VwGH vom 30.11.1993, 90/14/0107
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Baumann, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Hutter, über die Beschwerde der K in G, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. 4/18/14-BK/F-1990, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer 1981, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
L. legte am seine Konzession zum Betrieb des Rauchfangkehrergewerbes mit dem Standort in G. zugunsten des Gatten der Beschwerdeführerin zurück. Als Gegenleistung verpflichtete sich letzterer mit Vertrag vom , an
L. (geboren 1910) eine Leibrente in Höhe von 13 % des Umsatzes des Rauchfangkehrerbetriebes und nach Ableben des L. auf Lebensdauer von dessen Witwe (geboren 1912) an Frau P. eine Leibrente in Höhe von 6 % des betreffenden Umsatzes zu zahlen.
Der Gatte der Beschwerdeführerin verstarb im Jahr 1977. Die Beschwerdeführerin übernahm den Betrieb (Buchwertfortführung gemäß § 6 Z. 9 EStG 1972) und behielt die Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG 1972 bei.
Im Zuge einer den Zeitraum 1977 bis 1981 betreffenden Buch- und Betriebsprüfung traf der Prüfer die Feststellung, bisher sei weder die Konzession aktiviert, noch die Rentenverbindlichkeit passiviert worden, vielmehr sei die jeweilige Rentenzahlung stets in vollem Umfang als Betriebsausgabe geltend gemacht worden. Nach Auffassung des Prüfers sei die Konzession mit Anschaffungskosten in Höhe des auf den März 1975 versicherungsmathematisch kapitalisierten Rentenbarwertes zu aktivieren. Die Rentenschuld sei zum jeweiligen Bilanzstichtag zu kapitalisieren. Die Veränderung zwischen dem Rentenbarwert zum Bilanzstichtag und dem entsprechenden Wert zum vorangegangenen Bilanzstichtag führe zu einem Ertrag bzw. Aufwand. Die laufenden Rentenzahlungen könnten als Betriebsausgabe anerkannt bleiben. Wegen des Todes des Rentenberechtigten L. im August 1981 sei zum die Rentenverbindlichkeit nur mehr nach den sich aus dem Vertrag vom ergebenden einschränkenden Bedingungen (6 % des Betriebsumsatzes auf Lebensdauer der Witwe nach L.) zu kapitalisieren, wodurch es zu einem Absinken der in der Bilanz auszuweisenden Rentenverbindlichkeit im Vergleich zum Wert zum vorangegangenen Bilanzstichtag um S 955.351,-- komme. Dieser Betrag erhöhe den Gewinn aus Gewerbebetrieb sowie den Gewerbeertrag des Jahres 1981.
In der Berufung gegen die Bescheide betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer 1981 u.a., mit denen das Finanzamt der Ansicht des Prüfers folgte, begehrte die Beschwerdeführerin die Zurücknahme der Gewinnerhöhung von S 955.351,--. Zur Begründung führte sie aus, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die versicherungsmathematische Bewertung der Rentenverpflichtung ausgeschlossen, wenn sich das Ausmaß der Rente nach einem Prozentsatz des Umsatzes bemesse. Es sei daher die Berechnung nach § 16 BewG zulässig. Die Berufung betreffend Einkommensteuer 1977 bis 1980 habe die Beschwerdeführerin zurückgezogen, weil sich zwischen der versicherungsmathematischen Berechnung und der Berechnung nach Bewertungsgesetz keine wesentlichen Unterschiede ergeben hätten. Die Beschwerdeführerin sei aber gemäß § 6 Z 9 EStG zur Buchwertfortführung verpflichtet, ihr verstorbener Ehegatte habe den versicherungsmathematischen Ansatz nicht gewählt. In eventu beantragte die Beschwerdeführerin Korrekturen bei der versicherungsmathematischen Berechnung des Rentenbarwertes.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nur teilweise Folge. Stelle eine Leibrente das Entgelt für den Erwerb von Wirtschaftsgütern dar, so sei die Rentenzahlung der Begleichung eines Kaufpreises vergleichbar, wobei die Zahlung als Tilgung einer Schuld zu werten sei. Auch eine umsatzabhängige Rente müsse mit dem Rentenbarwert passiviert werden. Es sei kein Grund feststellbar, der gegen die versicherungsmathematische Berechnung des Rentenbarwertes spreche. Es gäbe auch keinen Grund dafür, die genauere versicherungsmathematische Berechnung durch die ungenauere Berechnung nach § 16 BewG zu ersetzen. Es sei die Rente zu jedem Bilanzstichtag versicherungsmathematisch zu kapitalisieren, Wertänderungen zwischen den Bilanzstichtagen seien sodann als Ertrag/Aufwand auszuweisen, die laufenden Rentenzahlungen dürften hingegen als Betriebsausgabe angesetzt werden. Dadurch würde ausschließlich ein Saldo, der sich aus den als Aufwand verbuchten Rentenzahlungen und der als Ertrag verbuchten Schuldminderung ergebe, erfolgswirksam. Dem Eventualbegehren teilweise entsprechend bewertete die belangte Behörde den Rentenbarwert zum mit
S 818.911,-- und errechnete die Verminderung gegenüber dem (ebenfalls korrigierten) Bilanzansatz zum mit
S 927.764,--. Die belangte Behörde ging dabei davon aus, daß sich die jährliche Rentenleistung (13 % des maßgeblichen Umsatzes) in den einzelnen Jahren wie folgt entwickelt habe:
S 130.000,-- (1975), S 150.000,-- (1976), S 170.000,-- (1977),
S 187.000,-- (1978), S 191.000,-- (1979), S 220.000,-- (1980),
S 220.000,-- (1981).
