VwGH vom 14.05.1991, 90/14/0148
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat I) vom , Zl. 125-GA3 BK-DHu/88, betreffend Einkommensteuer 1977 bis 1980, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Primararzt in S., wo er auch wohnt, und besitzt seit 1976 eine Landwirtschaft im Bereich des Finanzamtes V. Seit 1977 wurden negative Einkünfte aus der Landwirtschaft an das Finanzamt S. erklärt und von diesem mit positiven Einkünften aus selbständiger Arbeit ausgeglichen. Eine Betriebsprüfung des Finanzamtes S. im November 1980 über die Jahre 1976 bis 1978 bestätigte die negativen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Im Jahr 1984 erkannte das Finanzamt S. im Zuge einer Betriebsprüfung über die Jahre 1979 bis 1982, daß für die Feststellung der Einkünfte aus der Landwirtschaft das Finanzamt V. zuständig ist. Das Finanzamt V. beurteilte die Land- und Forstwirtschaft in der Folge nicht als Einkunftsquelle. Dementsprechend erließ das Finanzamt S. im Jahr 1986 neue Einkommensteuerbescheide 1977 bis 1980 gemäß § 295 BAO.
Die hiegegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers, in der Verjährung und für 1977 und 1978 Steueramnestiewirkungen geltend gemacht wurden, wies die belangte Behörde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid als unbegründet ab.
Verjährung sei nicht eingetreten, weil die Verjährungsfristen durch verschiedene Verfolgungshandlungen unterbrochen worden seien. Für 1977 und 1978 sei die Verjährungsfrist durch eine Berufungsvorentscheidung vom unterbrochen worden. Die im Jahr 1984 vorerst für die Jahre 1980 bis 1982 vorgesehene Betriebsprüfung sei noch 1984 auf das Jahr 1979 ausgedehnt worden. Die diesbezügliche Unterbrechungshandlung habe in einer schriftlichen Aufforderung vom an den damaligen Steuerberater bestanden, Unterlagen für die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung 1979 einzubringen. Des weiteren sei der steuerliche Vertreter am anläßlich einer Besprechung aufgefordert worden, einen Arbeitsbogen für 1979 nachzureichen. Eine weitere Verfolgungshandlung sei vom Finanzamt am dadurch gesetzt worden, daß ein anderes Finanzamt im Wege der Amtshilfe ersucht worden sei, bei einem Unternehmen zu erheben, welche Zahlungen der Beschwerdeführer von diesem im Zeitraum 1979 bis 1982 erhalten habe.
Das hiefür zuständige Lagefinanzamt habe bescheidmäßig vorläufig festgestellt, daß gesonderte Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nicht vorliegen; diese Feststellung sei im Einkommensteuerbescheid zu übernehmen gewesen. Die Betriebsprüfung 1980 sei (insoweit) von einer unzuständigen Behörde, dem Finanzamt S., vorgenommen worden, und daher ein Nicht-Akt. Für die (folgende) Betriebsprüfung des Finanzamtes V. komme das Wiederholungsverbot daher nicht zum Tragen. Der genannte Nicht-Akt belaste zwar die darauf fußenden Bescheide mit Gesetzwidrigkeit; auch ein gesetzwidriger Bescheid unterbreche aber die Verjährung. Durch die nunmehr bekämpften Bescheide sei die Sanierung erfolgt.
Für die Jahre 1977 und 1978 könnten die Wirkungen der Steueramnestie nicht eintreten, weil sich aus den Akten der Jahre 1979 bis 1980, welcher Zeitraum gemäß § 1 StAmnG ausschlaggebend sei, kein Hinweis auf die Investitionsrücklage 1975 bzw. deren (unterlassene) Auflösung ergebe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluß vom , B 495/89, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Vor diesem erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid, dessen Aufhebung er beantragt, in seinen Rechten auf Beachtung der Verjährung und des für eine abgabenrechtliche Prüfung geltenden Wiederholungsverbotes sowie auf Zubilligung der Begünstigungen des Steueramnestiegesetzes verletzt.
Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer unterläßt es, sich mit den von der belangten Behörde - zutreffend - genannten Amtshandlungen, die zur Verjährungsunterbrechung gemäß § 209 Abs. 1 BAO geführt haben, im einzelnen auseinanderzusetzen. Auch der Verwaltungsgerichtshof vermag im Hinblick auf die aktenkundigen zahlreichen Unterbrechungshandlungen nicht zu erkennen, daß Verjährung eingetreten wäre.
