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VwGH vom 29.01.1991, 90/14/0112

VwGH vom 29.01.1991, 90/14/0112

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr Reichel sowie die Hofräte Dr Hnatek und Dr Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr Cerne, über die Beschwerde der X-Bank regGenmbH gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) des Vorsitzenden des Berufungssenates VII bei der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom , Zl 123-6/90, betreffend Beschlagnahme von Unterlagen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von 10.920 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit am zugestellten Bescheid leitete das Finanzamt Spittal an der Drau gegen einen Kunden der Beschwerdeführerin (in der Folge: Kunde), der mehrere Gewerbebetriebe sowie eine Land- und Forstwirtschaft betreibt und daneben noch aus drei Dienstverhältnissen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht, ein Finanzstrafverfahren ein, weil der Verdacht bestehe, der Kunde habe durch Nichterklären von Einkünften aus Kapitalvermögen und Nichtansatz von Sparguthaben in den Jahren 1983 bis 1987 die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht gemäß § 119 BAO verletzt, dadurch Abgaben (Einkommensteuer, Vermögensteuer) verkürzt und hiemit das Finanzvergehen der vorsätzlichen Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begangen.

Dieser Verdacht stützt sich auf folgende Tatsachen:

1. Der ehemalige Schwiegersohn des Kunden (in der Folge: Schwiegersohn) gab am 6. September und am zu Protokoll, er habe anläßlich seiner Verehelichung am vom Kunden einen Betrag von 500.000 S als Heiratsgut erhalten. Einen Teilbetrag von 200.000 S habe ihm der Kunde bar übergeben, ihn allerdings darauf hingewiesen, er solle mit dem Geld vorsichtig sein, weil es von einem "Schwarzen Sparbuch" abgehoben worden sei. Das genaue Datum der Übergabe des genannten Betrages sei ihm allerdings nicht mehr bekannt. Der Vorgang müsse sich aber zwischen dem 8. und abgespielt haben. Den bar übergebenen Betrag von 200.000 S habe er für Zahlungen von 188.000 S bei der Raiffeisenkasse M am verwendet.


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2.
Aus einem im Zug des Ehescheidungsverfahrens des Schwiegersohnes von einem Rechtsanwalt verfaßten Schreiben geht hervor, der Kunde habe dem Schwiegersohn 500.000 S in zwei Teilen übergeben.
3.
In der Klage wegen Scheidung der Ehe wird ausgeführt, der Kunde habe dem Schwiegersohn 500.000 S übergeben.
4.
Sowohl der Geldfluß von 300.000 S von der Beschwerdeführerin zum Kunden und anschließend zum Schwiegersohn als auch die Einzahlungen durch den Schwiegersohn bei der Raiffeisenkasse M wurden (vom Schwiegersohn) belegmäßig nachgewiesen.

Anläßlich der Einleitung des Finanzstrafverfahrens wurde der Kunde über den Inhalt der vorliegenden Beweismittel informiert. Der Kunde legte daraufhin eine Bestätigung seiner Tochter vor, nach der diese von ihm am ein Darlehen von 200.000 S erhalten habe. Auf Vorhalt, dieser Betrag scheine weder in den Vermögensteuererklärungen auf, noch lasse sich der behauptete Geldfluß an Hand der vorliegenden Erklärungen nachvollziehen, behauptete der Kunde, er hätte Holz aus seiner pauschalierten Land- und Forstwirtschaft verkauft, hohe Bargeldbestände besessen, von seinem und vom Sparbuch seiner Ehegattin Beträge abgehoben und schließlich habe auch seine Ehegattin ein Einkommen bezogen. Der Kunde bestritt, ein "Schwarzes Sparbuch" zu besitzen.

Da dem Finanzamt bekannt ist, daß der Kunde alle seine Bankgeschäfte bei der Beschwerdeführerin abwickelt, erging am selben Tag ein Auskunfts- und Einsichtnahmeersuchen an die Beschwerdeführerin, in dem neben anderen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht strittigen Unterlagen zum Beweis dafür, daß der Kunde tatsächlich einen Betrag von 200.000 S von einem Sparbuch behoben habe, die Vorlage und Einsichtnahme in die Tagesstrazzen der Beschwerdeführerin vom

8. bis verlangt wurde.