Die vorliegende Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend. Die Beschwerdeführerin behauptet in dem Recht verletzt zu sein, daß die versicherungsmathematische Berechnungsmethode nicht zur Anwendung komme.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Kaufpreisrenten führen nach Auffassung der herrschenden Lehre (vgl. Doralt - Ruppe, Grundriß des Österreichischen Steuerrechtes I4, Seite 180, Quantschnigg - Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, Wien 1993, § 24 Tz 99.2,
Koban - Bartholner, Praxis und Probleme der Rentenbesteuerung2, Seite 171 mwN) - auch die Rechtsprechung geht von diesen Auffassungen aus (hg. Erkenntnisse vom , Zl. 498/75, und vom , Zl. 85/13/0136) - bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich zu folgender Vorgangsweise:
Zunächst wird der Barwert der Rentenverpflichtung auf den Zeitpunkt des Erwerbes des Wirtschaftsgutes (Betriebes) nach der versicherungsmathematischen Methode berechnet (Anschaffungskosten dieses Wirtschaftsgutes) und als Rentenschuld passiviert. Der Wert der Rentenschuld ist sodann auf jeden Bilanzstichtag erneut nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu berechnen. Durch die gesunkene Lebenserwartung des Rentenberechtigten wird trotz des allfälligen Schlagendwerdens von Wertsicherungsvereinbarungen in der Regel jährlich eine Verminderung der Rentenschuld eintreten. Diese jährliche Barwertdifferenz führt zu einem Ertrag. Andererseits sind die laufenden Rentenzahlungen als Aufwand zu behandeln. Im Ergebnis wird daher nur der Saldo aus der tatsächlichen Rentenzahlung und der Verminderung der Rentenschuld erfolgswirksam.
Im vorliegenden Fall ist zu beurteilen, ob diese Vorgangsweise auch auf umsatzabhängige Renten Anwendung findet. Während Renten in ihrer üblichen Ausgestaltung dem Teilbetrag nach fest bestimmt sind und lediglich der Zeitraum der Zahlungspflicht ungewiß ist, kommt bei der auf Lebenszeit zu entrichtenden umsatzabhängigen Rente zur Ungewißheit der Dauer der Leistungspflicht noch die Ungewißheit über eine Umsatzentwicklung und damit über die Höhe der einzelnen Rentenzahlung.
Auch bei einer umsatzabhängigen Rente besteht die Möglichkeit, den Barwert zu jedem Bewertungsstichtag zu ermitteln, wenn auch die Bewertung zusätzliche Unsicherheiten mit sich bringt, weil von dem Umsatz, der in Zukunft voraussichtlich erzielt werden wird, auszugehen ist. Ist auf einen bestimmten Stichtag die voraussichtliche Höhe der künftigen Rentenzahlung (ausgehend von einer Schätzung der künftigen durchschnittlichen Umsatzhöhe) ermittelt, so unterscheidet sich die Kapitalisierung nicht von der Kapitalisierung von Renten in üblicher Ausgestaltung. Es ist daher kein Grund feststellbar, die Kapitalisierung der umsatzabhängigen Rente anders vorzunehmen als die Kapitalisierung der herkömmlichen Rente (vgl. Stoll, Rentenbesteuerung3, 284 ff, Doralt, EStG2, § 6 Tz 275). Das hg. Erkenntnis vom , Zl. 874 und 875/55, Slg. 1459/F, ist nicht zum EStG 1972 ergangen.
Die Frage eines Wahlrechtes (Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG) betreffend Aufwertung des Bilanzansatzes zum jeweiligen Bilanzstichtag aufgrund der jährlich steigenden Umsatzprognose ist vom Beschwerdepunkt nicht erfaßt und entzieht sich daher der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof.
