VwGH vom 14.12.1998, 98/17/0309
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des E, vertreten durch die Rechtsanwalts-Partnerschaft D und M in S, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-07/F/38/00046/97, betreffend Übertretungen des Wiener Anzeigenabgabegesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, als zur Tatzeit zur Vertretung nach außen Berufener (Geschäftsführer des Komplementärs) eines näher bezeichneten Medieninhabers (A-GmbH & Co KG) die Abrechnung über die von dieser Gesellschaft für die Vornahme oder Verbreitung von Anzeigen aller Art vereinnahmten Entgelte dem Magistrat nicht vorgelegt und den sich danach ergebenden Abgabenbetrag bis zum Fälligkeitstag nicht gezahlt und hiedurch die Anzeigenabgabe fahrlässig verkürzt zu haben. Die Behörde ging dabei davon aus, daß die Abrechnung für die im Monat März 1996 vereinnahmten Entgelte in der Höhe von S 406.790,-- bis zum nicht vorgelegt und bis zu diesem Tage nicht gezahlt worden sei. Die Abrechnung über die für den Monat April 1996 vereinnahmten Entgelte von S 489.252,-- sei dem Magistrat bis zum nicht vorgelegt und die Anzeigenabgabe in der Höhe von S 48.925,-- bis zum Fälligkeitstag, dem , nicht bezahlt worden. Die Abrechnung für den Monat Mai 1996 über die vereinnahmten Entgelte in der Höhe von S 446.020,-- sei bis zum nicht vorgelegt und der sich daraus ergebende Abgabenbetrag in der Höhe von S 44.602,-- bis zum nicht entrichtet worden. Schließlich sei die Abrechnung für den Monat Juni 1996 über Entgelte in der Höhe von S 1,707.460,-- dem Magistrat bis zum nicht vorgelegt und der sich daraus ergebende Abgabenbetrag in der Höhe von S 170.746,-- bis zum Fälligkeitstag, dem , nicht bezahlt worden.
Der Beschwerdeführer habe dadurch § 7 des Wiener Anzeigenabgabegesetzes 1983, Landesgesetzblatt für Wien Nr. 22, in der geltenden Fassung, in Zusammenhalt mit § 9 Abs. 1 VStG verletzt. Hinsichtlich der den Monat März 1996 betreffenden fahrlässigen Abgabenverkürzung wurde eine Geldstrafe von S 16.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Tagen), hinsichtlich der den Monat April 1996 betreffenden fahrlässigen Abgabenverkürzung eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 13 Tage), hinsichtlich der den Monat Mai 1996 betreffenden fahrlässigen Abgabenverkürzung eine Geldstrafe in der Höhe von S 17.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Tage) und hinsichtlich der den Monat Juni 1996 betreffenden fahrlässigen Abgabenverkürzung eine Geldstrafe in der Höhe von S 68.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Tage) ausgesprochen.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom bestätigte diese den erstinstanzlichen Schuldspruch, setzte jedoch die jeweils ausgesprochene Strafe auf S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 8 Tage), S 12.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage), S 11.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 9 Tage) und S 42.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Tage) herab.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; er erachtet sich in seinem Recht auf Unterbleiben einer Bestrafung, "bzw. im Falle der Strafbarkeit" in seinem Recht "auf angemessene Bestrafung" verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 1 Abs. 1 des Wiener Anzeigeabgabengesetzes 1983, LGBl. Nr. 22, unterliegen Anzeigen, die in die in Wien erscheinenden Medienwerke gegen Entgelt aufgenommen oder mit solchen ausgesendet oder verbreitet werden, einer Abgabe, sofern die Verbreitung nicht ausschließlich im Ausland erfolgt. Nach § 3 Abs. 1 leg. cit. ist zur Entrichtung der Abgabe unter anderem der die Veröffentlichung oder Verbreitung der Anzeige besorgende Medieninhaber (Verleger) oder Herausgeber des Medienwerkes, in dem die Anzeige veröffentlicht oder mit dem sie verbreitet wird, verpflichtet. Sind der Medieninhaber (Verleger) und der Herausgeber des Medienwerkes nicht identisch, so legt Abs. 2 leg. cit. demjenigen die Abgabepflicht auf, dem die Zahlung des Entgelts für die Veröffentlichung oder Verbreitung der Anzeige geleistet wird. Nach § 5 Abs. 1 Wiener Anzeigenabgabegesetz ist Bemessungsgrundlage der vom Medieninhaber (Verleger) oder vom Herausgeber zu entrichtenden Abgabe das gesamte Entgelt, das von diesem aus Anlaß der Vornahme oder Verbreitung der Anzeige vereinnahmt wird. § 7 regelt unter der Überschrift "Rechnungslegung und Einzahlung" die Pflicht zur Abrechnung und Begleichung der Abgabenverbindlichkeit wie folgt:
"§ 7. Der Abgabepflichtige hat für jeden Monat bis längstens
15. des darauffolgenden Monates dem Magistrat unaufgefordert eine Abrechnung über die für die Vornahme oder Verbreitung von Anzeigen aller Art vereinnahmten Entgelte vorzulegen und innerhalb der gleichen Frist den sich danach ergebenden Abgabebetrag an die Stadt Wien bar oder mittels Überweisung einzuzahlen."