In Beantwortung des Auskunfts- und Einsichtnahmeersuchens legte die Beschwerdeführerin Unterlagen vor, verweigerte aber unter Hinweis auf das Bankgeheimnis nach § 23 Abs 2 KWG und des mangelnden Zusammenhanges der Tagesstrazzen mit dem gegen ihren Kunden eingeleiteten Finanzstrafverfahren die Vorlage und Einsichtnahme derselben.

Mit Beschlagnahmeanordnung (Bescheid) vom , zugestellt am , verfügte daraufhin das Finanzamt ua die Abnahme der sich im Gewahrsame der Beschwerdeführerin befindlichen Tagesstrazzen sowie der entsprechenden Kontenentwicklungen für den Zeitraum vom 8. bis . Zur Begründung wurde ausgeführt, die Tagesstrazzen und die Kontenentwicklungen kämen im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren gegen den Kunden als Beweismittel in Betracht.

Im Zug der auf Grund der Beschlagnahmeanordnung am gesetzten Maßnahmen wurde der Geschäftsstellenleiter der Beschwerdeführerin als Zeuge darüber befragt, ob er Kenntnis über ein dem Kunden zurechenbares Sparbuch mit einem Einlagestand von rund 5 Mio S in Jahren 1983 bis 1987 habe. Der Zeuge gab an, keine Kenntnis über ein derartiges Sparbuch zu haben.

Da die Beschwerdeführerin gegenüber den einschreitenden Organwaltern des Finanzamtes behauptete, die Voraussetzungen des § 89 Abs 3 lit b FinStrG lägen nicht vor, wurden die abgenommenen Unterlagen (Tagesstrazzen, zugehöriger Microfilm, Belege, Schriftverkehr) im Sinn des § 89 Abs 5 leg cit ohne weitere Untersuchung unter Siegel genommen und dem Vorsitzenden des Spruchsenates beim Finanzamt Klagenfurt (in der Folge: Vorsitzende) übergeben.

Der Vorsitzende ordnete mit Bescheid vom die Beschlagnahme der vom Finanzamt der Beschwerdeführerin abgenommenen Tagesstrazzen nach § 89 Abs 5 FinStrG an, wobei er zur Begründung im wesentlichen ausführte, die Tagesstrazzen kämen in dem gegen den Kunden eingeleiteten Finanzstrafverfahren als Beweismittel, welches im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Finanzstrafverfahren stehe, in Betracht. Die Beschlagnahme sei daher ungeachtet der Tatsache, daß in den Tagesstrazzen auch andere Geschäftsvorfälle (teilweise mit Namensnennung) der Beschwerdeführerin aufgezeichnet seien, zulässig. Aus den Tagesstrazzen allein sei nämlich nicht erkennbar, wem die anderen Geschäftsvorfälle zurechenbar seien, weil die Richtigkeit der aufscheinenden Namen nicht überprüft werden könne und dem Finanzamt die Vornahme von Erkundungsbeweisen ohnedies untersagt sei. Das Bankgeheimnis anderer Kunden der Beschwerdeführerin sei daher durch die Beschlagnahme nicht verletzt worden.

Gegen diesen Bescheid ergriff die Beschwerdeführerin das Rechtsmittel der Beschwerde, wobei sie einleitend ausführt, das Finanzamt Klagenfurt sei für eine Entscheidung über die vom Finanzamt Spittal an der Drau verfügte Beschlagnahme nicht zuständig. Sie vertritt sodann im wesentlichen die Ansicht, das Bankgeheimnis sei nicht generell nach Einleitung eines Strafverfahrens durchbrochen, sondern nur im Zusammenhang mit einem solchen. Im vorliegenden Fall sei NUR gegen den Kunden ein Finanzstrafverfahren eingeleitet worden. Die Beschlagnahme und Einsichtnahme in die Tagesstrazzen verletze aber notwendigerweise das Bankgeheimnis anderer Kunden. Damit sei aber dessen Schutz nicht mehr gegeben. Daran vermöge die Behauptung nichts zu ändern, die anderen Kunden könnten oder dürften nicht eruiert werden. Wenn aber der Vorsitzende meine, das Finanzamt dürfte keine Erkundungsbeweise vornehmen, so sei auch die Beschlagnahme und Einsichtnahme in die Tagesstrazzen unzulässig. Denn aus den Tagesstrazzen könnte nur Beweis erhoben werden, ob überhaupt ein bestimmter Geldbetrag innerhalb eines bestimmten Zeitraumes geflossen sei. Eine derartige Vorgangsweise stelle aber einen unzulässigen Erkundungsbeweis dar. Die Beschlagnahme eines untauglichen Beweismittels sei jedoch rechtswidrig.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies der Vorsitzende der belangten Behörde die Beschwerde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens ab, wobei er hinsichtlich der behaupteten Unzuständigkeit zunächst darauf verweist, der Vorsitzende sei als Organ des Finanzamtes Spittal an der Drau tätig geworden, auch wenn diese Funktion nicht ausdrücklich im angefochtenen Bescheid angeführt worden sei. Es sei der Beschwerdeführerin sehr wohl bekannt, daß beim eben genannten Finanzamt kein Spruchsenat installiert sei und der beim Finanzamt Klagenfurt bestehende Spruchsenat auch als Organ sämtlicher Finanzämter des Landes Kärnten zu agieren habe. Die Zuständigkeit des Vorsitzenden zur Erlassung des Bescheides nach § 89 Abs 5 FinStrG sei daher gegeben. Zur Frage der Beschlagnahme selbst führt der Vorsitzende der belangten Behörde aus, es bestehe der dringende Verdacht, der Kunde habe Abgaben verkürzt, weswegen gegen diesen ein Finanzstrafverfahren eingeleitet worden sei.

