VwGH vom 29.01.2004, 2002/15/0002
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des B in A, vertreten durch Dr. Paul Kreuzberger und Mag. Markus Stranimaier, Rechtsanwälte in 5500 Bischofshofen, Franz Mosshammerplatz 14, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , RV 473/1-5/2001, betreffend Abgabennachsicht zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nachdem mit dem (gemäß § 293b BAO berichtigten) Umsatzsteuerbescheid 1998 vom eine - nicht rechtzeitig getilgte - Nachforderung von ca 5 Mio S festgesetzt worden war (Fälligkeitstag ), verhängte das Finanzamt einen Säumniszuschlag in Höhe von 101.650 S.
Mit Ansuchen vom beantragte der Beschwerdeführer, den Säumniszuschlag gemäß § 236 BAO nachzusehen. Der Säumniszuschlag sei darauf zurückzuführen, dass der Beschwerdeführer die Eigenverbrauchsbesteuerung anlässlich der unentgeltlichen Betriebsübergabe an den Sohn (Notariatsakt vom ) erst mit Februar 1999 steuerlich durchgeführt habe. Die Umsatzsteuer aus dem Eigenverbrauch habe der Betriebsübernehmer als Vorsteuer geltend machen können. Der Vorsteuerbetrag sei dann auf das Konto des Beschwerdeführers überrechnet worden. Der Übernehmer bringe vor, dass er den Betrieb bereits mit übernommen habe. Es sei gleichgültig, für welchen Monat der Eigenverbrauch besteuert werde, da durch die Absetzbarkeit der Umsatzsteuer als Vorsteuer der Abgabenbehörde kein Nachteil entstehe. Die "Verlegung" des Eigenverbrauches vom Februar 1999 auf den Jänner 1999 habe - abgesehen von der Frage des Säumniszuschlages - keine abgabenrechtliche Bedeutung. Es liege daher im Hinblick auf die Einhebung des Säumniszuschlages eine sachliche Unbilligkeit vor.
Das Finanzamt wies das Nachsichtsansuchen mit der Begründung ab, es sei keine sachliche Unbilligkeit gegeben.
In der Berufung verwies der Beschwerdeführer erneut darauf, dass der Abgabenbehörde kein Nachteil daraus erwachsen sei, dass der "Eigenverbrauch" vom Übernehmer mit Februar 1999, vom Übergeber hingegen mit Jänner 1999 angenommen worden sei.
In der abweisenden Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt aus, die Fälligkeit der Nachforderung sei aufgrund der Umsatzsteuerveranlagung für das Kalenderjahr 1998 nach der Bestimmung des § 21 Abs 5 UStG 1994 eingetreten. Die Entrichtung der Nachforderung sei nach § 211 Abs 1 lit g BAO erfolgt. Ein Nachteil der Abgabenbehörde sei - unabhängig von einer anderweitigen Vorsteuerabzugsberechtigung - eingetreten, weil eine Abgabenschuld nicht spätestens am Fälligkeitstag getilgt worden sei.
Der Beschwerdeführer stellte den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer stütze sein Nachsichtsansuchen darauf, dass im Zusammenhang mit der Betriebsübertragung an den Sohn die Eigenverbrauchsbesteuerung erst mit Februar 1999 durchgeführt worden sei, statt mit . Tatsächlich sei aber der Säumniszuschlag nicht deshalb, sondern wegen der Nichtentrichtung der mit dem Umsatzsteuerbescheid für 1998 vom festgesetzten Umsatzsteuernachzahlung verhängt worden. Eine Uneinigkeit zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn im Zusammenhang mit der Betriebsübergabe im Jahr 1999 könne daher das Nachsichtsansuchen nicht "tragen", zumal hinsichtlich Umsatzsteuervorauszahlungen für das Jahr 1999 eine Säumigkeit iSd § 217 BAO nicht aktenkundig sei. Im Zusammenhang mit der Umsatzsteuernachzahlung für 1998 sei mit Berufungsvorentscheidung vom die Berufung abgewiesen worden. Für den Fall, dass der Beschwerdeführer eine Änderung oder Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 1998 erwirken könne, werde über seinen Antrag gemäß § 221a Abs 2 BAO der Säumniszuschlag ohnedies angepasst bzw der Säumniszuschlagsbescheid aufgehoben. Sachliche Unbilligkeit iSd § 236 BAO liege daher nicht vor.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 236 Abs 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre.
