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VwGH vom 20.01.2005, 2002/14/0091

VwGH vom 20.01.2005, 2002/14/0091

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der M N in W, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse 22/7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. RV/159- 10/02, betreffend Haftung für Abgabenschuldigkeiten nach §§ 9 und 80 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der A GmbH im Instanzenzug zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten dieser Gesellschaft herangezogen. Begründend führte die belangte Behörde aus, es sei unbestritten, dass die Beschwerdeführerin im betreffenden Zeitraum Geschäftsführerin der A GmbH gewesen sei und damit zum Kreis der in § 80 BAO genannten Vertreter zähle. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien sei ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der A GmbH mangels Kostendeckung abgewiesen worden. In der Berufung habe die Beschwerdeführerin dargetan, dass die Gesellschaft keinerlei Tätigkeit mehr ausübe und keinerlei Barmittel vorhanden seien. Die haftungsgegenständlichen Abgaben seien daher bei der Primärschuldnerin uneinbringlich.

Die Heranziehung eines Geschäftsführers einer GmbH zur Haftung für Abgabenrückstände dieser Gesellschaft sei auch dann zulässig, wenn Bescheide, welche die Grundlage für den Haftungsbescheid bildeten, noch nicht in Rechtskraft erwachsen seien, weil unter anderem nach § 254 BAO auch durch Einbringung einer Berufung die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten werde. Der in der Berufung angesprochene Antrag der Primärschuldnerin auf Aussetzung der Einhebung der Abgaben vom sei mit dem am an den steuerlichen Vertreter nachweislich zugestellten Bescheid zurückgewiesen worden. Dieser Bescheid sei nach der Aktenlage in Rechtskraft erwachsen.

Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit bzw. Richtigkeit der dem Primärschuldner vorgeschriebenen Abgaben seien nicht im "Haftungsverfahren", sondern durch eine dem Haftenden nach § 248 BAO ermöglichte Berufung gegen den Abgabenbescheid geltend zu machen. Die diesbezüglichen Einwendungen im Zusammenhang mit der Richtigkeit der zugrundeliegenden Abgabenbescheide gingen daher im gegenständlichen "Haftungsverfahren" ins Leere.

Der Geschäftsführer einer GmbH hafte für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung stünden, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschuldigkeiten daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe, als andere Verbindlichkeiten. Ein solcher Nachweis sei gegenständlich nicht erbracht worden. Die Beschwerdeführerin habe in der Berufung dargetan, dass sie die Forderungen der Wiener Gebietskrankenkasse voll befriedigt habe. Zum Zeitpunkt der Tilgung der Forderungen der Wiener Gebietskrankenkasse seien der Beschwerdeführerin jedoch die Forderungen der Finanzbehörde bekannt gewesen. Daraus folge, dass die Beschwerdeführerin gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen habe, in dem sie (zumindest) einen Gläubiger voll befriedigt habe. Anzumerken sei überdies, dass das Berufungsvorbringen, die Buchführungsmängel seien durch die Steuerberatungsgesellschaft verursacht worden, im vorliegenden Fall die schuldhafte Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin nicht habe ausschließen können, weil nicht dargetan worden sei, weshalb die Beschwerdeführerin die Verbindlichkeiten nicht nach Ergehen der diesbezüglichen Bescheide entrichtet habe.

Hinsichtlich der Lohnsteuer sei festzuhalten, dass der Arbeitgeber nach § 78 EStG die Lohnsteuer vom tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten habe, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichten. Etwaige Zahlungsschwierigkeiten, welche die Gesellschaft nicht gehindert habe, Löhne zu bezahlen, hätte sie daher auch nicht darin hindern dürfen, die darauf entfallende Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, dem Spruch des angefochtenen Bescheides sei weder die Steuernummer, noch "individualisierende Hinweise", wie der richtige Firmenwortlaut der Gesellschaft, für deren Abgabenschuldigkeiten die Beschwerdeführerin zur Haftung herangezogen worden war, zu entnehmen. Auch das Datum sei falsch, weil der Haftungsbescheid des Finanzamtes vom datiere und nicht wie im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführt vom .