Bereits am sei die Beschwerdeführerin ua um Vorlage und Einsichtnahme in die Tagesstrazzen vom 8. bis ersucht worden. Damit sei aber für die Beschwerdeführerin klar erkennbar gewesen, in welchem Zusammenhang die Tagesstrazzen von der Behörde begehrt worden seien. Die Durchbrechung des Bankgeheimnisses sei demnach keineswegs generell nach Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, sondern tatsächlich im Zusammenhang mit einem konkreten Finanzstrafverfahren gegen eine bestimmte Person erfolgt. Die Beschwerdeführerin habe die Vorlage der Tagesstrazzen verweigert sowie keine Auskunft über ein dem Kunden zurechenbares Sparbuch gegeben, weswegen die Beschlagnahme zur Sicherung von Beweismitteln unbedingt erforderlich gewesen sei. Es wäre der Beschwerdeführerin durchaus möglich gewesen, die auf den Kunden bezogenen Daten aus den Tagesstrazzen zu entnehmen und diese gesondert zur Verfügung zu stellen. Da die Beschwerdeführerin dies nicht getan habe, habe keine andere Möglichkeit als die der Beschlagnahme sämtlicher Tagesstrazzen vom 8. bis bestanden. Es bedürfe keiner näheren Erörterung, daß dem Finanzamt die Vornahme von Erkundungsbeweisen untersagt sei. Der Zweck der Beschlagnahme der Tagesstrazzen liege auch nicht darin, dem Finanzamt die Möglichkeit einzuräumen, Erkundungsbeweise zu erheben, sondern einzig und allein darin, Beweismittel im gegen den Kunden anhängigen Finanzstrafverfahren zu sichern. Daß in diesem Zusammenhang zwangsläufig auch Kontonummern, Beträge und Namen, die mit dem anhängigen Finanzstrafverfahren nicht in Verbindung stünden, offengelegt würden, sei eine Begleiterscheinung der verfügten Beschlagnahme, die aus technischen Gründen nicht zu verhindern sei. Hinsichtlich der den Kunden nicht betreffenden Daten sei jedoch das bestehende Bankgeheimnis infolge der Bestimmungen des § 89 Abs 5 FinStrG gewahrt. Es lägen daher die Voraussetzungen für die Anordnung der Beschlagnahme im Sinn des § 89 FinStrG vor, wobei das Bankgeheimnis anderer Kunden der Beschwerdeführerin insbesondere deswegen nicht verletzt worden sei, weil dieses nach § 23 Abs 1 KWG auch als Amtsgeheimnis zu wahren sei.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vertritt die Beschwerdeführerin wie bereits im Verwaltungsverfahren die Ansicht, der erstinstanzliche Bescheid sei von einer unzuständigen Behörde erlassen worden, was auch zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde (des Vorsitzenden des Berufungssenates VII bei der Finanzlandesdirektion für Kärnten) führe. Überdies sei im angefochtenen Bescheid im Kopf vom Berufungssenat bei der Finanzlandesdirektion für Kärnten die Rede, am Beginn des Spruches hingegen vom Vorsitzenden des Berufungssenates VII bei der Finanzlandesdirektion für Kärnten, Dr H, als Organ der Finanzstrafbehörde II. Instanz, und sei der angefochtene Bescheid von Dr H als Vorsitzender des Berufungssenates gefertigt. Dies spreche für die Unsicherheit der belangten Behörde hinsichtlich der richtigen Bescheidbezeichnung. Richtig wäre wohl die Bezeichnung Finanzlandesdirektion für Kärnten gewesen. Im wesentlichen erachtet sich die Beschwerdeführerin jedoch in ihrem aus § 23 KWG erfließenden Recht auf Nichtbeschlagnahme der Tagesstrazzen nach § 89 Abs 5 FinStrG verletzt, wobei sie auf die Unverhältnismäßigkeit dieser Maßnahme, der mangelnden Gefahrenrelevanz, des Verstoßes gegen das Subsidiaritätsprinzip und des Fehlens eines unmittelbaren Zusammenhanges mit dem dem Kunden vorgeworfenen Finanzvergehen hinweist.