Die im § 236 Abs 1 BAO bezogene Unbilligkeit der Abgabeneinhebung kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein, wobei sachlich bedingte Unbilligkeit dann anzunehmen ist, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Sachliche Unbilligkeit einer Abgabeneinhebung ist grundsätzlich in Fällen anzunehmen, in denen das ungewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld zu einem unproportionalen Vermögenseingriff beim Steuerpflichtigen führt. Der in der anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (vgl. hg. Erkenntnis vom , 92/13/0309).
Den hg Erkenntnissen vom , 92/13/0309, sowie vom , 94/13/0264, 0265, lag ein Sachverhalt zugrunde, wonach das Umsatzsteuerguthaben eines Dritten auf das Abgabenkonto des jeweiligen seinerzeitigen Beschwerdeführers umgebucht bzw überrechnet werden sollte, auf dem Abgabenkonto des Dritten aber in dem Zeitpunkt, in welchem die Abgabenschuld des jeweiligen Beschwerdeführers fällig geworden ist, noch kein Guthaben entstanden war. Der Verwaltungsgerichtshof hat es in den genannten Erkenntnissen nicht für rechtswidrig erkannt, dass eine Unbilligkeit in der Einhebung des dadurch beim jeweiligen seinerzeitigen Beschwerdeführer verursachten Säumniszuschlages nicht angenommen worden ist. Der jeweilige Beschwerdeführer hätte sich vergewissern müssen, ob tatsächlich ein Guthaben für die Umbuchung (Überrechnung) zu Verfügung gestanden sei.
Im gegenständlichen Fall ist gegenüber dem Beschwerdeführer die Umsatzsteuer 1998 bescheidmäßig festgesetzt worden. Daraus ergab sich eine Umsatzsteuernachforderung von ca 5 Mio S mit Fälligkeitstag .
Der Sohn des Beschwerdeführers hat später eine Umsatzsteuervoranmeldung mit einen Vorsteuerüberschuss eingereicht. Gemäß § 21 Abs 1 UStG 1994 wirkt die Gutschrift auf den Tag der Einreichung der Voranmeldung, frühestens jedoch auf den Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraumes.
Gemäß § 211 Abs 1 lit g BAO gelten Abgaben bei Umbuchung oder Überrechnung von Guthaben eines Abgabepflichtigen auf Abgabenschuldigkeiten eines anderen Abgabepflichtigen am Tag der nachweislichen Antragstellung, frühestens jedoch am Tag des Entstehens des Guthabens als entrichtet.
Im Hinblick auf die Vorschrift des § 211 Abs 1 lit g BAO konnte die Abgabenschuld des Beschwerdeführers nicht vor dem Zeitpunkt als entrichtet anzusehen sein, in welchem der Sohn des Beschwerdeführers seine einen Vorsteuerüberschuss ausweisende Umsatzsteuervoranmeldung eingereicht hat. Unstrittig ist die Entrichtung nicht bis zum erfolgt. In diesem Umstand ist kein außergewöhnlicher Geschehensablauf zu erblicken, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise einen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht zu erwartenden Säumniszuschlag ausgelöst hätte.
Im Umsatzsteuerbescheid 1998 wurde die Steuerschuld aus der Betriebsübergabe als in dieses Kalenderjahr fallend festgesetzt. Über eine allfällige Rechtswidrigkeit des Umsatzsteuerbescheides ist im Verfahren über die gegen diesen eingebrachte Berufung abzusprechen. Die Abgabennachsicht ist nicht das geeignete Mittel, um möglicherweise unterbliebenen Einwänden gegen Sachbescheide zum Durchbruch zu verhelfen. Ein Nachsichtsverfahren ersetzt nicht ein Rechtsmittelverfahren gegen den Abgabenbescheid, sodass für eine Bewilligung der Nachsicht die inhaltliche Richtigkeit des Abgabenbescheides grundsätzlich nicht von Bedeutung ist (vgl das hg Erkenntnis vom , 96/15/0067).
Es kann somit nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die belangte Behörde im gegenständlichen Fall eine Unbilligkeit der Einhebung des festgesetzten Säumniszuschlages nicht angenommen hat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II 333/2003.
Wien, am