VwGH vom 30.08.1999, 98/17/0288
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde vormals der M GmbH, vertreten durch Dr. H und Mag. S, Rechtsanwälte in M, nunmehr des Masseverwalters im Konkurs über das Vermögen der vorgenannten Gesellschaft, Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Berufungskommission gemäß § 38 des Tiroler Tourismusgesetzes 1991 vom , Zl. Id-6.2/1284-2/1997, betreffend Tourismusbeiträge für 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom wurde der ursprünglich als Beschwerdeführerin einschreitenden M GesmbH ein Tourismusbeitrag gemäß dem Tiroler Tourismusgesetz 1991, LGBl. Nr. 24 idgF, iVm der Beitragsgruppenverordnung 1991, LGBl. Nr. 84/1990, der Ortsklassenverordnung 1994, LGBl. Nr. 94/1993, und dem Beschluss der Vollversammlung des zuständigen Tourismusverbandes über die Festsetzung des Promillesatzes für das Jahr 1995 in der Höhe von S 33.793,-- zur Zahlung vorgeschrieben. Aus der Begründung dieses Bescheides ist hervorzuheben, dass die erstinstanzliche Behörde ausführte, der Prozentsatz der Berufsgruppen ergebe sich aus deren Naheverhältnis zum Tourismus.
Die M GesmbH erhob Berufung, wobei sie die erstinstanzliche Vorschreibung ausschließlich deshalb für rechtswidrig erachtete, weil der Tourismusbeitrag gemäß dem Tiroler Tourismusgesetz 1991 dem Art. 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie, 77/388/EWG, widerspreche.
Mit Berufungsvorentscheidung des Amtes der Tiroler Landesregierung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Gegen diese Entscheidung richtete sich ein Vorlageantrag der M GesmbH, wobei in diesem auf das Berufungsvorbringen verwiesen wurde.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung der M GesmbH als unbegründet ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die M GesmbH habe im Verfahren nicht in Abrede gestellt, dass sie - bezogen auf das Jahr 1995 - zu den in § 2 Abs. 1 des Tiroler Tourismusgesetzes 1991 umschriebenen Pflichtmitgliedern des Tourismusverbandes Kundl zu zählen sei. Sie mache auch nicht geltend, dass bei der Errechnung und Ermittlung des Pflichtbeitrages ein Fehler unterlaufen wäre.
Für die belangte Behörde bestehe keine Möglichkeit, eine Klärung der von der M GesmbH aufgeworfenen europarechtlichen Fragen durch eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes herbeizuführen.
Sodann führte die belangte Behörde aus, aus welchen Erwägungen ihres Erachtens die Vorschreibung von Tourismusbeiträgen nach dem Tiroler Tourismusgesetz 1991 nicht gegen Art. 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie, 77/388/EWG, verstoße.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde.
Die beschwerdeführende Partei bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Sie erachtet sich in ihrem Recht auf Unterbleiben einer rechtswidrigen, nach geltendem Recht nicht vorgesehenen, Besteuerung verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschlüssen vom und dem EuGH gemäß Art. 177 EGV (nunmehr Art. 234 EG) die Frage vorgelegt, ob eine Regelung, wie sie das Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetz 1994, LGBl. Nr. 59/1994, das Steiermärkische Tourismusgesetz 1992, LGBl. Nr. 55 idgF, und das Tiroler Tourismusgesetz 1991 betreffend die Fremdenverkehrsabgabe bzw. Tourismusabgabe enthalten, der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie, 77/388/EWG, widerspricht.
Mit Urteil vom in den verbundenen Rechtssachen C-338/97, C-344/97 und C-390/97, Pelzl u.a., Wiener Städtische Allgemeine Versicherung AG u.a. und STUAG Bau-Aktiengesellschaft hat der EuGH ausgesprochen, dass die genannte Richtlinie einer Abgabe, wie sie in den erwähnten inländischen Rechtsvorschriften vorgesehen ist, nicht entgegensteht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 1, § 2, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 und § 33 Abs. 1 des Tiroler Tourismusgesetzes 1991, LGBl. Nr. 24/1991 in der im Jahr 1995 geltenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 111/1994, lauteten (auszugsweise):
"§ 1
Errichtung
(1) Die Unternehmer (§ 2 Abs. 1) einer Gemeinde bilden einen Tourismusverband, soweit im Abs. 2 nichts anderes bestimmt ist. ...
...
§ 2
Mitglieder
(1) Pflichtmitglieder eines Tourismusverbandes sind jene Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, die wirtschaftlich unmittelbar oder mittelbar am Tourismus in Tirol interessiert sind und im Gebiet des Tourismusverbandes ihren Sitz oder eine Betriebsstätte haben. ...
...
§ 30
Beitragspflicht
(1) Die Pflichtmitglieder haben für jedes Haushaltsjahr des Tourismusverbandes (Vorschreibungszeitraum) an diesen Pflichtbeiträge - im folgenden Beiträge genannt - nach Maßgabe der im Bemessungszeitraum (Abs. 4) unmittelbar oder mittelbar aus dem Tourismus erzielten Umsätze zu entrichten.
...
§ 31
Beitragspflichtiger Umsatz
(1) Der beitragspflichtige Umsatz ist, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, die Summe der steuerbaren Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1994.
Davon ausgenommen sind:
...