In der im Namen des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten gefertigten Gegenschrift wird beantragt, die Beschwerde möge als unbegründet und kostenpflichtig abgewiesen werden.

Die Beschwerdeführerin bezweifelt in der von ihr erstatteten Replik, ob ein Vertreter des Präsidenten der Finanzlandesdirektion wirksam eine Gegenschrift erstatten könne, falls der angefochtene Bescheid vom Vorsitzenden des Berufungssenates - wenngleich als Organ der Finanzlandesdirektion - erlassen worden sei und vermutet, das Finanzstrafverfahren gegen den Kunden sei erst nach Übergabe des Auskunfts- und Einsichtnahmeersuchens eingeleitet worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie in der Beschwerde zu Recht ausgeführt wird, ist der angefochtene Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Vorsitzender des Berufungssenates VII) zuzurechnen.

Es kann bei der erfolgten Aufhebung des angefochtenen Bescheides dahingestellt bleiben, ob die vom Vertreter des Präsidenten erstattete Gegenschrift "wirksam" ist, weil dieser Frage im Beschwerdefall nur für den Aufwandersatz Bedeutung zukommt und dem Bund wegen des Unterliegens der belangten Behörde jedenfalls kein Kostenersatz zusteht.

Die Vermutung der Beschwerdeführerin, das Finanzstrafverfahren gegen den Kunden sei erst nach Übergabe des Auskunfts- und Einsichtnahmeersuchens eingeleitet worden, ist unbegründet. Am wurde sowohl dem Kunden der Bescheid über die Einleitung des Finanzstrafverfahrens als auch der Beschwerdeführerin das Auskunfts- und Einsichtnahmeersuchen übergeben.

Nach § 96 BAO in Verbindung mit § 56 Abs 2 FinStrG müssen schriftliche Ausfertigungen der Abgabenbehörden (Finanzstrafbehörden) ua die Bezeichnung der Behörde enthalten. Fehlt entgegen den eben zitierten Bestimmungen in einer Ausfertigung die Bezeichnung der Behörde und ergeben sich auch keine weiteren Anhaltspunkte dafür, von welcher Behörde die Erledigung ausgeht, so gilt das Schriftstück nicht als amtliche Erledigung. Besteht hingegen beim Bescheidadressaten Klarheit, von welcher Behörde der Bescheid ausgefertigt ist, bzw welcher Behörde er zuzurechnen ist, dann ist aus diesem Gesichtswinkel der Bescheid wirksam, auch wenn diese Erkenntnis nicht aus dem Bescheid selbst, sondern aus anderen Anhalten gewonnen werden konnte oder sonst erkennbar ist, von welcher Behörde der Bescheid erlassen wurde (Stoll, Bundesabgabenordnung, S 228).

Der erstinstanzliche Bescheid trägt die Bezeichnung Finanzamt Klagenfurt als Finanzstrafbehörde I. Instanz und ist vom Vorsitzenden gefertigt. Nach § 89 Abs 5 letzter Satz FinStrG hat der Vorsitzende des Spruchsenates mit Bescheid festzustellen, ob die Beweismittel der Beschlagnahme unterliegen. Aus dem eben erwähnten Bescheid geht zweifelsfrei hervor, daß der Vorsitzende entschieden hat. Da die Entscheidung somit vom zuständigen Organ getroffen wurde und dies aus der Erledigung auch ersichtlich ist, schadet die ungenaue Behördenbezeichnung im erstinstanzlichen Bescheid nicht. Damit liegt aber die behauptete Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde nicht vor.