§ 9 des Wiener Anzeigenabgabegesetzes lautet wie folgt:
"§ 9.(1) Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Abgabe mit einem Betrag von höchstens 300.000, S verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis 600.000 S zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 6 Wochen festzusetzen. Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Abgabe mit einem Betrag von mehr als 300.000 S fahrlässig oder vorsätzlich verkürzt wird, sind vom Gericht als Finanzvergehen mit Freiheitsstrafen bis zu 9 Monaten oder mit Geldstrafen bis zum Zweifachen des Verkürzungsbetrages zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 6 Monaten festzusetzen.
(2) Übertretungen der §§ 6 und 7 sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis 6.000 S zu bestrafen. Im Falle der Uneinbringlichkeit tritt anstelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu 2 Wochen."
Die Beschwerde geht ausdrücklich davon aus, daß "im gegenständlichen Zeitraum eine rechtzeitige Abgabenentrichtung unrichtigerweise nicht erfolgt ist"; strittig sei, ob der Beschwerdeführer zur Verantwortung zu ziehen sei. Hiezu läßt sich das Beschwerdevorbringen dahin zusammenfassen, daß der Beschwerdeführer Geschäftsführer der A-GmbH sei, welche ihrerseits wieder persönlich haftende Gesellschafterin der A-GmbH Co KG sei. Weiters sei er auch Geschäftsführer der E-GmbH. Die A-GmbH Co KG habe im gegenständlichen Zeitraum eine näher bezeichnete Zeitschrift herausgegeben und die E-GmbH "mit der Durchführung der gesamten administrativen Abwicklung" betraut. Die E-GmbH ihrerseits habe die I-GmbH "mit laufenden buchhalterischen Geschäften unter anderem auch mit der Abwicklung und Berechnung der Anzeigenabgabe" befaßt. Die I-GmbH habe insbesondere die Überprüfung und Berechnung der zu bezahlenden Anzeigenabgabe, die Erstellung der hiefür notwendigen Belege, "kurz die Sichtung und Ordnung all jener Unterlagen, die zu einer Berechnung der Anzeigenabgabe führte", vorzunehmen gehabt; "nur mehr die tatsächliche Durchführung des bankmäßigen Überweisungsvorganges an sich" sei "nicht von der rechtsgeschäftlichen Weitergabe" an die I-GmbH umfaßt gewesen. Aufgrund einer Umstellung des Softwareprogrammes betreffend die Berechnung der Anzeigenabgabe "seitens" der I-GmbH seien in den im Straferkenntnis angeführten Monaten keine Anzeigenabgabeberechnungen durch die I-GmbH vorgenommen und "demgemäß auch keine fertigen Überweisungsbelege zur Einzahlung vorgelegt" worden, "weshalb die sich ergebenden Anzeigenabgabenbeträge in der angeführten Höhe nicht entrichtet wurden". Die I-GmbH habe weder den Beschwerdeführer noch die E-GmbH oder die A-GmbH Co KG diesbezüglich verständigt.
Der Beschwerdeführer erblickt die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des bekämpften Bescheides - zusammengefaßt - darin, daß es "für den handelsrechtlichen Geschäftsführer einer größeren Organisationseinheit absolut denkunmöglich" sei, "sich um jedes Detail (jede einzelne Überweisung) persönlich zu kümmern"; eine Übertragung der Verantwortung an Dritte sei deshalb von der Rechtsprechung ausdrücklich als haftungsbefreiend anerkannt worden. Durch die vollständige Übertragung aller "administrativen Agenden" an die E-GmbH - die A-GmbH & Co KG verfüge überhaupt über keine administrativen Mitarbeiter - könne dem Beschwerdeführer, als Geschäftsführer der A-GmbH Co KG, die fehlende Kontrolle und die Überwachung bezüglich der tatsächlichen Durchführung der Überweisungen nicht vorgeworfen werden; diese Kontrolle würde in den Bereich der Administration fallen und somit zwangsläufig von den hiezu vorgesehenen Mitarbeitern der E-GmbH vorgenommen werden müssen. Der Vorwurf einer mangelnden Kontrolle oder Überwachung könne somit nur die für die Administration zuständige E-GmbH treffen, nicht aber den Beschwerdeführer als Geschäftsführer der A-GmbH.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß die A-GmbH & Co KG zur Entrichtung der Anzeigenabgabe im hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum verpflichtet war. Er bestreitet auch nicht seine grundsätzliche Verantwortlichkeit als Geschäftsführer der Komplementär GmbH, für die rechtzeitige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen. Die Abwälzung strafrechtlicher Verantwortlichkeit auf andere Personen ist ohne gesetzliche Grundlage nicht möglich (VwSlg 8108 A/1971; VwSlg 13.323 A/1990). Auch nach der Rechtsauffassung der Beschwerde wäre es wohl unstrittig, daß der Beschwerdeführer von dieser Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Abgabenentrichtung nicht dadurch befreit würde, daß (etwa vorhandene) Bedienstete der A-GmbH & Co KG an der Vorbereitung der Unterlagen für die Abgabenentrichtung durch die Umstellung im Softwarebereich gehindert würden. Gibt aber - so wie im Beschwerdefall nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers - die A-GmbH & Co KG diese vorbereitende Tätigkeit rechtsgeschäftlich weiter, so liegt es auf der Hand, daß sie dadurch die sie von Gesetzes wegen treffende Verpflichtung zur Erstattung der Anzeigenabgabe nicht an einen Dritten überbinden kann. Auf die Frage, ob dies möglich wäre, wenn dieser Dritte auch über die Konten der abgabepflichtigen GmbH & Co KG derart verfügungsberechtigt wäre, daß er die Abgabe namens der Abgabepflichtigen entrichten könnte, braucht hier nicht eingegangen zu werden; eine derartige Sachverhaltskonstellation liegt nach dem Beschwerdevorbringen nicht vor.