Wenn die Beschwerdeführerin bestreitet, daß die versicherungsmathematische Barwertberechnung genauer sei als die Kapitalisierung nach § 16 Abs 2 BewG, so kann ihr darin nicht gefolgt werden, auch wenn die beiden Verfahren möglicherweise in einzelnen Jahren zu ähnlichen Ergebnissen führen. Die geringere Genauigkeit der Kapitalisierung nach § 16 Abs 2 BewG ergibt sich daraus, daß diese Bestimmung auf das Geschlecht der Person, auf welche die Rente abgestellt ist, nicht Rücksicht nimmt und für jeweils mindestens fünf Jahre des Lebensalters dieser Person zum gleichen Kapitalisierungsfaktor führt.
Nicht recht verständlich ist der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Bestimmung des § 6 Z 9 EStG 1972 betreffend Buchwertfortführung. Wenn die Beschwerdeführerin nämlich vorbringt, ihr verstorbener Gatte habe für die Bewertung der Leibrente nicht die versicherungsmathematische Berechnungsmethode herangezogen, so ist darauf zu verweisen, daß er unbestrittenermaßen auch nicht die Bewertung nach BewG vorgenommen hat, sondern die Rentenschuld nicht passiviert und daher die laufenden Rentenzahlungen uneingeschränkt als Betriebsausgaben geltend gemacht hat. Zudem sei darauf hingewiesen, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Bilanzberichtigung gemäß § 4 Abs 2 EStG 1972 auch für zurückliegende Bilanzen bis zum Ursprungsjahr des Fehlers durchzuführen ist. Wird der Ansatz eines zwingend in der Bilanz auszuweisenden Wirtschaftsgutes unterlassen oder eine unrichtige Bewertung vorgenommen, so sind dies Fälle der Bilanzberichtigung (vgl. Doralt-Ruppe, Grundriß des Österreichischen Steuerrechtes I4, Seiten 73 ff). Da im gegenständlichen Fall kein Bewertungswahlrecht vorliegt, geht der Hinweis auf die Bewertungsstetigkeit fehl.
Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, bei Anwendung der Methode nach dem BewG wäre aufgrund der vom März 1975 bis August 1981 erfolgten Rentenzahlungen der zum Ansatz gebrachte Wert der Rente bereits bezahlt, sodaß im Jahr 1981 eine gewinnerhöhende Auflösung der Rentenverbindlichkeit nicht eintreten würde. Die Beschwerdeführerin meint damit offensichtlich, die (nach BewG) kapitalisierte Rentenverpflichtung sei im Zeitpunkt der Anschaffung des Wirtschaftsgutes, dessen Kaufpreis die Rente ist, in der Bilanz zu passivieren. Zu jedem nachfolgenden Bilanzstichtag sei die Rentenverpflichtung aber nicht neu zu kapitalisieren, sondern der vorangegangene Wertansatz um die zwischenzeitlich erfolgten Rentenzahlungen zu mindern. Bei dieser Vorgangsweise wirken sich die Rentenzahlungen auf den Gewinn erst aus, sobald der Betrag der ursprünglich kapitalisierten Rentenverpflichtung überschritten ist. Der Beschwerdeführerin ist entgegenzuhalten, daß sich aus § 6 Z 3 EStG 1972 der Grundsatz der Bewertung der Rentenverbindlichkeit zu jedem Bilanzstichtag ergibt. Außerdem ist darauf zu verweisen, daß der Rentenbarwert (kapitalisierter Betrag) der abgezinste Betrag der aufgrund der Lebenserwartung des Rentenberechtigten wahrscheinlichen künftigen Rentenzahlungen ist. Die einzelne Rentenzahlung ist hingegen kein abgezinster Betrag; der Zinsanteil der einzelnen Rentenzahlung kann schon deshalb nicht vom Rentenbarwert abgezogen werden, weil er in diesem nicht enthalten ist. Diese von der Beschwerdeführerin als richtig erachtete Behandlung von Renten widerspricht daher den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleiches.
Wenn die Beschwerdeführerin schließlich darauf verweist, daß § 29 Z 1 EStG 1972 ausdrücklich die Kapitalisierung nach § 16 BewG vorschreibe, so übersieht sie, daß aus dieser eine außerbetriebliche Einkunftsart betreffenden Bestimmung für die Frage des Ansatzes bzw. der Bewertung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens nichts gewonnen werden kann. Die Bewertungsvorschriften für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens in § 6 EStG 1972 enthalten keinen vergleichbaren Verweis auf § 16 BewG.
Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Rentenverpflichtung zum jeweiligen Bilanzstichtag nach der versicherungsmathematischen Methode bewertet hat.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.