VwGH vom 12.08.1997, 93/17/0005

VwGH vom 12.08.1997, 93/17/0005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der XY-Gesellschaft m.b.H. in D, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ib-8290/1-1992, betreffend Getränkesteuer (mitbeteiligte Partei: Gemeinde L), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom ersuchte die Beschwerdeführerin um die Festsetzung der Getränkesteuer für den Zeitraum bis gemäß § 9 Abs. 2 des Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetzes. Im Zuge von Gesprächen mit dem Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde betreffend die Schwierigkeit, den Außerorts-Verbrauchsanteil genau festzustellen, kam es zu Angeboten von Seiten des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde hinsichtlich der Annahme eines 25 %igen Außerortsanteiles. In einem Schreiben vom "akzeptierte" die Beschwerdeführerin dieses Angebot schriftlich. Nach der Beschlußfassung im Tiroler Landtag vom betreffend die Änderung des § 9 Abs. 2 des Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetzes teilte das Gemeindeamt der mitbeteiligten Gemeinde der Beschwerdeführerin jedoch mit, daß "die angestrebten einvernehmlichen Lösungen für uns unmöglich geworden" seien.

Mit Bescheid vom des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde wurde der Antrag vom betreffend die Festsetzung der Getränkesteuer für den Zeitraum Dezember 1987 bis gemäß § 9 Abs. 2 des Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetzes i.d.F. des Gesetzes LGBl. Nr. 54/1991 als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Mit Bescheid vom setzte der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde unter Hinweis auf ein Musterverfahren beim Amt der Tiroler Landesregierung das Berufungsverfahren aus.

Mit Bescheid vom wies der Gemeindevorstand sodann die Berufung als unbegründet ab. Über Vorstellung der Beschwerdeführerin erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit dem die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abwies.

Begründend führt die belangte Behörde nach einem Hinweis auf eine Vielzahl von Anträgen auf bescheidmäßige Festsetzung der Getränkesteuer unter nachträglicher Berücksichtigung des bis dahin in die Selbstbemessung einbezogenen Außerortsverbrauchsanteiles in den Jahren 1990 und 1991 und der Darstellung des Charakters der Getränkesteuer als Verbrauchssteuer aus, daß angesichts der beschränkten Verwaltungskapazität die Gemeinden überfordert gewesen wären, den Außerortsverbrauchsanteil nachträglich in einem allen Anforderungen eines rechtsstaatlichen Verfahrens entsprechenden Getränkesteuerfestsetzungsverfahren abzugrenzen. Es sei daher der Gesetzgeber aufgefordert gewesen, und es sei zunächst der Tiroler Landesgesetzgeber mit Erlassung der Novelle zum Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetz, LGBl. Nr. 54/1991, tätig geworden. Gemäß § 9 Abs. 2 Tir. Getränke- und Speiseeissteuergesetz in der genannten Fassung habe die Festsetzung der Getränkesteuer mit Bescheid nach § 151 Abs. 2 der Tiroler Landesabgabenordnung zu unterbleiben, soweit sich die Unrichtigkeit der Selbstberechnung daraus ergebe, daß in der Getränkesteuererklärung auch jene Getränke erfaßt seien, die nicht in der Gemeinde, in der die Getränke an Letztverbraucher entgeltlich abgegeben worden seien, verbraucht worden seien.

Gegen die genannte Bestimmung seien massive verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht worden; es sei in der Folge daher auch der Verfassungsgesetzgeber tätig geworden. Mit Ablauf des sei Art. II § 2 Abs. 3 der Novelle zum Finanzausgleichsgesetz 1989, BGBl. Nr. 693/1991, eine Verfassungsbestimmung, in Kraft getreten. Danach unterbleibe eine Neufestsetzung der Abgaben vom Verbrauch von Getränken gemäß § 14 Abs. 1 Z. 7 des Finanzausgleichsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 544/1984, oder § 14 Abs. 1 Z. 7 des Finanzausgleichsgesetzes 1989, BGBl. Nr. 687/1988, aufgrund der Unrichtigkeit der Selbstbemessung gemäß den Vorschriften der Landesabgabenordnungen, soweit diese Unrichtigkeit damit begründet werde, daß die Abgabenerklärung auch jene Getränke erfasse, die nicht in der Gemeinde verbraucht wurden, in der sie an Letztverbraucher entgeltlich abgegeben wurden.