Von dieser Rechtslage ausgehend, erweist sich aber auch die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe ein ausreichendes Kontrollsystem nicht darlegen können, als berechtigt. Entgegen der in der Beschwerde zum Ausdruck kommenden Ansicht entbindet nämlich eine bestimmte Betriebsgröße nicht von der Einhaltung gesetzlich auferlegter Verpflichtungen. Sollte die Betriebsgröße nämlich die Möglichkeit zur physischen Kontrolle durch den Verantwortlichen übersteigen, liegt es an diesem, ein entsprechendes Kontrollsystem aufzubauen. Dies gilt auch dann, wenn rechtsgeschäftlich Aufgaben "außer Haus" durch Dritte durchgeführt werden sollen. Auch in diesem Fall ist die ordnungsgemäße Tätigkeit dieser Dritten insoweit zu überwachen, als die Erfüllung der an die Dritten übertragenen Aufgaben Voraussetzung für die Erfüllung eigener Verpflichtungen, wie etwa der zur Erstattung der Wiener Anzeigenabgabe, ist. Nach dem Beschwerdevorbringen konnte der Beschwerdeführer eine Kontrolltätigkeit persönlich nicht durchführen; er hatte aber auch - die A-GmbH & Co KG verfügte ebenso wie die A-GmbH über kein Personal - kein Kontrollsystem beim Abgabepflichtigen aufgebaut. Dem Beschwerdevorbringen ist nicht zu entnehmen, daß etwa die E-GmbH ein - die Belange der A-GmbH & Co KG mitumfassendes - Kontrollsystem hatte, auf das sich der Beschwerdeführer hätte verlassen können. Der Beschwerdeführer ist daher frei von Rechtsirrtum der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach dem Wiener Anzeigenabgabegesetz schuldig erkannt worden.
Aber auch soweit die Beschwerde die Strafbemessung bekämpft, ist ihr nicht zu folgen. Im Hinblick auf das dargelegte Fehlen eines Kontrollsystems kann jedenfalls - entgegen der Ansicht der Beschwerde - nicht von einem äußerst geringen, "an der untersten Grenze der Verschuldensskala" gelegenen Verschulden ausgegangen werden. Irrelevant für die Strafbemessung ist, ob die Beziehungen zur "Drittfirma" sofort gelöst wurden oder nicht. Im Hinblick auf das Einkommen des Beschwerdeführers (nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde verfügt der Beschwerdeführer über ein monatliches Einkommen von S 90.000,-- brutto und ist sorgepflichtig für drei Kinder) liegt im Hinblick auf den gesetzlich vorgesehenen Strafrahmen sowie den Umstand, daß mehrere Abgabenverkürzungen hintereinander erfolgten, die schon im Hinblick auf die Schuldform der Fahrlässigkeit nicht als Einheit (fortgesetztes Delikt) anzusehen sind, keine überhöhte Strafbemessung im Einzelfall vor. Auch der Umstand, daß nach dem Beschwerdevorbringen die verkürzten Beträge unverzüglich nach "Erkennen der Situation" (offenbar durch die am erfolgte Revision durch den Magistrat der Stadt Wien) nachbezahlt wurden, ist im Ergebnis ausreichend zu Gunsten des Beschwerdeführers gewertet worden.
Auf die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, nämlich wegen des Mangels näher dargelegter Feststellungen, war nicht weiter einzugehen, da sich die Beschwerde schon unter Zugrundelegung des vom Beschwerdeführer selbst behaupteten Sachverhaltes als nicht berechtigt erweist.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am