VwGH vom 22.03.1999, 98/17/0306

VwGH vom 22.03.1999, 98/17/0306

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der H AG, vertreten durch Dr. Hansjörg Zink, Dr. Z und Dr. M, Rechtsanwälte in U, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. U-5088/47, betreffend Vorschreibung einer Naturschutzabgabe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom wurde der beschwerdeführenden Partei die naturschutzrechtliche Bewilligung für den maschinellen Abbau von Kalkstein im Tagbau mit einer Gesamtkubatur von 9.660.000 m3 (wovon ca. 1.800.000 m3 auf den Abraum entfallen) in einem bestehenden Kalksteinbruch erteilt.

Mit dem erstinstanzlichen Abgabenbescheid vom wurde der beschwerdeführenden Partei eine Naturschutzabgabe in der Höhe von insgesamt S 24.150.000,-- (zu entrichten in fünf Teilbeträgen) vorgeschrieben.

Mit ihrem Bescheid vom wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung der beschwerdeführenden Partei als unbegründet ab.

Die beschwerdeführende Partei bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes; sie erachtet sich "in ihrem Recht auf richtige Vorschreibung der Naturschutzabgabe" verletzt, "weil auch für den Abraum im Ausmaß von 1.800.000 m3 die Naturschutzabgabe vorgeschrieben wurde".

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. In dieser stellt sie den Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 18 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997, LGBl. Nr. 33/1997, regelt die Naturschutzabgabe. Diese Bestimmung lautet auszugsweise:

"(1) Für die Inanspruchnahme der Natur durch Vorhaben nach Abs. 3, für die eine naturschutzrechtliche Bewilligung erteilt wurde, ist eine Naturschutzabgabe zu entrichten. ...

(2) Die Naturschutzabgabe ist eine ausschließliche Landesabgabe. Ihr Ertrag ist dem Tiroler Naturschutzfonds (§ 19) zur Erfüllung seiner Aufgaben zu überweisen.

(3) Zur Entrichtung der Naturschutzabgabe ist der Inhaber der naturschutzrechtlichen Bewilligung für eines der in lit. a bis e genannten Vorhaben verpflichtet. Die Höhe der Naturschutzabgabe beträgt:

a) Für den maschinellen Abbau von mineralischen Rohstoffen 2,50 S je m3; ...

(4) Der Abgabenanspruch entsteht mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bewilligungsbescheides. Die Abgabe wird mit dem Beginn der Ausführung des betreffenden Vorhabens fällig. Der Abgabepflichtige hat den Beginn der Ausführung des Vorhabens innerhalb einer Woche dem Amt der Landesregierung anzuzeigen.

(5) Die Landesregierung kann die Beträge nach Abs. 3 mit Verordnung bis zum Dreifachen erhöhen, um den Ertrag aus der Naturschutzabgabe den Kosten für Maßnahmen nach § 19 Abs. 3 lit. a und b anzupassen."

Die bezogene Bestimmung des § 19 Abs. 3 des Tiroler Naturschutzgesetzes regelt die Verwendung der Mittel der Tiroler Naturschutzfonds; danach (lit. a) sind die Mittel des Fonds zur Förderung von Maßnahmen zur Erhaltung und zur Pflege der Natur im Sinne der Ziele nach § 1 Abs. 1 und § 17 Abs. 1 und 2 und (lit. b) zur Deckung der Kosten für Maßnahmen zum Ausgleich der Eingriffe in Natur, die durch Vorhaben im Sinne des § 18 Abs. 3 bewirkt werden zu verwenden.

Strittig ist im Verfahren allein, ob zur Bemessung der Naturschutzabgabe auch die (voraussichtliche) Menge des Abraumaterials im Ausmaß von 1.800.000 m3 einzubeziehen ist oder nicht.

Die belangte Behörde hat im bekämpften Bescheid die Ansicht vertreten, daß unter dem Begriff eines "mineralischen Rohstoffes" im Sinne des § 18 Abs. 3 lit. a Naturschutzgesetz auch der gegenständliche Abraum zu verstehen sei. Auch dieser könne Ausgangsprodukt für irgendwelche andere Produkte sein wie etwa zur Aufschüttung oder zur Errichtung eines Dammes. Auch nach der Begriffsbestimmung des Berggesetzes sei "mineralischer Rohstoff" jedes Mineral, Mineralgemenge und Gestein, jede Kohle und jeder Kohlenwasserstoff, wenn sie natürlicher Herkunft sind, unabhängig davon, ob sie in festem, gelöstem, flüssigem oder gasförmigen Zustand vorkommen (§ 1 Z. 8 Berggesetz 1975, BGBl. Nr. 259). Dieses Auslegungsergebnis werde auch durch den Sinn und Zweck der Bestimmung des § 18 ebenso gestützt wie durch die Erläuternden Bemerkungen zum Entwurf eines Tiroler Naturschutzgesetzes 1997. Unbestritten sei Abraummaterial Teil der Natur bzw. Landschaft; Ziel des Naturschutzgesetzes sei es, die Natur und damit auch die Landschaft zu bewahren. Der Abbau von mineralischen Rohstoffen berühre in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle das Landschaftsbild, wobei auch die Tier- und Pflanzenwelt davon betroffen sein könnten. Daraus ergebe sich, daß für die Inanspruchnahme der Natur eine Naturschutzabgabe zu entrichten sei. Wenn die beschwerdeführende Partei in der Berufung darauf verweise, daß der Abraum als "Aufschüttungsmaterial bei Rekultivierungsarbeiten verwendet" werde, werde damit nur ausgedrückt, daß dieses Abraummaterial Rohstoff für Rekultivierungsarbeiten sei.

