VwGH vom 24.07.2007, 2002/14/0095
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde 1. des E R und
2. der E R, beide in I und vertreten durch Dr. Klaus Riedmüller, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 13, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom , Zl. RV 945/1-T7/02, betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 1996 (mitbeteiligte Partei: W M in I, vertreten durch Dr. Ekkehard Erlacher, Dr. Renate Erlacher-Philadelphy, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Marktgraben 12), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 sowie der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In Innsbruck, auf der Liegenschaft K.-Gasse, befindet sich ein Gebäude mit mehreren Wohnungen und Geschäftslokalen, welches zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwendet wurde. Die Liegenschaft stand im Miteigentum der Halbschwestern Herta E (verstorben am ) und Luise H (verstorben am ). Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um die Erben nach Luise H.
Nach einem Testament der Herta E fielen laut einer im Verwaltungsverfahren vorgelegten Amtsbestätigung gemäß § 178 Außerstreitgesetz näher bezeichnete Liegenschaftsanteile (rund ein Viertel der Liegenschaft) Herrn Wolfgang M zu. Hinsichtlich dieser Liegenschaftsanteile, so laut der Amtsbestätigung weiter, wurde der Testamentserbin Luise H das lebenslängliche uneingeschränkte Fruchtgenussrecht eingeräumt.
Strittig ist im Beschwerdefall, ob Teile der von Hertha E. gebildeten steuerfreien Beträge gemäß § 28 Abs. 5 EStG 1988 in der Fassung vor dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. 1996/201, hinsichtlich derer eine bestimmungsgemäße Verwendung nicht erfolgt war, im Jahr 1996 zu Lasten von Wolfgang M oder von Luise H aufzulösen waren.
Die belangte Behörde vertrat im angefochtenen Bescheid, welcher gegenüber der aus Wolfgang M und Luise H (bzw. nach deren Tod aus deren Erben, den Beschwerdeführern) bestehenden Mitunternehmergemeinschaft erlassen worden war, im Instanzenzug die Ansicht, die steuerfreien Beträge seien Luise H und nicht Wolfgang M zuzurechnen. Die belangte Behörde begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Zweck der Bildung von steuerfreien Beträgen ursprünglich darin gelegen sei, verrechnungspflichtige Mietzinse und Steuern für zukünftige Reparaturaufwendungen zu reservieren. Dies sei in der Weise erreicht worden, dass zunächst steuerlich anzuerkennende Ausgaben, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Mietobjekt gestanden seien, einschließlich jener Aufwendungen, die nach mietrechtlichen Vorschriften nicht verrechnungsfähig gewesen seien (zum Beispiel AfA), von den verrechnungspflichtigen Einnahmen, zuzüglich allfälliger Rückersatzzahlungen gemäß § 27 MRG, abgezogen worden seien und der sich dann noch ergebende Einnahmenüberschuss nach Art einer steuerfreien Rücklage steuerfrei belassen worden sei. Das Wesen des steuerfreien Betrages sei somit gewesen, die unter Umständen später eintretende Verrechnungspflicht nicht mit einer Besteuerung vorzulasten, wobei eine widmungsgemäße Verrechnung nur mit Instandsetzungsaufwendungen bzw. einem Überschuss der Werbungskosten über die verrechnungspflichtigen Einnahmen hinsichtlich desselben Gebäudes habe erfolgen können. Berücksichtige man diesen Gesetzeszweck, müsse nach Ansicht der belangten Behörde als Übertragung des Gebäudes im Streitfall die Übertragung der Einkunftsquelle zu verstehen sein, zumal § 28 Abs. 5 Z. 4 in Verbindung mit § 116 Abs. 5 Z. 4 EStG 1988 nur besage, dass bei Erwerben von Todes wegen die steuerfreien Beträge fortzuführen seien. Dem in diesem Zusammenhang vorgetragenen Einwand der Beschwerdeführer, dass der Gesetzgeber einen Übergang der steuerfreien Beträge mit der Einkunftsquelle ausdrücklich hätte normieren müssen, könne die belangte Behörde nicht folgen. Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift sei nämlich der Wertzusammenhang und der Sinnzusammenhang maßgebend, in den diese hineingestellt sei. Absicht des Gesetzgebers sei es gewesen, Überschüsse an verrechnungspflichtigen Mietzinsen so lange steuerfrei zu belassen, bis sie mit Erhaltungsaufwendungen für das Gebäude verrechnet würden. Nur im Rahmen der jeweiligen Einkunftsquelle hätten die gebildeten steuerfreien Beträge höchstens neun Jahre lang fortgeführt werden müssen. Daraus ergebe sich nach Ansicht der belangten Behörde weiters, dass bei Erwerben von Todes wegen steuerfreie Beträge von jenem Steuerpflichtigen fortzuführen seien, dem auch die Einkunftsquelle zuzurechnen sei. Nicht entscheidend sei nach Ansicht der belangten Behörde hingegen, dass seit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 die Möglichkeit einer "Häuser übergreifenden Verrechnung" bestehe. Dies deshalb, weil diese Verrechnungsmöglichkeit nur deshalb geschaffen worden sei, um die steuerlichen Folgen der aus (budgetären) Gründen erfolgten Abschaffung der Bildung von steuerfreien Beträgen zu mildern. Für die Auslegung spreche auch, dass nach herrschender Lehre bei einer Übertragung des Eigentums am Gebäude bei gleichzeitiger Zurückbehaltung der Einkunftsquelle (insbesondere Gebäudeübertragung bei Vorbehaltsfruchtgenussrecht), die Zehntelbeträge für Instandsetzungs- und Instandhaltungsaufwendungen und die steuerfreien Beträge bei jenem Steuerpflichtigen weiterliefen, dem die Einkunftsquelle zuzurechnen sei (Hinweis auf Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, Tz 52.3 und 72.4 zu § 28).
Nichts anderes könne nach Ansicht der belangten Behörde für den Fall eines testamentarisch eingeräumten Fruchtgenusses - auch bei allenfalls nur begrenzter Erhaltungspflicht nach § 513 ABGB - gelten, wenn dem Fruchtgenussberechtigten die Einkünfte zuzurechnen seien. Eine letztwillige Fruchtgenussbestellung an einem Miethaus zu Gunsten der Testamentserben stelle nach Ansicht der belangten Behörde einen Erwerb von Todes wegen im Sinne des § 28 Abs. 5 in Verbindung mit § 116 Abs. 5 Z. 4 EStG 1988 dar. Da der Testamentserbin im Beschwerdefall unbestrittenermaßen die Stellung eines Fruchtnießers im Sinne der §§ 512 und 513 ABGB zugekommen sei, seien die steuerfreien Beträge nach Ansicht der belangten Behörde von ihr und nicht vom Vermächtnisnehmer und Eigentümer der Liegenschaftsanteile fortzuführen bzw. aufzulösen.
In der Folge beschäftigte sich die belangte Behörde mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 98/13/0145, "wenngleich diesem Erkenntnis kein mit dem Streitfall vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde" gelegen sei. Dem Erkenntnis sei aber unter anderem nach Ansicht der belangten Behörde zu entnehmen, dass steuerfrei gebildete Beträge in jedem Fall eines Erwerbes von Todes wegen fortzuführen seien, das heißt, auch im Fall einer (todeswegigen) Einzelrechtsnachfolge. Ferner sei aus dem Erkenntnis abzuleiten, dass im Falle des Erwerbes durch den Nacherben auch die vom Vorerben gebildeten Beträge fortzuführen seien. Dem Erkenntnis sei aber nach Ansicht der belangten Behörde nicht zu entnehmen, dass der Vermächtnisnehmer als Eigentümer der Liegenschaft die steuerfreien Beträge fortzuführen habe, wenn die Einkünfte durch Einräumung eines testamentarischen Fruchtgenusses einem anderen Steuerpflichtigen zuzurechnen seien. Insoweit von den Beschwerdeführern auf Seite 7 des Erkenntnisses verwiesen werde, wo es der Gerichtshof für denkbar gehalten habe, dass die