Der Beschwerdeführer führt lediglich ins Treffen, die belangte Behörde dürfe die Betriebsprüfung (1980) und die darauf aufbauenden Bescheide nicht einerseits, was die Frage des Verbotes der Wiederholung der abgabenbehördlichen Prüfung anlange, als Nicht-Akte bezeichnen, andererseits diesen Nicht-Akten aber verjährungsunterbrechende Wirkung zubilligen.
Unrichtig ist zunächst, daß die belangte Behörde die nach der Betriebsprüfung 1980 ergangenen Bescheide als Nicht-Akte bezeichnet hätte; vielmehr stellte sie bloß Erwägungen über deren Rechtswidrigkeit an. Richtig ist, daß sie hinsichtlich der Betriebsprüfung 1980 von einem Nicht-Akt sprach. Dem Beschwerdeführer ist zuzubilligen, daß diese Qualifikation verfehlt war. Auch wenn vom sachlich zuständigen Wohnsitzfinanzamt S. in die Betriebsprüfung die Einkünfte des Beschwerdeführers aus Land- und Forstwirtschaft einbezogen wurden, obwohl hiefür das Lagefinanzamt V. örtlich zuständig war, konnte dies der Betriebsprüfung nicht den Charakter einer Amtshandlung nehmen. Selbst ein gesetzwidriger Verwaltungsakt einer sachlich zuständigen Abgabenbehörde unterbricht aber die Verjährung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/15/0131). Somit hatte auch die Betriebsprüfung des Finanzamtes S. im Jahr 1980 Unterbrechungswirkung, worauf sich die belangte Behörde im übrigen im Hinblick auf andere Unterbrechungshandlungen aber gar nicht stützte.
2. Der Beschwerdeführer rügt, daß (für die Jahre 1977 und 1978) entgegen der Bestimmung des § 148 Abs. 3 BAO eine wiederholte Prüfung seines landwirtschaftlichen Betriebes - zuerst durch das Wohnsitzfinanzamt, dann durch das Lagefinanzamt - vorgenommen wurde.
Zunächst ist hiezu zu bemerken, daß die Verletzung des Verbotes der wiederholten Prüfung des gleichen Zeitraumes an sich sanktionslos ist und lediglich bei der Ermessensprüfung, ob tatsächlich eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorgenommen werden soll, Berücksichtigung finden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/13/0168); ein Wiederaufnahme-Fall liegt hier aber nicht vor. Wenn überhaupt, könnte im Beschwerdefall durch eine allenfalls unzulässige Prüfungswiederholung das Feststellungsverfahren des Wohnsitzfinanzamtes mängelbehaftet sein. Die behauptete Fehlerhaftigkeit des Feststellungsbescheides ist gemäß § 252 Abs. 1 BAO bei Überprüfung des angefochtenen abgeleiteten Bescheides aber nicht zu untersuchen.
3. Was die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Rechtskraft der früheren Bescheide und zur Unterlassung einer Wiederaufnahme des Verfahrens anlangt, so verkennt er die Bestimmung des § 295 Abs. 1 BAO. Danach ist ein Bescheid, der von einem Feststellungsbescheid abzuleiten ist, OHNE RÜCKSICHT DARAUF, OB DIE RECHTSKRAFT EINGETRETEN IST, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder ERLASSUNG des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben.
Unrichtig ist, daß § 295 BAO nur den Fall der Änderung des Feststellungsbescheides im Auge hätte; vielmehr wird seit der insoweit klarstellenden Novelle BGBl. Nr. 134/1969 der Fall der nachträglichen Erlassung des Feststellungsbescheides ausdrücklich erwähnt. Schon vor dieser Gesetzesänderung hat der Verwaltungsgerichtshof aber die in Rede stehende Bestimmung in diesem Sinne ausgelegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 4798/F). § 295 BAO ordnet dem Gebot der Folgeänderung somit auch Fälle unter, in denen der Grundlagenbescheid später ergeht als der Folgebescheid (vgl. Stoll, BAO Handbuch, Seite 704).
