VwGH vom 11.05.1993, 90/14/0140
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder sowie die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der N-Bank in B, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom , 528-2/90, betreffend Abweisung des Mehrbegehrens an Ersatz der Kosten für ein Devolutionsverfahren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von 11.870 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin gab am insgesamt sieben Drittschuldnererklärungen gemäß § 70 AbgEO betreffend den Abgabenschuldner DH ab. An Kosten, die gemäß Absatz 3 leg cit einstweilen von der Republik Österreich zu tragen sind, verzeichnete die Beschwerdeführerin gegenüber dem Finanzamt einmal 3.826,20 S und sechsmal 3.706,20 S (insgesamt somit 26.063,40 S).
Am 27. März bzw am stellte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf § 311 Abs 2 BAO sieben Devolutionsanträge an die belangte Behörde, wobei sie rügte, das Verschulden an der Nichtbehandlung ihrer Kostenersatzanträge treffe ausschließlich das Finanzamt. Gleichzeitig begehrte sie den Ersatz weiterer Kosten von 1.372,80 S je Devolutionsantrag (insgesamt somit 9.609,60 S).
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde der Beschwerdeführerin zwar den Ersatz der Kosten von 26.063,40 S zu, wies hingegen das Mehrbegehren von 9.609,60 S unter Hinweis auf § 70 Abs 3 AbgEO mit der Begründung ab, der Beschwerdeführerin seien nur die mit den Drittschuldnererklärungen verbundenen Kosten zu ersetzen. Die Kosten der Devolutionsverfahren fielen jedoch nicht darunter. Überdies sei zu beachten, daß die in § 70 Abs 3 leg cit genannten Kosten zu den Barauslagen des Vollstreckungsverfahrens gehörten und daher vom Abgabenschuldner zu ersetzen seien. Diesem würden damit Kosten angelastet, die nicht er, sondern die Abgabenbehörde verursacht habe. Eine formlose Urgenz hätte außerdem genügt, um das Ziel der Beschwerdeführerin zu erreichen. Da für Kosten von Devolutionsverfahren keine Sonderregelungen vorgesehen seien, seien die §§ 312 und 313 BAO heranzuziehen. Danach haben sowohl die Abgabenbehörden, als auch die Parteien die ihnen erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Die Beschwerdeführerin erstattete eine Replik zur Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 70 Abs 3 AbgEO idF vor der AbgEO-Novelle 1992 (in der Folge mit dem Zusatz: alte Fassung) sind die für den Drittschuldner mit der Abgabe der Erklärung (gemäß Abs 1 leg cit) verbundenen Kosten einstweilen von der Republik Österreich zu tragen. Sie gelten als Kosten des Vollstreckungsverfahrens. Die Kosten des Vollstreckungsverfahrens, zu denen auch die durch die Vollstreckungsmaßnahmen verursachten Barauslagen gehören, sind gemäß § 26 AbgEO vom Abgabenschuldner zu ersetzen. Der in den §§ 312 und 313 BAO geregelte Grundsatz, daß sowohl die Abgabenbehörden, als auch die Parteien die ihnen erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten haben, gilt somit im Abgabenvollstreckungsverfahren nicht.
Die Bestimmung des § 70 Abs 3 AbgEO (alte Fassung) ist - wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt - dem § 301 Abs 6 EO idF vor der EO-Novelle 1991 (in der Folge mit dem Zusatz: alte Fassung) nachgebildet, der bestimmt hat, daß die für den Drittschuldner mit der Abgabe der Erklärung verbundenen Kosten einstweilen vom betreibenden Gläubiger ... zu tragen sind. Die Grundsätze des zivilprozessualen Kostenverständnisses können daher zur Interpretation des § 70 Abs 3 AbgEO (alte Fassung) herangezogen werden.