Erben die Vorteile durch die Inanspruchnahme der steuerfreien Beträge bei den Erblassern übernommen hätten, während der Nacherbe nur die Nachteile zu vertreten habe, sei zu erwidern, dass der Gerichtshof diese Aussage im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Vorerbschaft getroffen habe. Da der Vorerbe berechtigt sei, die Erbschaft (unter Schonung der Substanz) zu nutzen, sei er auch zur Bildung von steuerfreien Beträgen berechtigt, wobei der Nacherbe nicht nur die vom Erblasser, sondern auch die vom Vorerben gebildeten steuerfreien Beträge fortzuführen habe. Dem Einwand der Beschwerdeführer, dass es höchst unbillig sei, dass die Erben des Vorerben sämtliche durch die Inanspruchnahme der steuerfreien Beträge entstandenen Vorteile übernehmen, während der Nacherbe nur die Nachteile zu vertreten habe, habe der Gerichtshof sodann entgegnet, dass vergleichbare Konstellationen auch bei allen anderen Fällen einer todeswegigen Einzelrechtsnachfolge eintreten könnten. Auch der Vermächtnisnehmer habe die steuerfreien Beträge mit tatsächlichen Aufwendungen zu verrechnen oder nachzuversteuern, während die beim Erblasser eingetretene Steuerersparnis letztendlich den Erben zugute gekommen sei. Die Aussagen des Verwaltungsgerichtshofes könnten nach Ansicht der belangten Behörde nicht von dem im Erkenntnis zu Grunde liegenden Sachverhalt losgelöst werden. Dem angeführten Erkenntnis sei aber nicht zu entnehmen, dass im Beschwerdefall nicht auch zugleich mit der Übertragung der jeweiligen Hausanteile die Übertragung der Einkunftsquelle erfolgt sei. Es könnten daher die Aussagen des Verwaltungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis nichts zur Lösung der Frage der Zurechnung von steuerfreien Beträgen beitragen, wenn Gebäudeeigentum und Einkunftsquelle - wie im Beschwerdefall - von Todes wegen auf verschiedene Erwerber übergingen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung von Gegenschriften sowohl durch die belangte Behörde als auch durch die mitbeteiligte Partei erwogen:
Gemäß § 28 Abs. 5 EStG 1988 in der Fassung vor dem Strukturanpassungsgesetz (StruktAnpG) 1996 konnten bei der Vermietung von Grundstücken (Gebäuden) auf Antrag unter näher geregelten Bedingungen steuerfreie Beträge gebildet werden.
Gemäß § 28 Abs. 5 Z. 4 EStG 1988 idF vor dem StruktAnpG 1996 und gemäß § 116 Abs. 5 Z. 3 EStG 1988 idF des StruktAnpG 1996 waren die innerhalb der vorgesehenen Frist von neun Jahren nicht bestimmungsgemäß verwendeten Beträge einnahmenerhöhend aufzulösen.
Gemäß § 28 Abs. 5 Z. 5 EStG 1988 idF vor dem StruktAnpG 1996 und gemäß § 116 Abs. 5 Z. 4 EStG 1988 idF des StruktAnpG 1996 waren die steuerfreien Beträge bei Erwerben von Todes wegen vom Rechtsnachfolger fortzuführen.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Ansicht der belangten Behörde, dass im gegenständlichen Fall die bei der Vermietung eines Gebäudes gebildeten steuerfreien Beträge bei der Person fortzuführen und im Fall nicht bestimmungsgemäßer Verwendung innerhalb der vorgesehenen Frist einnahmenerhöhend aufzulösen waren, auf welche die Einkunftsquelle übertragen worden war.
Dass Luise H in Bezug auf die von der Erlasserin Herta E übergegangenen Vermietungseinkünfte Zurechnungssubjekt war, ist unbestritten.
Beim beschwerdegegenständlichen Erwerb von Todes wegen ist demnach als "Rechtsnachfolger" im Sinne des § 28 Abs. 5 Z. 5 EStG 1988 idF vor dem StruktAnpG 1996 und gemäß § 116 Abs. 5 Z. 4 EStG 1988 idF des StruktAnpG 1996 die Fruchtnießerin anzusehen, weshalb steuerfreie Beträge von dieser fortzuführen sind.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG (insbesondere § 59 Abs. 1 VwGG) in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am