Die beschwerdeführende Partei hält dem entgegen, daß die in § 1 Z. 8 des Berggesetzes enthaltene Begriffsbestimmung keineswegs dahin auszulegen sei, daß alles, was Bestandteil der Erdoberfläche sei, als mineralischer Rohstoff zu werten sei. Aus § 5 Berggesetz sei vielmehr zu entnehmen, daß nur derjenige Kalkstein und Mergel, der sich zur Erstellung von Zementen eigne, als grundeigner mineralischer Rohstoff anzusehen sei. Der gegenständliche Abraum sei jedoch zur Zementerzeugung nicht geeignet, sondern verbleibe an Ort und Stelle im Bruchgelände. Daraus folge, daß es sich dabei um keinen "mineralischen Rohstoff" handle. Der Abraum diene der Wiederherstellung der Natur, weshalb es nicht im Sinne des Tiroler Naturschutzgesetzes liegen könne, hiefür eine Naturschutzabgabe gleich dem Kalkstein, der der Natur entzogen und zur Zementherstellung verwendet werde, einzuheben. Die strittige Bestimmung des § 18 Abs. 3 lit. a des Tiroler Naturschutzgesetzes könne daher nur dahin verstanden werden, daß Naturschutzabgabe nur für den maschinellen Abbau des mineralischen Rohstoffes, der (hier für die Zementerzeugung) der Natur entzogen werde, zu entrichten sei. Dies folge auch aus der Zweckbestimmung hinsichtlich der Verwendung der Mittel des Naturschutzfonds in § 19 Abs. 3 leg. cit.. Schließlich verweist die beschwerdeführende Partei noch auf die im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom vorgesehenen Rekultivierungsmaßnahmen, die als Bedingungen bzw. Auflagen in diesem Bescheid festgeschrieben worden seien.

Es kann im Beschwerdefall aus den nachstehenden Überlegungen dahingestellt bleiben, ob Abraummaterial grundsätzlich einer Naturschutzabgabe unterliegt oder nicht.

Mit der Einführung der Naturschutzabgabe verfolgte der Gesetzgeber zumindest auch die Absicht (vgl. die Erläuternden Bemerkungen Seite 64 zur Novelle LGBl. Nr. 52/1990), die Kosten für Vorhaben, die im Interesse des Naturschutzes stehen, zwischen der Allgemeinheit und den Begünstigten aufzuteilen und damit einen Prozeß der Selbststeuerung mit dem Ziel eines sparsameren Verbrauches von Gütern der Natur in Gang zu setzen. Durch die Erhebung einer Naturschutzabgabe sollte die Attraktivität bestimmter künftiger Eingriffe in die Natur nicht mehr im bisherigen Ausmaß gegeben sein. Die Abgabepflicht sollte danach nicht für alle Vorhaben, die einer naturschutzrechtlichen Bewilligung bedürfen, sondern nur für solche Vorhaben vorgesehen sein, die nachhaltig und langfristig in die Natur eingreifen.

Eine diesbezüglich geänderte Zielsetzung ist auch dem Tiroler Naturschutzgesetz 1997 nicht zu entnehmen. Insbesondere ergibt sich aus der Verordnungsbefugnis des § 18 Abs. 5 leg. cit., daß das Maß der wirtschaftlichen Inanspruchnahme der Natur entsprechende Berücksichtigung bei der Höhe der Naturschutzabgabe finden kann.

Nach dem Spruch des erwähnten naturschutzrechtlichen Bewilligungsbescheides vom sind weitgehende Bedingungen bzw. Auflagen vorgesehen. Aus diesen ist Punkt 9 hervorzuheben: "Das im Zuge des Abbaues anfallende Abraummaterial ist zur Sicherung des Sanierungsfortschrittes ausschließlich für Sanierungszwecke sowohl im Kalk- als im Mergelbruch zu verwenden, oder bei anderweitiger Verwendung durch inertes, gleichwertiges Material zu ersetzen. Die Bezirksverwaltungsbehörde ist bei einem beabsichtigten Materialaustausch unaufgefordert zu informieren."

- Daraus folgt, daß das gesamte, im Zuge des Abbaues anfallende Abraummaterial für naturschutzrechtliche Zwecke im Zusammenhang mit dem Kalksteinbruch zu verwenden ist. Es kommt daher wirtschaftlich der beschwerdeführenden Partei auch nicht in dem Sinne zugute, daß diese darüber nach eigenem Gutdünken verfügen könnte. Auch die Aufschüttung etwa von Dämmen - wie von der belangten Behörde angesprochen - kommt daher nicht in Betracht, hat doch die beschwerdeführende Partei insofern die Auflagen im angesprochenen Bescheid vom zu erfüllen und kann aus dem Abraummaterial (direkt) keinen wirtschaftlichen Nutzen ziehen.

Durch das Abraummaterial entstehen aber auch der Allgemeinheit im Rahmen des Naturschutzes keine besonderen Kosten, wird es doch zumindest zur Verminderung der durch die Kalksteingewinnung ausgelösten Beeinträchtigung der Natur verwendet.

Nach dem Vorgesagten fehlt es hier hinsichtlich des Abraummaterials an der für das Entstehen der Naturschutzabgabepflicht erforderlichen Inanspruchnahme der Natur durch das bewilligte Vorhaben (§ 18 Abs. 1 Tiroler Naturschutzgesetz).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am