Gemäß § 89 Abs 4 zweiter Satz FinStrG unterliegen bei Kreditunternehmungen Gegenstände, die Geheimnisse im Sinne des § 23 Abs 1 KWG betreffen, der Beschlagnahme nur für solche vorsätzliche Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, die mit Finanzvergehen in unmittelbarem Zusammenhang stehen, für die das Bankgeheimnis gemäß § 23 Abs 2 Z 1 KWG aufgehoben ist. Danach besteht die Pflicht zur Wahrung des Bankgeheimnisses im Zusammenhang mit eingeleiteten Strafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen, ausgenommenen Finanzordnungswidrigkeiten, gegenüber den Finanzstrafbehörden nicht.

Bei der Durchbrechung des Bankgeheimnisses nach dieser Bestimmung kommt es nicht darauf an, ob der Geheimnisherr Beschuldigter oder Nebenbeteiligter des Verfahrens ist. Allerdings muß die Kenntnis dessen, was die Finanzstrafbehörde durch die Durchbrechung des Bankgeheimnisses erfährt, für die Aufklärung des Finanzvergehens erforderlich sein können. Es ist zu beurteilen, ob die Kenntnis der als Bankgeheimnis zu wahrenden Tatsachen, Vorgänge oder Verhältnisse im Zusammenhang mit dem Finanzstrafverfahren steht (vgl Laurer in Fremuth-Laurer-Pötzelberger, Handkommentar zum KWG, Rz 23 zu § 23).

Die oben bereits zitierte Beschlagnahmeregel für Gegenstände, die Geheimnisse im Sinne des § 23 Abs 1 KWG betreffen, verlangt darüberhinaus einen UNMITTELBAREN Zusammenhang mit dem Gegenstand des Finanzstrafverfahrens, für das das Bankgeheimnis zugunsten der Finanzstrafbehörde durchbrochen ist. Der Gesetzgeber verfolgte damit die Absicht, die Beschlagnahme von Gegenständen zu unterbinden, die - wie im Falle des hg Erkenntnisses vom , Zl 82/13/0082, Slg Nr 5839/F, - nicht in einem solchen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Finanzstrafverfahren stehen, das die Befreiung vom Geheimnisschutz bewirkt (vgl Beilagen 668 zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVI. GP).

Der Gegenstand der Beschlagnahme muß daher in unmittelbarem Zusammenhang mit dem aufzuklärenden Finanzvergehen stehen, um die Beschlagnahme zulässig im Sinne des § 89 Abs 4 zweiter Satz FinStrG zu machen. Von einem solchen Zusammenhang kann nur die Rede sein, wenn der Gegenstand zur Klärung des Verdachtes beitragen kann. Darunter darf aber nicht jeder Zusammenhang schlechthin verstanden werden, also nicht alles, was etwa nur negativer (Kontroll)Beweis sein könnte. Wäre doch dann von der Relevanz nichts mehr ausgeschlossen und verbliebe kein Anwendungsbereich für die Beschlagnahmebeschränkung im Interesse des Bankgeheimnisses. Für dieses Auslegungsergebnis spricht auch der Umstand, daß die Beschlagnahmebeschränkung im Interesse des Bankgeheimnisses auch im Dienste der Achtung des Privatlebens gemäß Art 8 Abs 1 MRK steht. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechtes auf Achtung des Privatlebens ist aber gemäß Art 8 Abs 2 MRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Dem Gesetzgeber darf daher keine solcherart grenzenlose Durchbrechung des auch der Achtung des Privatlebens dienenden Bankgeheimnisses für den Fall von Beschlagnahmeanordnungen zur Verhinderung von strafbaren Handlungen - noch dazu ohne entsprechend geäußerten Willen - zugesonnen werden.

Um das Bankgeheimnis gemäß § 23 Abs 2 Z 1 KWG zu durchbrechen, muß der Zusammenhang des geheimen Sachverhaltes mit dem eingeleiteten Finanzstrafverfahren wegen des vorsätzlich begangenen Finanzvergehens also ausreichend konkret sein. Damit überdies der Gegenstand, der das Geheimnis trägt, der Beschlagnahme gemäß § 89 Abs 4 zweiter Satz FinStrG zugänglich ist, muß dieser Zusammenhang außerdem ein unmittelbarer sein.