Diese Rügen zeigen eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf. In dessen Spruch wurde nämlich die den Gegenstand der Entscheidung bildende Berufung insofern bezeichnet, als darin angeführt wird, wer sie erhoben hat, gegen welchen mit dem Datum und inhaltlich bezeichneten Bescheid sie sich gerichtet hat sowie, wann sie erhoben wurde. Entgegen dem Beschwerdevorbringen entsprechen dabei die Datumsangaben des erstinstanzlichen, mit Berufung angefochtenen Bescheides ebenso wie die Datumsangabe der Berufung den im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführten Daten, wenn darin ausgeführt wird, dass die Berufung vom gegen den Bescheid des Finanzamtes vom ... abgewiesen wird. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird überdies der Firmenwortlaut der Gesellschaft angeführt, für deren der Höhe nach genau angegebenen Abgabenschuldigkeiten die Beschwerdeführerin zur Haftung herangezogen wurde. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher nicht finden, dass der angefochtene Bescheid der gesetzlichen Bestimmung des § 288 BAO, wonach die Berufungsentscheidung unter anderem die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides zu enthalten hat, nicht entsprochen hätte. Die Beschwerdeführerin behauptet im Übrigen nicht, dass sie Schwierigkeiten gehabt hätte, aus den entsprechenden Angaben im angefochtenen Bescheid die Berufung zu identifizieren, über welche mit diesem abgesprochen wurde. Gleiches gilt für den Umstand, dass der im erstinstanzlichen Bescheid angeführte Firmenwortlaut der Primärschuldnerin in einer die Identifizierbarkeit der Gesellschaft nicht schädlichen Weise von deren tatsächlichem Firmenwortlaut abwich.

Ebenfalls keine Rechtswidrigkeit im Zusammenhang mit der von der belangten Behörde als erwiesen angenommenen Uneinbringlichkeit der Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin zeigt die Beschwerdeführerin mit dem Hinweis auf, dass die A GmbH nach wie vor im Firmenbuch eingetragen sei und sie im Dezember 2000, somit mehr als ein Jahr vor Erlassung des Haftungsbescheides einen Fristverlängerungsantrag hinsichtlich einer allfälligen Berufung gegen die Zurückweisung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung von bescheidmäßig vorgeschriebenen Abgaben eingebracht habe. Weder der Umstand, dass die A GmbH noch im Firmenbuch aufscheint, noch der Umstand des entsprechenden Fristverlängerungsantrages zeigt auf, dass die Abgabenschuldigkeiten der A GmbH, für welche die Beschwerdeführerin zur Haftung herangezogen wurde, entgegen der Ansicht der belangten Behörde einbringlich waren, zumal in der Berufung vom ausdrücklich unter anderem darauf hingewiesen wurde, dass bei dieser Gesellschaft keine Barmittel mehr vorhanden seien.

Das Beschwerdevorbringen, aus der Berufung gegen den Haftungsbescheid vom sei erkennbar gewesen, dass die Beschwerdeführerin in dieser Berufung auch von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen wollte, gegen den Abgabenbescheid der Gesellschaft und die Höhe der vorgeschriebenen Abgaben zu berufen, geht ins Leere, weil der angefochtene Bescheid eine gegenteilige Aussage nicht enthält. Im angefochtenen Bescheid wird vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass die diesbezüglichen Einwendungen im Zusammenhang mit der Richtigkeit der zugrundeliegenden Abgabenbescheide - der angefochtene Bescheid geht somit von entsprechenden Einwendungen aus - im gegenständlichen Haftungsverfahren ins Leere gingen. Dies trifft aber nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2003/14/0095). In ihrer Gegenschrift weist die belangte Behörde zutreffend darauf hin, dass im Fall einer anlässlich einer Berufung gegen einen Haftungsbescheid auch gegen die Bescheide über die Abgabenansprüche erhobenen Berufung zunächst über den Haftungsbescheid zu entscheiden ist, weil von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis hinsichtlich der Berufungen gegen die Bescheide über die Abgabenansprüche abhängt (vgl. die bei Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, 2. Auflage, Rz 16 zu § 248, zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Das erstmals in der Beschwerde vorgebrachte Argument, die Beschwerdeführerin hätte die Zahlungen an die Gebietskrankenkasse nicht aus Mitteln der A GmbH sondern aus eigenen Mitteln bezahlt, muss im Hinblick auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot unbeachtet bleiben. Soweit die Beschwerdeführerin meint, die Behörde hätte ihr "hier einen Vorhalt machen, sie hiezu vernehmen oder anhören müssen", ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin vor Erlassung des Haftungsbescheides (im Oktober 2000) aufgefordert worden war, zu beweisen, dass sie schuldlos daran gehindert gewesen sei, für die Entrichtung der Abgabenverbindlichkeiten der A GmbH Sorge zu tragen.

Soweit die Beschwerdeführerin zuletzt umfangreich und mit zahlreichen Literatur- und Judikaturstellen belegt den "derzeitigen Meinungsstand zur Geschäftsführerhaftung" darstellt, in der Folge aber lediglich meint, dass angesichts "dieser Erfordernisse im angefochtenen Bescheid wesentliche Feststellungen" fehlten, zeigt sie eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deshalb nicht auf, weil es nach der von der Beschwerdeführerin selbst dargestellten Rechtslage Sache des Geschäftsführers ist, darzutun aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden kann, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war. Die Beschwerdeführerin zeigt aber nicht auf, womit sie die entsprechenden Nachweise erbracht hätte.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am