VwGH 20.01.1998, 96/11/0133
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | ArbIG 1993 §23 Abs1; VStG §9 Abs2; |
RS 1 | Die einem Arbeitsinspektorat mitgeteilte Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gem § 23 Abs 1 ArbIG 1993 kann den Arbeitgeber erst ab Einlangen der Mitteilung und nicht bereits ab Zustimmung des Bestellten entlasten. Das ArbIG 1993 stellt in dieser Hinsicht eine lex specialis zu § 9 VStG dar. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 95/11/0372 E RS 3 |
Normen | AVG §68 Abs1; VStG §9 Abs1; |
RS 2 | Aufgrund der subjektiven Grenzen der Rechtskraft eines Straferkenntnisses entfaltet dieses Bindungswirkung nur dahin, daß der Bestrafte gegen sich gelten lassen muß, die im Spruch umschriebene Tat begangen zu haben. Diese Bindung steht aber der Bestrafung einer anderen Person (hier den als zur Vertretung nach außen berufenen handelsrechtlichen Geschäftsführer iSd § 9 Abs 1 VStG) wegen desselben Sachverhaltes nicht entgegen. |
Normen | |
RS 3 | Die Übertretungen nach §§ 12, 14, 16 AZG jeweils iVm § 28 Abs 1 AZG sind Ungehorsamsdelikte. Hiebei trifft den Beschuldigten die Beweislast dafür, dass ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich war, und es ist seine Sache, initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht (Hinweis E , 82/12/0142). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 1181/80 E VwSlg 11177 A/1983 RS 3 |
Normen | ArbIG 1993 §23 Abs1; VStG §5 Abs2; |
RS 4 | Ein handelsrechtlicher Geschäftsführer ist verpflichtet, sich über Gesetze, die seine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung treffen (hier: § 23 Abs 1 ArbIG 1993), auf dem laufenden zu halten. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum iSd § 5 Abs 2 VStG kann im Zusammenhang mit diesen Gesetzen nicht vorliegen, daran kann auch ein der Strafbehörde erster Instanz unterlaufener Ermittlungsfehler nichts ändern. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. Franz Bixner jun., Rechtsanwalt in 1120 Wien, Meidlinger Hauptstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-04/A/41/00018/96, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft m.b.H. zu verantworten, daß in den Monaten Februar und März 1995 15 namentlich genannte Arbeitnehmer dieser Gesellschaft in näher bezeichneten Fällen unter Verstoß gegen Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes - AZG beschäftigt worden seien. Über den Beschwerdeführer wurden 15 Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer hat auf die Gegenschrift repliziert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Das Vorbringen, es sei keine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung anberaumt und der Beschwerdeführer dadurch im Recht auf Parteiengehör verletzt worden, steht mit der Aktenlage im Widerspruch. Die mündliche Verhandlung wurde am durchgeführt; die Ladung dazu hatte der Beschwerdeführer am eigenhändig übernommen.
Der Beschwerdeführer bestreitet seine strafrechtliche Verantwortung mit dem Argument, er habe den Prokuristen E.F. als verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG für die Einhaltung unter anderem des Arbeitszeitgesetzes in jener. Filiale, in der sich die gegenständlichen Verstöße ereignet hätten, bestellt. Der Beschwerdeführer tritt allerdings der durch die Aktenlage gedeckten Feststellung, daß die Bestellungsurkunde einschließlich des Zustimmungsnachweises des E.F. nicht dem zuständigen Arbeitsinspektorat übermittelt worden sei, nicht entgegen. Daraus folgt im Lichte der seit geltenden Bestimmung des § 23 Abs. 1 ArbIG (danach wird die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG erst rechtswirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist), daß die Bestellung des E.F. zum verantwortlichen Beauftragten unwirksam und damit der Beschwerdeführer weiterhin strafrechtlich verantwortlich war.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, daß bereits E.F. als "verantwortlicher Beauftragter" wegen derselben Übertretungen mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom rechtskräftig bestraft worden sei. Es sei unzulässig, nunmehr auch ihn wegen eben dieser Verwaltungsübertretungen zu bestrafen, weil ein und dieselbe Verwaltungsübertretung wohl nur von einer Person gesetzt werden könne und die Behörde eben schon E.F. als Täter ausgeforscht und verurteilt habe. Das besagte Straferkenntnis bewirke Bindung dahin, daß damit die Täterschaft des Beschwerdeführers auszuschließen sei.
Bei diesem Vorbringen läßt der Beschwerdeführer die subjektiven Grenzen der Rechtskraft des Straferkenntnisses vom (siehe dazu näher Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 485) außer acht. Dieses Straferkenntnis entfaltet Bindungswirkung nur dahin, daß der Bestrafte (E.F.) gegen sich gelten lassen muß, die im Spruch umschriebene Tat begangen zu haben. Diese Bindung steht aber der Bestrafung des Beschwerdeführers wegen desselben Sachverhaltes nicht entgegen. Die belangte Behörde hatte somit ohne Bindung an das besagte Straferkenntnis zu beurteilen, ob die Bestellung des E.F. zum verantwortlichen Beauftragten wirksam und damit die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers entfallen war. Im Hinblick auf die seit April 1993 geltende Rechtslage hat sie diese Frage zutreffend verneint. (Die Rechtmäßigkeit des gegen E.F. ergangenen Straferkenntnisses ist hier nicht zu prüfen; in diesem zusammenhang wird auf § 52a VStG hingewiesen.)
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, daß er § 23 ArbIG nicht gekannt habe und ihm ein unverschuldeter Rechtsirrtum schon deswegen zugute zu halten sei, weil offenbar selbst die Verwaltungsbehörde erster Instanz diese Bestimmung nicht gekannt habe, ist auf § 5 Abs. 2 VStG hinzuweisen, wonach nur erwiesenermaßen unverschuldete Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift entschuldigen kann. Dies ist hier nicht der Fall, weil der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer verpflichtet war, sich über Gesetze, die seine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung betreffen, auf dem laufenden zu halten. Daran vermag ein der Strafbehörde erster Instanz unterlaufener Ermittlungsfehler nichts zu ändern. Der Beschwerdeführer meint schließlich, es treffe ihn kein Verschulden an den Verwaltungsübertretungen, weil er seinen Überwachungspflichten nachgekommen sei. Auch dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg, hat der Beschwerdeführer doch in keiner Phase des Verfahrens ein detailliertes und mit Beweisanboten untermauertes Vorbringen erstattet, welche Maßnahmen er ergriffen hat, um der Übertretung von arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen vorzubeugen. Da es sich bei den gegenständlichen Übertretungen um Ungehorsamsdelikte handelt, oblag es gemäß § 5 Abs. 1 VStG dem Beschwerdeführer, in der besagten Weise glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden trifft,
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am
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Schlagworte | Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Arbeitsrecht Arbeiterschutz Zurückweisung wegen entschiedener Sache |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1998:1996110133.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
QAAAE-51569