Diese Voraussetzungen treffen auf die Tagesstrazzen im Beschwerdefall nicht zu. Bei diesen handelt es sich um Aufzeichnungen der Bank über alle einzelnen Geldbewegungen während eines Tages. Es scheinen darin auch Namen von Kunden, Beträge und ihnen zuordenbare Kontonummern auf. Daß diese Tatsachen Gegenstand des Bankgeheimnisses sein können, erscheint dem Verwaltungsgerichtshof nicht zweifelhaft und wurde von der Finanzstrafbehörde daher zu Recht nicht in Frage gestellt. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Verdacht des Finanzvergehens gegen den Kunden konnte nur hinsichtlich jener Geldbewegung bestehen, die über unversteuerte Einkünfte oder unversteuertes Vermögen Aufklärung brächte. Dies wäre nach der Sachlage des Beschwerdefalles eine einzige Behebung eines Geldbetrages in der Höhe, die der Schwiegersohn in seiner Anzeige bezeichnet hatte und die während des von diesem in der Anzeige genannten Zeitraumes erfolgt sein soll. Alle sonstigen Daten oder Tatsachen, Vorgänge oder Verhältnisse, die auf den Tagesstrazzen festgehalten sind, stehen daher nicht in einem Zusammenhang im dargestellten Sinn mit dem eingeleiteten Finanzstrafverfahren gegen den Kunden, für das das Bankgeheimnis aufgehoben ist, geschweige denn in dem von § 89 Abs 4 zweiter Satz FinStrG als Beschlagnahmevoraussetzung geforderten unmittelbaren Zusammenhang. Daran würde sich auch nichts ändern, sollte der Gegenstand (Tagesstrazzen und zugehöriger Microfilm) aus technischen Gründen nur als Einheit beschlagnahmbar sein. Der vom Gesetz geforderte unmittelbare Zusammenhang muß nämlich zum Gegenstand der Beschlagnahme bestehen und nicht nur zu einem, wenn auch untrennbaren Teil dieses Gegenstandes. Eine andere Auslegung verbietet auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Danach darf der Geheimnisschutz der anderen Kunden der Beschwerdeführerin an dem Beschlagnahmegegenstand nicht dem öffentlichen Interesse an einem bloß negativen Kontrollbeweis im Finanzstrafverfahren gegen den Kunden geopfert werden. Dies umso weniger, als der Finanzstrafbehörde zum Gegenstand des eingeleiteten Finanzstrafverfahrens die Möglichkeit der Erzwingung von Aussagen durch die für die Beschwerdeführerin tätigen Personen als Aufklärungsmittel ebenso zur Verfügung steht wie die Erzwingung der Durchsetzung der Editionspflicht dieser Zeugen. Das an die Stelle des Bankgeheimnisses im Fall seiner gesetzlichen Durchbrechung tretende Amtsgeheimnis (§ 23 Abs 1 zweiter Satz KWG) ist ein Surrogat, das keine andere Abwägung erlaubt. Der Ersatz ist nämlich nicht gleichwertig, nimmt doch die Verläßlichkeit der Geheimhaltung schon aus Wahrscheinlichkeitsgründen mit der Zahl der Geheimnisträger ab und verhält sich daher zu dieser umgekehrt proportional.

Die belangte Behörde hätte daher in Abänderung der Entscheidung des Vorsitzenden des Spruchsenates gemäß § 89 Abs 5 FinStrG festzustellen gehabt, daß die Tagesstrazzen der Beschlagnahme nicht, allenfalls nur in jenem Teil unterliegen, aus denen die Behebung eines Betrages von 200.000 S von einem Sparbuch ersichtlich ist.

Somit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt und hiedurch ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Es erübrigte sich daher, auf die behauptete - allerdings nicht ausgeführte - Verletzung von Verfahrensvorschriften einzugehen.

Hinsichtlich der Rechtsnatur der gemäß § 89 Abs 1 FinStrG erlassenen Beschlagnahmeanordnung vom wird auf die Ausführungen im hg Beschluß vom heutigen Tag, Zl 90/14/0118, verwiesen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von einer Verhandlung konnte ungeachtet des Antrages der Beschwerdeführerin gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom , BGBl Nr 206.