Dies bedeutet für den Beschwerdefall, daß nach Erlassung der Grundlagenbescheide gemäß § 187 Z. 1 BAO durch das örtlich zuständige Lagefinanzamt V. (§ 53 Abs. 1 lit. a BAO) zu Recht neue Bescheide gemäß § 295 Abs. 1 BAO ergangen sind, ohne daß es noch darauf ankäme, ob die - nicht gegenständlichen - ersetzten Bescheide rechtswidrig waren, weil sie hinsichtlich der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nicht auf Feststellungsbescheiden aufbauten.
4. Schließlich ist noch auf die Frage der Steueramnestie einzugehen:
Gemäß § 7 Abs. 1 StAmnG sind die §§ 1 (Grundvoraussetzungen), 3 (Fälle der Nichtanwendung) und 4 (ergänzende Regelungen zu den Grundvoraussetzungen) auf Bescheide gemäß den §§ 185 bis 195 BAO sinngemäß anzuwenden, somit auch auf Bescheide gemäß § 187 BAO.
Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1212 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XV. Gesetzgebungsperiode) soll die Bestimmung sicherstellen, daß hinsichtlich Bescheiden gemäß den §§ 185 bis 195 BAO die Prüfung der Voraussetzungen für die Anwendung des § 1 Abs. 1 isoliert - nämlich unabhängig von der Abgabenfestsetzung - zu erfolgen hätte, was aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung geboten erscheint.
Die Amnestievoraussetzungen und -wirkungen erstrecken sich nicht nur auf die unter den Anwendungsbereich des StAmnG fallenden Abgaben (§ 2) und - in tatsächlicher Sicht - auf die Grundlagen dieser Abgaben, die in den entsprechenden Abgabenbescheiden originär festgesetzt werden. § 7 Abs. 1 bestimmt nämlich (darüber hinaus), daß die normierten Amnestievoraussetzungen und -wirkungen auch für die der Abgabenfestsetzung vorgeschalteten bescheidmäßigen Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen sinngemäß gelten. Es kann daher nicht genügen, wenn ein Abgabepflichtiger hinsichtlich aller von ihm geschuldeten Abgaben der in § 2 aufgezählten Art die Amnestievoraussetzungen erfüllt. Er muß diese Voraussetzungen auch für die im geordneten Verfahrensablauf vorangehenden Grundlagenbescheide erfüllen, wie aber andererseits die allgemeinen Amnestiewirkungen auch diesen Bescheiden zugute kommen können (Stoll, Steueramnestie, Seite 32; vgl. auch Ellinger-Bibus-Ritz-Quantschnigg, Kommentar zum Steueramnestiegesetz, Seiten 87 und 141).
Um in den Genuß der Steueramnestie zu kommen, mußte der Beschwerdeführer die Amnestievoraussetzungen somit auch hinsichtlich der Grundlagenbescheide des Lagefinanzamtes erfüllen. Dies hatte das Lagefinanzamt isoliert zu prüfen. Es stellte die erklärten Verluste aus Land- und Forstwirtschaft aber nicht fest, sondern verneinte das Vorliegen einer Einkunftsquelle für alle Streitjahre, für 1977 und 1978 vorläufig gemäß § 200 Abs. 1 BAO (vgl. die Bescheide vom ). Für diese Jahre ging es (zunächst) davon aus, daß die Amnestievoraussetzungen nicht erfüllt wurden.
Die Rechtmäßigkeit dieser Grundlagenbescheide ist in diesem Verfahren nicht zu untersuchen. Nur am Rande sei bemerkt, daß der Finanzverwaltung vor 1983 (insbesondere bei der Betriebsprüfung 1980) nur ein kurzer Beobachtungszeitraum für eine Liebhabereibeurteilung zur Verfügung stand und die maßgeblichen betrieblichen Verhältnisse offenbar konkret nicht bekannt waren.
Zusammenfassend ergibt sich, daß die Amnestievoraussetzungen für die Grundlagenbescheide diesen zufolge nicht erfüllt sind, was bereits ausschließt, daß die Steueramnestie dem Beschwerdeführer zugute kommt. Die von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens diskutierte Frage der Amnestieschädlichkeit der Nichtauflösung der Investitionsrücklage 1975 in der Einkommensteuererklärung 1979 kann daher auf sich beruhen.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.