VwGH vom 22.02.1999, 98/17/0316

VwGH vom 22.02.1999, 98/17/0316

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des G, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in M, gegen die Abgabenkommission der Marktgemeinde Frastanz, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheiten Anschlussgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 4 und § 62 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit § 121 Abs. 2 Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetz, LGBl. Nr. 23/1984, wird die Berufung des Beschwerdeführers vom gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Frastanz vom betreffend Vorschreibung eines Anschlussbeitrages in Höhe von S 19.305,60 für das Bauwerk auf Grundstück Nr. X zurückgewiesen.

Die Gemeinde Frastanz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Frastanz vom wurde dem Beschwerdeführer ein Anschlussbeitrag in der Höhe von S 19.305,60 für das Bauwerk auf Grundstück Nr. X vorgeschrieben. Gegen diesen Bescheid erhoben der Beschwerdeführer und seine Gattin mit Eingabe vom Berufung. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Frastanz vom wurde der Anschlussbeitrag entsprechend dem Vorbringen des Beschwerdeführers auf S 18.446,40 reduziert. Dieser Bescheid ist formal als erstinstanzlicher Bescheid gestaltet und entsprach - wie auch in der Beschwerde zugestanden wird - vollinhaltlich dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers.

Mit Schreiben an die Marktgemeinde Frastanz vom beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 6 Kanalgesetz die Feststellung, dass beim gegenständlichen Gebäude die anfallende Schmutzwassermenge weniger als 40 v.H. der in einem Haushalt durchschnittlich anfallenden Schmutzwassermenge betrage, die Reduzierung des Anschlussbeitrages um drei Achtel und die Überweisung des Differenzbetrages auf sein Konto.

Mit Bescheid vom wies der Bürgermeister der Marktgemeinde Frastanz diesen Antrag ab, wobei er ausdrücklich davon ausging, dass es sich um einen Antrag auf Wiederaufnahme des durch Bescheid vom abgeschlossenen Verfahrens handelte. Wie auch in der Beschwerde außer Streit gestellt wird, blieb eine Anfechtung dieses Bescheides (letztlich mit Vorstellung) ohne Erfolg, sodass der Bescheid in Rechtskraft erwuchs.

Mit der vorliegenden Säumnisbeschwerde wird die Säumnis der Abgabenkommission der Marktgemeinde Frastanz hinsichtlich der Berufung vom geltend gemacht. Es wird dazu ausgeführt, dass mit dem Bescheid vom zwar dem Berufungsbegehren des Beschwerdeführers materiell vollinhaltlich entsprochen worden sei, dass der Bescheid jedoch keine Berufungsentscheidung sei und somit in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Berufung vom unerledigt sei. Der Antrag vom sei auch als Erweiterung der Berufung zu werten und zu würdigen.

Die belangte Abgabenkommission der Marktgemeinde Frastanz hat eine Stellungnahme abgegeben, in der darauf hingewiesen wird, dass der Beschwerdeführer am darauf hingewiesen habe, dass die Berufung vom unerledigt geblieben sei und sein Antrag vom auf Herabsetzung des Anschlussbeitrages deshalb auch als Erweiterung seiner Berufung vom zu werten und zu würdigen sei.

Auf Grund dieses neuerlichen Vorbringens habe der Bürgermeister der Gemeinde Frastanz mit Bescheid vom dieses neuerliche Begehren abgewiesen. In der Begründung sei darauf hingewiesen worden, dass der Bescheid vom in Rechtskraft erwachsen sei. Der Antrag vom sei deshalb wegen entschiedener Sache abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer Berufung eingebracht. Das Berufungsverfahren sei noch anhängig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung ergibt, erging über die Berufung vom keine formelle Berufungsvorentscheidung oder Berufungsentscheidung. Der von der Gemeinde vorgelegte Bescheid vom ist als erstinstanzlicher Bescheid ausgestaltet und enthält insbesondere die Rechtsmittelbelehrung, dass gegen den Bescheid binnen eines Monats nach Zustellung beim Gemeindeamt schriftlich oder telegrafisch das Rechtsmittel der Berufung eingebracht werden könne. Der Bescheid kann daher nicht als Berufungsvorentscheidung über die Berufung vom aufgefasst werden. Die belangte Behörde selbst hat sich in ihrer Gegenschrift nicht darauf berufen, dass der Bescheid des Bürgermeisters eine Berufungsvorentscheidung sei, sondern dass der Bürgermeister als unzuständige Behörde entschieden habe.

Über den Antrag des Beschwerdeführers vom , den dieser nunmehr als eine Erweiterung seiner Berufung gewertet wissen will, wurde jedoch von den Gemeindebehörden rechtskräftig abgesprochen. Die Vorstellung des Beschwerdeführers wurde von der Vorarlberger Landesregierung als unbegründet abgewiesen.

Die von der Abgabenberufungskommission in ihrer Stellungnahme genannte Entscheidung vom versteht sich als eine Entscheidung über ein "neuerliches Begehren" des Beschwerdeführers vom . Auch diese Entscheidung traf somit keine Entscheidung über die Berufung vom , hinsichtlich der der Beschwerdeführer die vorliegende Säumnisbeschwerde erhoben hat.

Die Entscheidungspflicht der belangten Behörde ist auch nicht dadurch weggefallen, dass nach Einbringung der Berufung ein neuerlicher erstinstanzlicher Bescheid ergangen ist, mit dem dem Standpunkt des Beschwerdeführers vollinhaltlich Rechnung getragen wurde.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes derogiert dann, wenn zwei rechtswirksame Bescheide im Widerspruch stehen, der später erlassene Bescheid dem früher erlassenen (vgl. zu dieser Frage auch S. Pesendorfer, "Übergenuß" bei öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnissen, JBl 1991, Seite 152, 158 f., der allerdings von "rechtskräftigen Bescheiden" spricht). Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, vorausgesetzt, tritt der spätere Bescheid zur Gänze an die Stelle des früheren (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 09/3279/78, 09/0536/79, vom , Zl. 81/08/0023, vom , Zl. 83/08/0215, und vom , Zlen. 94/17/0159, 0160, 0161 und 0280). Doch bedeutet der dadurch eingetretene Wegfall des mit Berufung bekämpften Bescheides nicht, dass die Entscheidungspflicht der Berufungsbehörde weggefallen wäre. Mangels Vorliegens eines angefochtenen Bescheides wäre die Berufung vielmehr zurückzuweisen gewesen. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. 9458 A, ausgesprochen hat, ist die Berechtigung zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde auch dann gegeben, wenn die Entscheidung nur in einer Zurückweisung bestehen kann.

Daraus ergibt sich, dass die Säumnisbeschwerde zulässig ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher gemäß § 42 Abs. 4 in Verbindung mit § 62 Abs. 2 VwGG in der Verwaltungssache zu entscheiden.

Wie oben bereits ausgeführt, kann die Entscheidung über die Berufung nach dem Eintritt der Derogation des bekämpften Bescheides jedoch nur in der Zurückweisung der Berufung bestehen.

Diese Zurückweisung war daher vom Verwaltungsgerichtshof in Anwendung der §§ 42 Abs. 4 und 62 Abs. 2 VwGG vorzunehmen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am