer Bescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder erlassen gewesen". Bei diesen "anderen" Bescheiden handelt es sich somit nicht um förmliche Grundlagenbescheide, sondern um Bescheide, die diesen ähnlich sind und in ihren Wirkungen materiell andere Bescheide beeinflussen (vgl. Stoll, BAO Handbuch, Seite 704 f).

Der Gerichtshof teilt die - von der Beschwerdeführerin ohne jede Begründung mißbilligte - Auffassung der belangten Behörde, daß im Beschwerdefall die an die Beschwerdeführerin und an die KG ergangenen Feststellungsbescheide zueinander in einem solchen Verhältnis stehen. Die "Grundlagenähnlichkeit" ergibt sich hiebei aus einer besonderen Konstellation der Verwaltungsverfahren: Beide in Rede stehenden Gesellschaften wurden gleichzeitig abgabenbehördlich überprüft; die Berichte gemäß § 150 BAO stammen jeweils vom . Im die Beschwerdeführerin betreffenden Bericht wurde auf die Betriebsprüfung bei der KG und die im diesbezüglichen Bericht festgehaltene abgabenrechtliche Beurteilung des Pachtverhältnisses verwiesen; nach den Feststellungen des die KG betreffenden Berichtes (Behandlung der Pachtzahlungen als Vergütungen im Sinne des § 23 Z. 2 EStG) sei das Verfahren (bei der Beschwerdeführerin) wieder aufzunehmen und die Höhe der gemeinschaftlichen Einkünfte mit Null festzustellen. Die den Prüfungsberichten folgenden Wiederaufnahmebescheide und die neuen Sachbescheide stammen bei beiden Gesellschaften vom . Die Erlassung von Nullbescheiden bei der Beschwerdeführerin war demnach die ausdrückliche Konsequenz einer steuerlichen Erfassung der Pachtzahlungen bei der KG, wie sie gleichzeitig auch vorgenommen wurde. Durch den Berufungserfolg der KG wurden die Pachtzahlungen bei dieser aber letztlich nicht erfaßt; die entsprechenden Erstbescheide lebten durch die Berufungsentscheidung wieder auf. Dies berechtigte die Behörde wegen der dargestellten engen Verknüpfung der die beiden Gesellschaften betreffenden Bescheide, wie sie sich aus den ihnen zugrundeliegenden Prüfungsberichten ausdrückllich ergibt, nun im Feststellungsverfahren der Beschwerdeführerin gemäß § 295 Abs. 3 BAO vorzugehen und ohne Rücksicht auf die Rechtskraft neue Sachbescheide zu erlassen. Der Gerichtshof erachtet dabei für rechtserheblich, daß die steuerlichen Auswirkungen denselben Personenkreis treffen, nämlich jene Personen, die sowohl an der beschwerdeführenden OHG als auch an der KG beteiligt sind.

Soweit sich die Beschwerdeführerin auf die Bestimmung des § 302 Abs. 1 BAO beruft, wonach Maßnahmen gemäß § 295 BAO nur bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zulässig sind, ist ihr entgegenzuhalten, daß nur die Festsetzung und die Einhebung einer Abgabe durch die eingetretene Verjährung begrenzt werden kann, weshalb die Befristung des § 302 Abs. 1 erster Halbsatz BAO Feststellungsbescheide - wie die gegenständlichen - nicht erfaßt (vgl. Stoll a.a.O., Seite 718 sowie auch Seite 485 f).

Die Beschwerdeführerin wurde im Rahmen des Beschwerdepunktes in ihren Rechten nicht verletzt, weshalb ihre Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.