Nach der zu § 74 EO ergangenen Rechtsprechung teilen die Kosten für notwendige Urgenzen das Schicksal des betriebenen Antrages (Angst-Jakusch-Pimmer, Exekutionsordnung12, Wien 1989, § 74 E 24). Zu den Kosten des Exekutionsverfahrens gemäß § 74 EO zählen neben den Kosten für den entsprechenden Antrag des Drittschuldners auf Zahlung seiner Kosten durch den betreibenden Gläubiger bei Gericht auch jene Kosten, die dem Drittschuldner dadurch erwachsen, daß die Höhe der ihm zustehenden Kosten strittig ist und das Gericht darüber entscheiden muß (vgl Sulzbacher, Stellung des Drittschuldners nach der EO-Novelle 1991, Kostenersatz und Haftung, ecolex 1991, Seite 837 und insbesondere Seite 838). Zu den Kosten des Exekutionsverfahrens zählen nach zivilprozessualem Kostenverständnis somit auch alle (notwendigen) Aufwendungen des Drittschuldners zur Durchsetzung seines Kostenanspruches. Überträgt man diesen Grundsatz auf das Abgabenvollstreckungsverfahren, so sind die Kosten eines (notwendigen) Devolutionsantrages des Drittschuldners ebenfalls Kosten des Vollstreckungsverfahrens. Eine Einschränkung auf unmittelbar mit der Abgabe der Drittschuldnererklärung verbundene Kosten enthält § 70 Abs 3 AbgEO (alte Fassung) nicht. Da die belangte Behörde die Rechtslage insoweit verkannt hat, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Berechtigt ist hingegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift erhobene Einwand, es gehe nicht an, dem Abgabenschuldner ohne jede Einschränkung Kosten anzulasten, die nicht er, sondern die Abgabenbehörde zu vertreten habe. Zwar enthält § 70 Abs 3 AbgEO (alte Fassung) - wie die belangte Behörde zutreffend ausführt -, keinen Hinweis auf den Ersatz lediglich der notwendigen Kosten. Diese Einschränkung ist allerdings auch im § 301 Abs 6 EO (alte Fassung) nicht enthalten, sondern ergibt sich erst im Zusammenhang dieser Bestimmung mit § 74 EO. Danach hat der Verpflichtete dem betreibenden Gläubiger auf dessen Verlangen alle ihm verursachten, zur Rechtsverwirklichung notwendigen Kosten des Exekutionsverfahrens zu erstatten; welche Kosten notwendig sind, hat das Gericht nach sorgfältiger Erwägung aller Umstände zu bestimmen. Die Kostenbestimmung des Abgabenvollstreckungsverfahrens im § 26 AbgEO wurde dem § 74 EO nicht nachgebildet und enthält auch keine Einschränkung auf die zur Rechtsverwirklichung notwendigen Kosten. Dennoch wird diese im § 74 EO enthaltene Einschränkung in Ausnahmefällen wie dem vorliegenden auch im Abgabenvollstreckungsverfahren zu beachten sein, wenn es - wie hier - um die Auslegung einer der Exekutionsordnung nachgebildeten Bestimmung geht.
Gerechtfertigt ist dies im vorliegenden Fall auch, weil (ausnahmsweise) nicht die Republik Österreich (als betreibender Gläubiger), sondern ein Dritter Kosten geltend macht, die letztlich der Abgabenschuldner zu tragen hat.
Die belangte Behörde hätte daher prüfen müssen, inwieweit die von der Beschwerdeführerin verrechneten Kosten für die Einbringung von SIEBEN Devolutionsanträgen zwecks Geltendmachung ihres Anspruches notwendig waren. Dadurch, daß die belangte Behörde diese Prüfung unterlassen und lediglich - ohne Wahrung des Parteiengehörs - festgestellt hat, eine formlose Urgenz der Beschwerdeführerin wäre ebenso zielführend gewesen, hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Da die vorhin aufgezeigte Rechtswidrigkeit des Inhaltes einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991.