VwGH vom 11.12.1990, 90/14/0138

VwGH vom 11.12.1990, 90/14/0138

Beachte

Besprechung in:

ZfV 2/2002, S 169-172;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat I) vom , Zl. 365/2-3/88, betreffend Einkommensteuer 1986 (Mitbeteiligter: Dr. N), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte ist praktischer Arzt. Er bezog im Streitjahr Einkünfte aus selbständiger Arbeit von S 1,128.738,-- und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von S 151.682,--. Er war für seine Ehefrau teilweise und für zwei eheliche Kinder sowie für ein am geborenes außereheliches Kind unterhaltspflichtig. Dieses befand sich in Pflege der Mutter und war laut einem ärztlichen Zeugnis vom in einem solchen Ausmaß behindert, daß der außerehelichen Mutter beginnend mit die erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wurde. Der Mitbeteiligte verpflichtete sich am vor dem Magistrat zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag für das außereheliche Kind von S 2.000,-- ab . Laut Schreiben des Magistrates vom leistete er bis dahin eine Überzahlung dieses Betrages von insgesamt S 1.063,--. Laut Aussage der außerehelichen Mutter kam er außerdem im Streitjahr für Krankenhauskosten des außerehelichen Kindes von insgesamt S 1.968,-- auf. Leistungen über diesen Betrag von zusammen S 27.031,-- hinaus für den Unterhalt des außerehelichen Kindes im Streitjahr sind weder behauptet noch nachgewiesen worden.

Strittig war im Abgabenverfahren die Frage, ob für Mehraufwendungen des Mitbeteiligten für das außereheliche Kind gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1972 eine außergewöhnliche Belastung ohne Anwendung des § 34 Abs. 4 in pauschalierter Höhe von monatlich S 3.500,--, für das gesamte Kalenderjahr 1986 daher von S 42.000,-- zu berücksichtigen seien, wie dies vom Mitbeteiligten in seiner Steuererklärung geltend gemacht worden war.

Das Finanzamt anerkannte diese außergewöhnliche Belastung nicht. Dagegen erhob der Mitbeteiligte Berufung.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten Folge und berücksichtigte die erwähnte pauschalierte außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1972 mit der Begründung, die Aufwendungen im Zusammenhang mit Behinderungen seien naturgemäß schwer nachweis- und zurechenbar. Deshalb stehe es dem Steuerpflichtigen frei, entweder die tatsächlichen Aufwendungen geltend zu machen oder eine pauschale Berücksichtigung der Aufwendungen in der Höhe von monatlich S 3.500,-- zu beantragen. Ein Nachweis der Aufwendungen sei nur dann notwendig, wenn beide Elternteile den Pauschbetrag begehrten. Dies sei hier nicht der Fall, weil die außereheliche Mutter des Kindes den Pauschbetrag nicht habe in Anspruch nehmen können. Ein Nachweis der Mehraufwendungen könne daher hier entfallen, weshalb dem Mitbeteiligten der Pauschbetrag zur Gänze zustehe.

Der beschwerdeführende Präsident der Finanzlandesdirektion bekämpft diesen Bescheid hinsichtlich der außergewöhnlichen Belastung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt Bescheidaufhebung.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.

Der Mitbeteiligte hat sich im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ungeachtet der ihm hiezu gebotenen Gelegenheit nicht geäußert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1972 in der für das Streitjahr geltenden Fassung sind Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, ohne Anwendung der Bestimmungen des Abs. 4 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Von einer Berücksichtigung eines Pauschbetrages ist im Gesetz keine Rede. Dieses kennt daher auch das von der belangten Behörde angenommene Wahlrecht des Steuerpflichtigen zwischen Nachweis von Mehraufwendungen und Pauschbetrag nicht.

Die LStR 1986 (hier: Abschn 12 zu § 34 Abs. 8) sind schon mangels gesetzmäßiger Kundmachung keine die Rechtslage gegenüber dem Steuerpflichtigen gestaltende Rechtsquelle, die der Verwaltungsgerichtshof beachten dürfte (vgl. VwSlg. 5587 F/1981), und im übrigen laut ihrer Präambel auch keine Rechtsverordnung. Sie haben daher bei der Überprüfung des angefochtenen Bescheides außer Betracht zu bleiben.

Bei Fehlen einer Nachweismöglichkeit oder der Möglichkeit der Glaubhaftmachung (§ 138 Abs. 1 BAO) der Höhe der Mehraufwendungen käme daher nur gemäß § 184 BAO die Schätzung in Frage, die allerdings auf alle Umstände des Einzelfalles Rücksicht zu nehmen hätte.

Ein Schätzungsfall lag hier jedoch nicht vor, weil sich Mehraufwendungen des Mitbeteiligten im Sinne des § 34 Abs. 8 EStG 1972 auf Grund des geschilderten Sachverhaltes ausschließen ließen. Der Betrag an Unterhaltszahlungen, den der Mitbeteiligte im Streitjahr, inklusive Überzahlung von S 1.063,-- geleistet hat (ca. 3,9 Prozent seines Jahresnettoeinkommens), übersteigt nämlich nicht den gesetzlichen Unterhaltsanspruch eines unbehinderten Kindes, wenn man den Unterhaltsbedarf eines solchen Kindes im ersten Lebensjahr einerseits und die durch die Einkommenslage des Beschwerdeführers mitbestimmenden Lebensverhältnisse der Eltern (vgl. Pichler in Rummel, Kommentar zum ABGB, 1. Bd., 2. Aufl., Rz 5 zu § 140) sowie die weiteren Sorgepflichten des Beschwerdeführers berücksichtigt. Mehraufwendungen hätten daher nur die Krankenhauskosten von S 1.968,-- darstellen können, dies unter der Voraussetzung, daß sie überhaupt mit der erwähnten Behinderung des Kindes in einem Zusammenhang standen und nicht auch ungeachtet dieser Behinderung notwendig geworden sind.

Dem beschwerdeführenden Präsidenten ist auch darin beizupflichten, daß die Voraussetzung der Gewährung erhöhter Familienbeihilfe im Sinne des § 34 Abs. 8 EStG 1972 überhaupt erst ab vorgelegen waren, wurde der außerehelichen Mutter der Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe doch erst ab diesem Datum zuerkannt. Ob die erwähnten Krankenhauskosten, falls sie überhaupt mit der Behinderung des Kindes im Zusammenhang standen, also insofern eine außergewöhnliche Belastung ohne Anwendung der Bestimmung des § 34 Abs. 4 EStG 1972 berücksichtigt werden durfte, wäre daher auch davon abhängig gewesen, ob diese Aufwendung bereits in den begünstigten Zeitraum ab gefallen ist. Für die ersten sechs Monate des Streitjahres war die Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastung gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1972 nämlich jedenfalls rechtswidrig.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid daher die Rechtslage verkannt und dadurch ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden mußte.