Auch diese Vorschrift setze damit die allgemeine Regel des § 151 Abs. 2 Tiroler Landesabgabenordnung außer Kraft, der zufolge die Abgabenbehörde die Getränkesteuer mit Bescheid festzusetzen hätte, wenn sich die Selbstberechnung als unrichtig erweise. Die vordem gegen die Novelle des Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetzes vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken könnten gegen die genannte Verfassungsbestimmung nicht ins Treffen geführt werden. Die Aufsichtsbehörde habe den bei ihr angefochtenen Bescheid an der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Erlassung zu messen. Der Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Festsetzung der Getränkesteuer unterfalle der in Rede stehenden Verfahrensnorm im Verfassungsrang. Daher sei eine bescheidmäßige Festsetzung der Getränkesteuer aus dem Grunde der Berücksichtigung des Außerortsverbrauchsanteiles verfassungsrechtlich ausgeschlossen. Der bekämpfte Gemeindebescheid verletze daher die Beschwerdeführerin nicht in ihren Rechten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung im Recht, daß bei der Getränkesteuer für den Zeitraum Dezember 1987 bis Oktober 1990 ein Außerortsverbrauchsanteil in ziffernmäßig bestimmter Höhe berücksichtigt und dieser Betrag der Beschwerdeführerin überwiesen werde, geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 9 Abs. 2 Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetz in der mit Ablauf des in Kraft getretenen Fassung des Landesgesetzes LGBl. für Tirol Nr. 54/1991 lautet wie folgt:

"(2) Die Festsetzung der Getränkesteuer mit Bescheid nach § 151 Abs. 2 der Tiroler Landesabgabenordnung hat zu unterbleiben, soweit sich die Unrichtigkeit der Selbstberechnung daraus ergibt, daß in der Getränkesteuererklärung auch jene Getränke erfaßt sind, die nicht in der Gemeinde, in der die Getränke an Letztverbraucher entgeltlich abgegeben wurden, verbraucht wurden."

§ 151 Abs. 1 und 2 Tiroler Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 34/1984 hat folgenden Wortlaut:

"(1) Wenn die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, gilt die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstberechnung als festgesetzt.

(2) Die Abgabenbehörde hat jedoch die Abgabe mit Bescheid festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung der Erklärung unterläßt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstberechnung als unrichtig erweist. Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben in einem Bescheid zusammengefaßt erfolgen."

Mit dem am kundgemachten Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 1989 geändert wird, BGBl. Nr. 693/1991, wurde als Verfassungsbestimmung in Art. II § 2 Abs. 3 festgelegt:

"(3) Eine Neufestsetzung der Abgaben vom Verbrauch von Speiseeis und von Getränken gemäß § 14 Abs. 1 Z. 7 FAG 1995, BGBl. Nr. 544/1984, oder § 14 Abs. 1 Z. 7 FAG 1989 aufgrund der Unrichtigkeit der Selbstbemessung gemäß den Vorschriften der Landesabgabenordnungen unterbleibt, soweit diese Unrichtigkeit damit begründet wird, daß die Abgabenerklärung auch jenes Speiseeis und jene Getränke erfaßt, die nicht in der Gemeinde verbraucht wurden, in der sie an Letztverbraucher entgeltlich abgegeben wurden."

Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa im hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0077, in einem ebenfalls die Getränkesteuer betreffenden Beschwerdefall festgestellt hat, kennt die Tiroler Landesabgabenordnung im Unterschied zur Salzburger Landesabgabenordnung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0187), eine Berichtigungsmöglichkeit von bereits abgegebenen Abgabenerklärungen nicht. Der von der Beschwerdeführerin am gestellte Antrag trägt dieser Rechtslage Rechnung. Mit der Einbringung dieses Antrages können die mit der Selbstberechnung als festgesetzt geltenden Abgaben daher nicht als neu festgesetzt gelten.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits genannten Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0077, weiters festgestellt hat, ist der belangten Behörde auch nicht entgegenzutreten, wenn sie die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin gemäß § 9 Abs. 2 Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetz i.d.F. LGBl. Nr. 54/1991 als rechtmäßig qualifiziert hat. Wie sich aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 6-10/93, ergibt, bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 9 Abs. 2 Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetz in der genannten Fassung. Im Beschwerdefall kommt hinzu, daß der Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes nach Inkrafttreten der Verfassungsbestimmung des Art. II § 2 Abs. 3 der FAG-Novelle 1991, BGBl. Nr. 693/1991, ergangen ist.

Wenn in der Beschwerde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen wird, daß sich die einschlägigen, oben genannten Rechtsgrundlagen nicht auf Sachverhalte bezögen, die sich vor Inkrafttreten der Normen ereignet haben, so ist dies unzutreffend. Die in § 9 Abs. 2 Tir. Getränke- und Speiseeissteuergesetz und in Art. II § 2 Abs. 3 der FAG-Novelle 1991 genannte Neufestsetzung bezieht sich auch auf Sachverhalte, die sich vor Inkrafttreten der genannten Bestimmungen ereignet haben.

Die von der Beschwerdeführerin beantragte Neufestsetzung hatte aufgrund der dargestellten Rechtslage zu unterbleiben. Daran ändern auch die von der Beschwerdeführerin dargestellten näheren Umstände nichts, die zur Verzögerung der Entscheidung über ihren Antrag vom geführt haben (Verhandlungen mit und Zusagen der Gemeinde). Der dargestellte Sachverhalt zeigt jedenfalls entgegen den Beschwerdeausführungen (die das Vorliegen eines mündlichen Bescheides annehmen, gleichwohl aber darauf hinweisen, daß nach der Tiroler Landesabgabenordnung Bescheide grundsätzlich der Schriftform bedürfen), daß keine im Abgabenverfahren relevanten Verwaltungsakte (wie z.B. Bescheide hinsichtlich eines Verzichts auf einen Teil der Abgabe oder betreffend eine ziffernmäßige Neufestsetzung) erlassen wurden. Schriftliche oder mündliche Vereinbarungen sind für die Abgabenfestsetzung hier ohne Bedeutung.

Wenn in der Beschwerde geltend gemacht wird, daß das Abgabenverfahren mit Bescheid vom rechtskräftig ausgesetzt worden sei, so ist dazu darauf hinzuweisen, daß nach der hg. Rechtsprechung aus einer bescheidmäßigen Aussetzung eines Verfahrens nach § 38 AVG kein Recht auf Nichtbeendigung des ausgesetzten Verfahrens erwächst (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 85/08/0031, 0032, und vom , Zl. 86/11/0011). Gleiches gilt auch im Falle einer Aussetzung des Verfahrens gemäß § 212 Tiroler Landesabgabenordnung, wobei im Beschwerdefall hinzukommt, daß mit dem Inkrafttreten des Art. II § 2 Abs. 3 der FAG-Novelle 1991 sich nach Erlassung des Aussetzungsbescheides eine neue Rechtslage ergab. Da diese Änderung der Rechtslage jene Fragen betrifft, die Anlaß zur Aussetzung des Berufungsverfahrens gaben (verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 9 Abs. 2 Tir. Getränke- und Speiseeissteuergesetz, diesbezügliches Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof) hatte diese Änderung zur Folge, daß insofern die Rechtskraftwirkung des Aussetzungsbescheides nicht mehr gegeben war.

Da somit die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.