§ 33
Beitragsgruppen und Ortsklassen
(1) Zur Berechnung der Beiträge werden die Berufsgruppen der Pflichtmitglieder unter Bedachtnahme auf die Ortsklassen durch Verordnung der Landesregierung in Beitragsgruppen (I bis VII) eingereiht. Das Inkrafttreten einer solchen Verordnung ist jeweils mit dem Beginn eines Kalenderjahres festzusetzen. Für die Einreihung ist das Verhältnis des von der einzelnen Berufsgruppe nach allgemeinen wirtschaftlichen Erfahrungen aus dem Tourismus unmittelbar oder mittelbar erzielten Erfolges zum entsprechenden Gesamterfolg aller Berufsgruppen maßgebend, wobei Pflichtmitglieder, die aus dem Tourismus den größten Erfolg erzielen, in die Beitragsgruppe I und Pflichtmitglieder mit dem geringsten Erfolg in die Beitragsgruppe VII einzureihen sind. ..."
Nach der Beitragsgruppenverordnung 1991, LGBl. Nr. 84/1990, ist die Berufsgruppe der Spengler in allen Ortsklassen in die Beitragsgruppe VI eingeordnet.
Die beschwerdeführende Partei erachtet den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig, weil die M GesmbH aus dem Tourismus keinen Nutzen gezogen habe, sondern durch diesen vielmehr in ihren Umsatzmöglichkeiten eingeschränkt worden sei. Die M GesmbH habe ihren Unternehmensschwerpunkt im Industrieanlagenbau gehabt. Für die Umsätze eines derartigen Unternehmens sei eine florierende Entwicklung des Tourismus sogar kontraproduktiv. Industrieanlagen seien nämlich in Tourismusgebieten eher unerwünscht. Dennoch sei ein solches Unternehmen dem Tourismusbeitrag gleichermaßen unterworfen, wie der aus dem Tourismus unmittelbar Nutzen ziehende gastronomische Betrieb.
Wäre das Beschwerdevorbringen, wonach die M GesmbH bezogen auf das Jahr 1995 aus der Förderung des Tourismus weder unmittelbar noch mittelbar Vorteile erzielt hätte, zutreffend, so wäre diese Gesellschaft in diesem Jahr nicht gemäß § 2 Abs. 1 des Tiroler Tourismusgesetzes 1991 Pflichtmitglied eines Tourismusverbandes gewesen. Sie wäre daher auch nicht gemäß § 30 Abs. 1 leg. cit. beitragspflichtig.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/17/0130, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt hat, ist die Frage, ob ein bestimmtes Unternehmen am Tourismus in Tirol wirtschaftlich zumindest mittelbar interessiert ist, nicht schon allein deshalb zu bejahen, weil dieses Unternehmen in eine bestimmte in der Beitragsgruppenverordnung genannte Berufsgruppe einzureihen ist. Zieht ein Unternehmen, mag es auch unter eine in der Beitragsgruppenverordnung genannte Berufsgruppe fallen, keinen auch nur mittelbaren Nutzen aus dem Tourismus in Tirol, so ist es nicht Pflichtmitglied des Tourismusverbandes und gemäß § 30 Abs. 1 des Tiroler Tourismusgesetzes 1991 nicht beitragspflichtig.
Freilich ist damit für die beschwerdeführende Partei nichts gewonnen:
Im Abgabenverfahren steht der Ermittlungspflicht der Behörde die Mitwirkungspflicht der Partei gegenüber (vgl. hiezu Stoll, BAO II, 1714). Dieser Mitwirkungspflicht kommt insbesondere in Ansehung jener Sachverhaltselemente besondere Bedeutung zu, von denen lediglich die Partei selbst Kenntnis besitzt und die sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann.
Vor dem Hintergrund dieser Mitwirkungspflicht wäre die M GesmbH jedenfalls aufgrund der oben wiedergegebenen Ausführungen in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides, wonach sich der Prozentsatz der Berufsgruppen aus dem Naheverhältnis zum Tourismus ergebe, gehalten gewesen, darzulegen, dass sie - anders als andere Spenglereiunternehmen - keinen auch nur mittelbaren Nutzen aus dem Fremdenverkehr ziehe. Dieser Obliegenheit ist sie im Berufungsverfahren jedoch nicht nachgekommen.
Demnach verstößt das erstmals im gegenständlichen Beschwerdeverfahren erstattete diesbezügliche Vorbringen gegen das aus § 41 Abs. 1 VwGG abzuleitende Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Argumentation der beschwerdeführenden Partei, wonach im Industrieanlagenbau tätige Unternehmungen keinen auch nur mittelbaren Vorteil aus dem Tourismus erzielen, zutrifft oder nicht.
Insoweit aber das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei auch darauf abzielen sollte, darzulegen, dass selbst zumindest mittelbar tourismusinteressierte Spenglereibetriebe einen geringeren Nutzen aus dem Fremdenverkehr erzielen, als Gastgewerbeunternehmen, so ist ihr entgegenzuhalten, dass diesem Umstand durch die Einreihung in verschiedene Beitragsgruppen (vgl. § 33 des Tiroler Tourismusgesetzes 1991 sowie die Beitragsgruppenverordnung 1991) Rechnung getragen wurde.
Strittig ist vor dem Verwaltungsgerichtshof darüber hinaus allein die Frage, ob die bescheidmäßige Vorschreibung einer Fremdenverkehrsabgabe deshalb rechtswidrig war, weil die angewendete inländische Rechtsvorschrift gegen die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, insbesondere deren Art. 33, verstößt. Der Europäische Gerichtshof hat mit dem genannten Urteil vom in den verbundenen Rechtssachen C-338/97, C-344/97 und C-390/97 diese Frage verneint.
Damit ist die in der Beschwerde vertretene Auffassung widerlegt.
Dahingestellt kann auch die Frage bleiben, ob schon die belangte Behörde berechtigt oder - wie die beschwerdeführende Partei vermeint - gar gehalten gewesen wäre, ein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof anhängig zu machen, weil es im Hinblick auf die oben wiedergegebene Entscheidung des EuGH jedenfalls an der Relevanz des in diesem Zusammenhang behaupteten Verfahrensmangels fehlen würde.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG.
Wien, am